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Gliederung

I. Einleitung

1. Thema: Text und Bild "Echo und Narcissus"

2. Allgemeine Angaben zum Bild
3. Entstehungsgeschichte, Datierung und Einordnung in das Oeuvre Poussins

II. Hauptteil
1. Die literarische Quelle
1.1 Zu Ovids "Metamorphosen" allgemein
1.2 Die Geschichte von "Echo und Narcissus"
1.2.1 Fundstelle in den "Metamorphosen"
1.2.2 Paraphrase der Erzählung
2. Das Gemälde - Bildbeschreibung und Interpretation
2.1 Komposition und Darstellungsweise
2.2 Farbe und Licht
2.3 Zusätzliche Dimensionen im Bild
2.3.1 Zitat aus Michelangelos "Die Bestrafung des Tityos"
2.3.2 Zitat einer der Statuen aus der "Niobiden-Gruppe"

3. Die Darstellung des selben Themas in Poussins "Reich der Flora"
3.1 Bilddaten
3.2 Die literarische Quelle
3.3 Bildbeschreibung und Interpretation
3.4 Farbe und Licht
3.5 Vergleich mit "Echo und Narcissus"

III. Zusammenfassung

 

I. Einleitung

1. Thema: Text und Bild "Echo und Narcissus"

Die hauptsächliche Gewichtung meines Referates soll auf der Untersuchung des Gemäldes "Echo und Narcissus" von Nicolas Poussin (1593/94-1665) hinsichtlich der literarischen Herkunft dieses Themas und dessen Verarbeitung durch den Künstler liegen.
Daneben soll auch die Darstellungen des Narcissus-Themas in Poussins Gemälde "Das Reich der Flora" angesprochen werden.
Der für die Werke Poussins wichtige Aspekt des direkten und indirekten Zitats aus Werken antiker Künstler und Meistern der italienischen Renaissance, hier insbesondere Michelangelo Buonarotti, und dessen Wirkung bilden einen weiteren Schwerpunkt.

2. Allgemeine Angaben zum Bild

"Echo und Narcissus" ist ein relativ kleinformatiges Werk Nicolas Poussins und mißt 74 x 100 cm. Es ist in Ölmalerei auf Leinwand ausgeführt und befindet sich heute im Musée National du Louvre in Paris.[1]
3. Entstehungsgeschichte, Datierung und Einordnung in das Oeuvre Poussins
Bei der Datierung gibt es Unklarheiten, die bis heute nicht beseitigt werden konnten.
Doris Wild datiert "Echo und Narcissus" auf ca. 1630, da nach der Ankunft in Rom 1624 keine mythologischen Darstellungen Poussins vor 1630 gesichert und datiert werden können. Joachim von Sandrart berichtet jedoch, daß Poussins erste Arbeiten in Rom "Bacchanalien, Satyren, Nymphen mit beigefügten Ruinen und Landschaften aus dem Ovidio" waren. Die Tatsache der Auseinandersetzung Poussins mit den Bacchanalen für Alfonso d´Este von Tizian und die Kenntnis der auf Ovids "Metamorphosen" basierenden Dichtung "Adone" von Giovanni Battista Marino, Poussins Fürsprecher in Rom, für den er die sogenannten "Marino-Zeichnungen" angefertigt hatte, lassen die ungefähre Datierung des hier behandelten Bildes auf ca. 1630 plausibel erscheinen. In den "Marino-Zeichnungen" hatte Poussin bereits Szenen aus den "Metamorphosen" des Ovid abgebildet, außerdem mußte er Gemälde der verschiedensten Art als Probestücke auf Vorrat halten, um Kundschaft in der neuen Heimat Rom zu finden.[2]

II. Hauptteil

1. Die literarische Quelle

1.1 Zu Ovids "Metamorphosen" allgemein
Poussin wählte für das hier besprochene Bild ein Thema aus der klassischen griechischen Mythologie. Der römische Dichter Publius Ovidius Naso, geb. 43 v. Chr., gest. 8 n. Chr. veröffentlichte viele davon in Versform in seiner Sammlung "Metamorphosen". Dabei handelt es sich um eine Sammlung von Geschichten, in deren Verlauf die Hauptfiguren von Göttern in Pflanzen, Tiere oder Gegenstände verwandelt werden. Diese Sammlung, die in 15 Bücher aufgegliedert ist, war seit der Antike immer gern gelesene Lektüre der Gelehrten, im Mittelalter von naturwissenschaftlichem Interesse, in der Neuzeit, die mit theologisch bedingten Fehlinterpretationen und -übersetzungen des Ovidschen Originaltextes aufräumte und das Interesse an der antiken Mythologie in den Vordergrund rückte, Quelle für Poesie und bildende Kunst.[3]

1.2 Die Geschichte von Echo und Narcissus

1.2.1 Fundstelle in den "Metamorphosen"
Die Erzählung von "Echo und Narcissus" findet sich in den "Metamorphosen" im dritten Buch. Diese Geschichte besteht im Original aus ca. 100 Versen und gehört zu den wenigen Werken in Ovids "Metamorphosen" in denen eine Gestalt in Blumen verwandelt wird.
Die Quintessenz des Textes liegt in der Botschaft der "tödlichen Selbstverliebtheit"[4] , womit wohl auf die moralische Verwerflichkeit von Hochmut und Eitelkeit verwiesen werden soll.

1.2.2 Paraphrase der Erzählung[5]
Narcissus war der Sohn einer Nymphe, die von einer Flußgottheit vergewaltigt wurde.
Ein Orakelspruch sagte der Mutter für das daraus hervorgegangene Kind ein langes Leben nur voraus, sofern es "...sich selbst nicht kennenlernt".
Narcissus war sehr hochmütig, da er so schön war, daß alle Frauen und Männer sich in ihn verliebten. Er jedoch verschmähte alle.
Der Nymphe Echo war als Strafe für ihre Geschwätzigkeit auferlegt worden, daß sie fortan nur noch jeweils die letzten Laute oder Worte einer Rede wiederholen konnte.
Echo verliebte sich bei einer Begegnung in Narcissus, wurde jedoch von diesem wie alle anderen abgewiesen, woraufhin sie sich vor Liebe verzehrte, sich in die Wälder, Höhlen und Berge flüchtete. Ihr verfallener Körper soll zu Felsgestein geworden sein, während ihre Stimme weiterhin hörbar blieb.
Einer der zuvor verschmähten Männer, der sich unsterblich in Narcissus verliebt hatte, erflehte von einer Gottheit, daß es Narcissus selber so ergehen möge, wie all´ den unglücklichen Zurückgewiesenen.
Narcissus erblickte sein eigenes Spiegelbild in einer Quelle und verliebte sich in dieses. Jeder Versuch sich selbst im Wasser zu umarmen mißlang, wobei er schreckliche Qualen der enttäuschten Liebe leiden mußte, woran er schließlich zugrunde ging.
Die immer noch verliebte Echo begleitete Narcissus bei seinem Sterben, als sie ihn später bestatten wollte, fand sie an seiner Stelle eine Narzisse.

2. Das Gemälde - Bildbeschreibung und Interpretation

2.1 Komposition und Darstellungsweise[6]
Die Szenerie bildet getreu dem Ovidtext ein Quellenhain im Wald, wobei sich im Vordergrund des Bildes das Gewässer befindet, in dem Narcissus sein Spiegelbild lieben gelernt hatte. Die Bäume und Pflanzen des arkadisch idealisierten Haines sind detailliert wiedergegeben, was D. Wild auf intensivierte Naturstudien Poussins auf Ausflügen in die Umgebung Roms zurückführt, von denen Sandrart berichtet.
Der Sterbende liegt auf einer Felsplatte am Ufer des besagten Wassers, während um seinen Kopf herum bereits die ersten Narzissen sprießen. In seiner Pose erkennt man noch die Rastlosigkeit aber zugleich auch die Resignation bei seinem verzweifelten Bemühen, sich selber lieben zu können: gescheitert und sich dem Tode ergebend.
Aber diese Pose des Sterbenden und seine Plazierung auf einer so geformten Felsplatte muß bei den Kunstkennern sofort Assoziationen mit anderen Kunstwerken und anderen Mythen aus Ovids "Metamorphosen" hervorgerufen haben. Dieser Tatsache habe ich jedoch einen eigenen Punkt gewidmet.[7]
Rechts hinter Narcissus steht ein Putto mit einer brennenden Fackel in der Hand, die möglicherweise die noch immer nicht erloschene Liebe Echos zu Narcissus symbolisieren soll. Sein Blick ist von Narcissus abgewandt und schweift fragend in die Ferne. Neben dem Putto sind Narcissus Kleider und sein Jagdgerät abgelegt.
Links hinter Narcissus schmiegt sich die wenig plastisch gemalte Nymphe Echo an einen Felsen, worauf sie sich mit einem Ellenbogen abstützt. Ihr Gesichtsausdruck ist schmerzvoll, sie blickt jedoch auch nicht auf den sterbenden Narcissus sondern sieht über den Betrachter des Bildes hinweg aus dem Bildraum heraus und Ihr Körper scheint mit dem Felsen gleichsam verschmolzen zu sein. Sie versinnbildlicht den Abschied von einem geliebten Sterbenden.
Zwischen den drei Akteuren ist eine merkwürdige Beziehungslosigkeit zu ersehen, die sich aus der räumlich getrennten Anordnung der Personen ergibt, die keinerlei Sichtbeziehung zueinander haben. Auch emotional bleibt jede Figur für sich isoliert: Narcissus hat sich aufgegeben und gibt sich dem Tode hin, Echo nimmt wehmütig Abschied ohne irgendwie helfend oder tröstend einzugreifen und der Putto hält weiterhin die brennende Fackel hoch, als wäre nichts geschehen. Die ruhige Anordnung der Figuren, eingebettet in den arkadisch schönen Quellenhain verursacht beim Betrachter zusammen mit Farbe und Licht den Eindruck einer "lyrischen Stimmung" trotz aller Tragik die das Thema beinhaltet.

2.2 Farbe und Licht[8]
Die Farbigkeit des Gemäldes ist im Vergleich zu anderen Bildern Poussins wie zum Beispiel "Midas und Bachus", um 1630, München AP, stark reduziert. Braune und grünliche Töne beherrschen das Bild. Dagegen hebt sich der leuchtend blaue Himmel ab, während andere Lokalfarben nur in kleineren Flächen auftreten. Der Farbauftrag erfolgte pastos, wobei nicht klar ist ob Poussin eine andere Version überarbeitet oder lediglich eine bereits benutzte Leinwand verwendet hat.
Der Mantel des Narcissus, der neben dem Putto liegt ist ockerfarben, während der Rest von Narcissus Kleidung blaßrot, das Untergewand weiß dargestellt ist.
Im größten Unterschied zueinander stehen die Inkarnate der drei Akteure. Der lebendige, gut genährte Putto könnte rosiger nicht sein, während Echo im Hintergrund, zumindest was ihre linke Hand betrifft, farblich mit dem Felsen und dessen bräunlicher Oberfläche fast verschmilzt.
Das Inkarnat des Narcissus wirkt matt und grau, woraus man schließen könnte, daß er noch nicht tot ist, sich jedoch bereits aufgegeben hat und in den letzten Zügen dargestellt ist.
Insgesamt ist das Kolorit dieses Bildes venezianisch beeinflußt, der Einfluß Tizians, mit dem sich Poussin intensiv auseinandergesetzt hatte, deutlich spürbar.
Über der gesamten Szene liegt ein weiches nicht näher definierbares Licht, Schatten lassen sich kaum ausmachen und beides trägt mit der sparsamen Farbigkeit und der beruhigten Szenerie zu der lyrischen Stimmung dieses Gemäldes bei.

2.4 Zusätzliche Dimensionen im Bild[9]
Poussin eröffnet neben dem Schauplatz der mythologischen Erzählung "Echo und Narcissus" noch zwei weitere, tiefergehende Dimensionen, die in der Darstellung des Narcissus begründet liegen.
Der Künstler wählt die antike Dichtung des Ovid als Quelle für sein Werk in tiefer Bewunderung für dieselbe und untermauert den Verweis auf die Antike, indem er seine Hauptfigur, den Narcissus, körperlich so darstellt, daß folgende zwei Kunstwerke, und auch zwei weitere Mythen aus den "Metamorphosen", ins Bewußtsein des Kenners gerufen werden:

2.4.1 Zitat aus Michelangelos "Die Bestrafung des Tityos"
Hierbei handelt es sich um die Übernahme aus einer Zeichnung Michelangelo Buonarottis aus dem Jahr 1532 mit dem Titel "Die Bestrafung des Tityos": Poussin übernimmt den dort gezeichneten Felsen als Plattform, auf der sich der sterbende Narcissus hinstreckt. Außerdem ist laut Bätschmann die seitliche Lage des Narcissus auf die Lage des toten Riesen Tityos zurückzuführen.
Ovid erzählt in seiner Dichtung im vierten Buch, daß Tityos ein Gigant, also ein Riese gewesen sei, der die Göttin Latona einmal vergewaltigen wollte, zur strafe wurde er getötet und in der Unterwelt so an den felsigen Boden gefesselt, daß er sich nicht mehr bewegen konnte. Ein Geier zerfleischte ihm die immer nachwachsende Leber, welche nach altem Glauben der Sitz der Geschlechtsgier ist.[1]0
Dieses Zitat verweist den Kenner der Zeichnung Michelangelos auf die Bestrafung durch höhere Mächte, die ja auch Narcissus widerfahren ist und zugleich auf die Unterwelt und deren Schrecken.
Eine Begründung für diese Art des Zitierens sieht Oskar Bätschmann in der Theorie vom exemplum fictum, dem vollkommenen Bild, das aus einer Zeichnung Michelangelos, der als Meister des disegno angesehen wird, im Zusammenklang mit einem Kolorit eines Tizian entsteht. Der Künstler soll aus den "vorzüglichsten" Werken der Kunst für sein Werk Einzelteile erwählen und für seine Zwecke einsetzen. Im gechichtlichen Verlauf der Kunst würde man sich damit dem exemplum fictum annähern, jedoch nie erreichen. Poussin ist lt. Bätschmann nach dieser Weise vorgegangen. Bei der Betrachtung des zweiten Zitates scheint sich die Richtigkeit dieser Annahme zu bestätigen.

2.4.2 Zitat einer der Statuen aus der "Niobiden-Gruppe"
Charles Le Brun berichtet, daß Poussin antike Skulpturen zum Vorbild für die Gestaltung seiner Personen verwendet haben soll. Tatsächlich ähnelt die Gestalt und die Stellung der Beine von Poussins Narcissus einem toten Jüngling aus einer im 16. Jh. wiederaufgefundenen antiken Skulpturengruppe. Diese Gruppe stellt die Leiden der Söhne der Niobe dar.
Auch die Erzählung von Niobe findet sich in Ovids "Metamorphosen", diesmal im sechsten Buch.
Die hochmütigen Königin Niobe hatte zahlreiche Kinder und verspottete die Göttin Latona wegen ihrer Kinderlosigkeit. Niobe wurde bestraft, indem die von ihr so geliebten und gerühmten Söhne allesamt hingemetzelt wurden.[1]1 Einem solchen toten Sohn der Niobe ist Narcissus nachgebildet.
Bei diesem Zitat wird zum dritten Mal auf die literarische Quelle der "Metamorphosen" verwiesen, indem auch hier der Hochmut das Leben gekostet hat, zum anderen gibt die klassische Schönheit der antiken Skulptur dem Narcissus die angemessene, klassisch schöne Gestalt.[1]2
Nun möchte ich eine andere Narcissusdarstellung Poussins heranziehen.

3. Die Darstellung des selben Themas in Poussins "Reich der Flora"

3.1 Bilddaten[1]3
Das Gemälde mit der Bezeichnung "Das Reich der Flora" oder auch "Der Tanz der Flora"
befindet sich in der Gemäldegalerie "Alte Meister" in Dresden. Es mißt 131 X 181 cm.
Hierbei handelt es sich um eine Auftragsarbeit für Valguarnera, nachdem dieser eine schon fertige Zeichnung Poussins mit diesem Thema im November 1630 ausgewählt hatte. Nach dem Gemälde "Die Pest" wurde es im Februar 1631 begonnen und die Fertigstellung des Bildes erfolgte im April 1631.

3.2 Die literarische Quelle[1]4
In der antiken Mythologie kommt ein "Tanz der Flora" nicht vor. In einem anderen Werk Ovids, den "Fasti", deren Inhalt die Beschreibung römischer Festlichkeiten ist, erwähnt der Schriftsteller in seinem fünften Buch folgendes:
Flora hat von Zephir ihrem Gemahl einen schönen Garten geschenkt bekommen, der die bis dahin einfarbige Erde mit Farbe schmückt. In diesen Garten hat Flora auch die vier in Blumen verwandelten Jünglinge aus Ovids "Metamorphosen" aufgenommen. Diese sind Hyazinth, Krokus, Adonis und, für dieses Referat von Interesse, Narcissus.
Der Gedanke des Flora-Gartens ist somit schon von Ovid vorgegeben, während die Darstellung der tanzenden Flora ein Einfall Poussins ist.

3.3 Bildbeschreibung und Interpretation[1]5
Flora tanzt in der Mitte des Gemäldes und streut dabei Blumen. Nach Doris Wild hat der Gedanke der tanzenden, leichtesten Bewegung der Menschen Poussin interessiert, weswegen er die in einer Vorzeichnung nur seitlich und im Profil sichtbare Flora hier in Frontalansicht präsentiert. Für die Komposition der Figuren in diesem Bild habe Poussin Wachsfiguren eingesetzt, im Gegensatz zum vorher besprochenen Narcissus, der wie schon erwähnt auf andere Kunstwerke als Vorbild zurückgeht.
Über dem von Laubengängen mit Blumenranken umgebenen Garten fährt Helios im Himmelswagen und verströmt sein helles Licht. Flora wird umringt von schönen jungen Gestalten, im Hintergrund tanzen Putten einen Reigen. Links neben ihr schaut Klytia zu ihrem geliebten Helios auf und schützt dabei mit der Hand ihre Augen vor dem gleißenden Licht. Am äußeren linken Rand der Figurengruppe stürzt sich Ajax, der in dem Bild der einzige Selbstmörder ist, in ein Schwert, an dem sich die zu dieser Person gehörende Blume, die weiße Nelke, zeigt. Am rechten Bildrand befinden sich Krokus und Smilax die in die Blume Krokus verwandelt worden sind. Dahinter stehen nebeneinander Adonis, der seine Hüfte berührt, die von einem Eber aufgerissen wurde. Aus der nicht sichtbaren Wunde wuchern bereits die roten Anemonen. Neben ihm steht Hyazinthus, der eine blaue Hyazinthe in seiner Hand ansieht, während er seinen Hinterkopf mit der anderen Hand berührt, an der Stelle, an der ihn der Diskuss Apolls traf und ihn tötete. Somit sind allen Verwandelten jeweils auch die entsprechenden Blumen zugeordnet, aber auch Hinweise auf die Art ihres Todes gegeben.
Narcissus erscheint hier in der in der bisherigen Bildtradition meist verwendeten Situation, nämlich in dem Moment, als er sein Spiegelbild erblickt und sich zunächst darüber erstaunt, wie schön er ist. Laut Doris Wild handelt es sich bei der das Wasser reichenden Person nicht um Echo, sondern um eine Quellnymphe, von der in Ovids "Fasti" die Rede ist. Abweichend vom Narzissusmythos bei Ovid erblickt sich hier Narcissus nicht in einer Quelle, sondern im Spiegel eines ihm gereichten Wasserkruges. Seine Blumen haften an dem Krug, der ihm den Tod bringen wird.
Drei Personen in dem Gemälde unterliegen keiner Verwandlung: Flora selbst, Helios und, als Sinnbild der Naturgewalt und Bedrohung des kultivierten Gartens, die Panherme zwischen den beiden Bäumen am linken Bildrand.
Im Gegensatz zu "Echo und Narcissus" sind im Bild einzelne Handlungen erkennbar, wie zum Beispiel der Selbstmord des Ajax, außerdem trägt das Bewegungsmotiv der tanzenden Flora stark zur Lebendigkeit des Bildes bei.

3.4 Farbe und Licht[1]6
Das linke Drittel des Bildes erscheint beschattet, während der andere Teil in hellem Licht erscheint. Ein direktes Abstrahlen des Lichte von Helios ist nicht erkennbar, sondern es ist einfach da. Schatten sind auch hier nur wenige zu finden. Die Hauptfiguren sind mit großflächig farbigen Gewändern in gebrochenen Farben ausgestattet, wodurch das Bild wesentlich bunter und freundlicher wirkt, als "Echo und Narcissus".
Der Farbauftrag erfolgte flüssig und mit wenig Pentimenti, da Poussin nach erledigter Vorarbeit wohl genau wußte, wie das Bild letztendlich auszuführen sei.

3.5 Vergleich mit "Echo und Narcissus"
Beide Bilder sind im Abstand von wenigen Jahren von einander entstanden. Aus der Biographie Poussins lassen sich Zusammenhänge zur Gestaltung der beiden Themen erkennen. So war der Meister zur Entstehungszeit von "Echo und Narcissus" (ca. 1630) selbst sehr krank, während er im April 1631 bei der Fertigstellung des "Reich der Flora" gerade jung verheiratet war.
Beiden Bilder ist das Thema von Liebe und Tod gemeinsam, während in "Echo und Narcissus" der Abschied Echos von ihrem Geliebten eine Rolle spielt, im "Reich der Flora" dieser Aspekt aber nicht zu ersehen ist, dafür aber die Jugend hier eine Rolle spielt.
Poussin war zu dieser Zeit etwa 36 Jahre alt und hatte also die eigene Jugend bereits hinter sich gelassen. Möglicherweise hat ihn aber die Jugend seiner frisch mit ihm vermählten Frau zu diesem Thema inspiriert.
Der Ruhe und Handlungsunfähigkeit in "Echo und Narcissus" begegnen im Vergleich mit dem "Reich der Flora" Bewegtheit und Lebendigkeit, Schatten wird zu Licht, dunkle tonige Farben werden aufgehellt.
Letztendlich stellt sich mir das Bild "Echo und Narcissus" als eher theoretisch im Bezug auf die Hintergründigkeit der besprochenen Zitate, aber auch mit der Persönlichkeit Poussins, im Bezug auf seine Antiken- und Renaissanceliebe, enger verwandt dar, als das andere. Das "Reich der Flora" wirkt auf mich lebendiger und weniger bedrückend, obwohl auch hier der Tod der jungen Menschen immer gegenwärtig ist.

III. Zusammenfassung
Poussin wählt in seinem Bild "Echo und Narcissus" eine andere Darstellungsweise, als die bisherige Bildtradition. Noch Caravaggio hatte in seiner Narcissusdarstellung die Szene gewählt, in der sich Narcissus in der Quelle spiegelt und sich in sein Spiegelbild verliebt.
Poussin begnügt sich jedoch nicht mit der Einzeldarstellung einer Szene aus dem Narzcissusmythos, sondern um eine umfassende Gesamtdarstellung desselben. Dies wird jedoch nicht durch die simultane Darstellung der in der literarischen Quelle nacheinander ablaufenden Ereignisse erreicht. Handelnde sind sowieso nicht direkt auszumachen, ein Ablesen des Geschehens nur aus dem Bild ist nicht möglich. Nur mit Kenntnis der literarischen Vorlage sind die Vorgänge auf die sich das Bild bezieht zu verstehen und dann ist das Gemälde als Meditationsebene über die Hauptaspekte des Mythos "Echo und Narcissus", nämlich Liebe, Abschied und Tod zu verstehen.[1]7
Die möglichst "klassische" Darstellung des antiken Mythos akzentuiert Poussin formal durch die Zitate aus der Niobiden-Gruppe und der Zeichnung Michelangelos, inhaltlich durch die diesen Kunstwerken entsprechenden Mythen aus den "Metamorphosen".
Mir selber ist beim Lesen der Mythen "Niobe" und "Die Bestrafung des Tityos" noch aufgefallen, daß beide Mythen sowohl mit Sexualität (bei Niobe deren Fruchtbarkeit, bei Tityos der Vergewaltigungsversuch) als auch mit den Hauptthemen des Gemäldes "Echo und Narcissus", nämlich Liebe, Abschied und Tod, zu tun haben.

Insgesamt hat Poussin wohl auf das Ideal des exemplum fictum, das ich oben schon näher beschrieben habe, hingearbeitet.
Abschließend scheint mir auch folgende Überlegung interessant zu sein, die mir bei meiner Arbeit zuletzt immer wieder durch den Kopf ging:
Poussin verwendet als Nebenthemen die Mythen von "Niobe" und "Tityos". Die Künstler der zitierten Kunstwerke zu den Nebenthemen sind für die Skulptur zu "Niobe" Praxiteles[1]8 (Zuschreibung jedoch nicht gesichert), einer der Hauptvertreter der klassischen griechischen Kunst, und für die Zeichnung zu "Tityos" Michelangelo[1]9, der Hauptvertreter der italienischen Hochrenaissance.
Dadurch erschien es mir, als ob Nicolas Poussin, der Bewunderer und Studierende der Antike und der italienischen Renaissance, seine Kunst gerne in die Nachfolge von Praxiteles und Michelangelo gestellt hätte. Zumindest zeitlich und angesichts Poussins beabsichtigter Klassizität kann dies bestimmt auch so gesehen werden.

LITERATURVERZEICHNIS


* Ovid: "Metamorphosen", deutsche Prosa Ausg. Von M. von Albrecht, München 1981
* Walther, Ingo (Hrsg.): "Malerei des Barock", Köln 1997
* Wild, Doris: "Nicolas Poussin: Leben Werk Exkurse", Band 1, Zürich 1980
* Bätschmann, Oskar: "Dialektik der Malerei von Nicolas Poussin", Zürich 1982
* "Lexikon der Kunst", Karl Müller Verlag, 12 Bde., Erlangen 1994
* Krauss/Uthemann: "Was Bilder erzählen", München 1987


[1] Walther, Ingo (Hrsg.): "Malerei des Barock", Köln 1997, S. 48
[2] Wild, Doris: "Nicolas Poussin: Leben Werk Exkurse", Band 1, Zürich 1980, S. 25
[3] Ovid: "Metamorphosen", deutsche Prosa Ausg. Von M. von Albrecht, München 1981,
Nachwort, S. 390
[4] Wild, Doris, S. 30
[5] Zusammenfassung von: Ovid, "Metamorphosen", S. 68-72, Zeilen 339-511
[6] frei nach Wild, Doris, S.30
[7] siehe Punkt 2.4
[8] frei nach Wild, Doris, S.30
[9] Bätschmann, Oskar: "Dialektik der Malerei von Nicolas Poussin", Zürich 1982, S. 32 ff.
[10] Krauss/Uthemann: "Was Bilder erzählen", München 1987, S. 48
[11] Zusammenfassung von: Ovid, "Metamorphosen", S.130-135, Zeilen 146-312
[12] Bätschmann, Oskar, S. 32 ff.
[13] Wild, Doris, S. 32
[14] Wild, Doris, S. 47
[15] Wild, Doris, S. 46. ff.
[16] Wild, Doris, S. 49
[17] "Lexikon der Kunst", Karl Müller Verlag, 12 Bde., Erlangen 1994, Band 9, S. 257
[18] Bätschmann, Oskar, S. 30 f.
[19] Bätschmann, Oskar, S. 32