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Inhaltsverzeichnis:
1 Einleitung

2 Allgemeine exegetische Fragestellungen zu 1Kor 10,1-13

2.1 Gliederung des Textes
2.2 Zitate, Anspielungen, verwendete Traditionen
2.3 Der Zustand der korinthischen Gemeinde: die paränetische Aussageintention des Textes
2.4 Die Typologieproblematik

3 Schnittstelle: Die hermeneutische Problematik der Verwendung des Alten Testaments im Neuen

4 Ansätze zu einer begriffichen Lokalisierung des Problems: Die paulinische Verwendung des Alten Testaments in 1Kor 10,1-13

4.1 Begriffliche Vorarbeit: Interpretationsklassifizierungen Umberto Ecos
4.2 Anwendung auf 1Kor 10,1-13

5 Folgerungen und Anschlußfragen

Literaturverzeichnis

1 Einleitung
Daß wir es bei der Frage nach der Einheit von Altem und Neuem Testament mit einer zentralen Frage der Exegese zu tun haben, bedarf wohl keiner näheren Begründung[1]. Mit ihrer zentralen Stellung ist jedoch auch ihr enormer Verweisungsreichtum verbunden, so daß eine Beschäftigung mit dieser Frage in einem Rahmen wie dem hier gesteckten nur höchst ausschnitthaft geschehen kann. Wir wollen darum zunächst eine dreifache Eingrenzung der Fragestellung vornehmen:
Die ersten beiden Eingrenzungen finden sich schon im Titel dieser Arbeit angedeutet: Es geht um die Verwendung des Alten Testaments bei Paulus[2], und es geht um die Perikope 1Kor 10,1-13 als konkreten Untersuchungsgegenstand[3]. Um eine einigermaßen saubere Bearbeitung des Themas möglich zu machen, ist jedoch noch eine weitere Verengung vonnöten: Das Problem der paulinischen Verwendung des Alten Testaments in 1Kor 10,1-13 soll betrachtet werden unter hermeneutischem Gesichtspunkt. Das ist freilich ein Eingrenzung, derer sich die Exegese nur vorläufig bedienen darf, denn sie führt dazu, daß insbesondere die Frage nach der theologischen Relevanz nur im Rahmen eines abschließenden Ausblicks behandelt werden kann. Sie ist hier jedoch unumgänglich.
Auf dem Hintergrund dieser Negativabgrenzung kann nun eine Leitfrage für diese Arbeit aufgestellt werden, die lautet:
Läßt sich die paulinische Verwendung des Alten Testaments in 1Kor 10,1-13 mit hermeneutischen Mitteln analysieren?
Diese Frage mag trivial erscheinen. Der Trivialitätsverdacht könnte sich jedoch zerstreuen, wenn man zur Kenntnis nimmt, daß eben diese Verwendung des Alten Testaments bei vielen Exegeten Verlegenheitsmetaphorik oder massive Legitimierungsversuche hervorruft[4].
Ziel dieser Arbeit soll es deshalb sein, einen bescheidenen Beitrag zu einem Neuansatz in der Frage des Verhältnisses von Altem und Neuem Testament bei Paulus zu leisten, indem sie zu zeigen versucht, daß sich moderne hermeneutische Begrifflichkeiten für unsere Frage in den Dienst nehmen lassen und ein Ergebnis zutage fördern, das vielleicht perspektiveröffnend wirken kann[5].
Bevor wir uns dem hermeneutischen Problem zuwenden, sollen allerdings einige allgemeine Fragen im Blick auf den Text 1Kor 10,1-13 behandelt werden, die sich als Hintergrundfolie für die hermeneutische Fragestellung für nützlich erweisen dürften (Kapitel 2). Die Schnittstelle zwischen den beiden Hauptteilen soll einer konkretisierten Problemanzeige dienen und die Verbindungslinien zwischen beiden Teilen explizieren (Kapitel 3). Im zweiten Hauptteil soll das notwendige Begriffsinstrumentarium eingeführt (Kapitel 4.1) und auf den Text angelegt werden (Kapitel 4.2). Eine Zusammenfassung des Ergebnisses und ein Ausblick auf Anschlußfragen schließen die Arbeit ab (Kapitel 5).

2 Allgemeine exegetische Fragestellungen zu 1Kor 10,1-13

2.1 Gliederung des Textes
Die Gliederung von 1Kor 10,1-13 wird im Großen und Ganzen relativ einheitlich angegeben. Unabhängig von einer Teilungshypothese[6] werden in den allermeisten Fällen zwei Blöcke im Text ausgemacht: 1-5 und 7-10, wobei die Verse 1-5 Elemente aus dem Exodusgeschehen auslegen und normalerweise als "Midrasch" oder "midraschartig" bezeichnet werden[7], während die Verse 7-10 die konkrete Anwendung der Parallele in Form paränetischer Warnungen bringen[8].
Strittig ist die Stellung des Verses 6, der von einigen Exegeten zum zweiten Block[9] gerechnet und von anderen als ganz eigenständig behandelt wird[10]. Wir wollen uns der zweiten Position anschließen und die Verse 6 und 11 als "hermeneutische Signale" interpretieren (was durch das Auftauchen des Begriffs "" bzw. "" schon sprachlich nahegelegt wird). Dabei kommt V. 6 die Funktion zu, die Brücke zwischen dem zunächst ohne Erklärung eingeführten Blick auf die Israeliten in der Wüste und den Korinthern herzustellen[11], indem er auch das Stichwort des "Begehrens" einführt, das im zweiten Block der Verse 7-10 in vierfacher Weise ausgefaltet wird[12], während V. 11 stärker die Basis eines solchen Brückenschlags reflektiert[13].
Blieben die Verse 12 und 13. Diese beiden letzten Verse, manchmal auch die letzten drei, bereiten erheblich mehr Schwierigkeiten: Sind sie von der Perikope abzutrennen[14], ist zumindest V. 13 etwas künstlich eingefügt, um die Warnungen nicht ganz unvermittelt stehenzulassen[15], oder sind sie gerade das Resümee des gesamten Textes[16]? Eine Abgrenzung der VV. 12f. von der Restperikope erscheint m.E. schon wegen des ""[17] in V. 12 äußerst fragwürdig. Zudem erscheint es plausibel, daß Paulus die harten Warnungen nicht ohne einen Ausgleich habe abschließen wollen[18]. Ob man mit Willis annehmen muß, daß V. 13 auch verhindern soll, die Verantwortung für einen etwaigen Fall auf eine übermenschliche Versuchung und damit auf Gott selbst zu schieben, und somit die Korinther auch noch einmal zur Verantwortung auffordert, scheint angesichts des sehr betonten " " zweifelhaft, mindestens jedoch dürfte diese Bedeutungsnuance gegenüber der tröstenden sekundär sein. Insofern ist hier, wenn auch vielleicht nicht die thematische Zusammenfassung, so doch der Abschluß der Stelle anzusetzen (wobei V. 11 aufgrund seiner o.g. hermeneutischen Funktion nicht in die Abschlußverse zu rechnen ist).

2.2 Zitate, Anspielungen, verwendete Traditionen
Das einzige wörtliche Zitat aus dem Alten Testament findet sich in V. 7: Hier greift Paulus Ex 32,6 (LXX)[19] auf. Die Vermutung einer besonderen Betonung der Warnung vor Götzendienst durch das Zitat liegt nahe[20] und würde die These stützen, daß sich die Warnungen in VV. 7-10 an der konkreten Situation der Korinther orientieren[21] (s. hierzu Kapitel 2.3).
Über dieses singuläre Zitat hinaus enthält der Text eine Reihe direkter Aufgriffe der Exodustradition oder Anspielungen auf sie. Ohne seine Behauptung, verschiedene Exegeten würden wesentlich verschiedene Belegstellen im Alten Testament angeben, nachprüfen zu müssen, kann man angesichts der Fülle von Texten, auf die Paulus sich beziehen könnte[22], wohl Willis zustimmen, wenn er konstatiert: "His method indicates he is thinking of the story itself, contained in several passages. Paul is primarily intersted in the thought as a whole"[23].
Weitaus komplexer gestaltet sich die Frage, ob und in welcher Form Paulus auch auf jüdische, judenchristliche oder hellenistische Auslegungstraditionen zurückgegriffen hat. Dabei wird vor allem zweierlei diskutiert[24]:
Zum einen, ob Paulus bei der Konzeption des mitwandernden Felsens (V. 4b) oder gar der ganzen Exodus-Parallele auf einen rabbinischen oder judenchristlichen Midrasch zurückgegriffen hat[25] bzw. von ihm beeinflußt wurde[26]. Ellis gibt dem gegenüber zu bedenken, daß die rabbinische Tradition eher von einem mitwandernden Brunnen oder Strom spreche und die Verbindungen zum Felsen, aus dem Wasser strömt, zwar vorhanden, aber doch eher lose seien[27]. Er hält es für wahrscheinlicher, daß sowohl die rabbinische Tradition wie auch Paulus sich auf Formulierungen im Alten Testament selbst stützen, die eine solche Interpretation nahelegen[28]. Für unseren Zusammenhang mag es genügen, anzunehmen, daß Paulus hier in irgendeiner Form auf eine Auslegungstradition zurückgreift, die schon deswegen nicht näher bestimmt werden muß, weil er das Motiv des mitwandernden Felsens sofort für seine eigenen Absichten dienstbar macht, indem er anfügt (V. 4c): "Der Fels aber war der Christus".
Hier stellt sich die zweite Frage nach eventuellen Traditionsanbindungen. Herangezogen wird dabei Philo, bei dem sich eine Gleichsetzung des Felsens sowohl mit der (präexistenten) Weisheit als auch dem Logos findet[29]. Gegen diese These wird v.a. eingewandt, Paulus habe eher die Gottesbezeichnung aus dem Moselied (Dtn 32,4.18.31.37) aufgegriffen als die hellenistische Tradition[30]. Die Frage ist eng verknüpft mit dem o.g. Problem, weil jeweils zur Debatte steht, wie der Traditionsfluß aussieht, und muß in unserem Zusammenhang ungelöst bleiben. Allerdings scheinen der größeren Zahl der Exegeten die Argumente gegen eine zunächst einleuchtend erscheinende Traditionsübernahme, sei sie nun mündlich oder schriftlich, legendenhaft oder aus dem Umkreis jüdisch-hellenistischer Philosophie, nicht stichhaltig genug zu sein, um die Annahme eines solchen Zusammenhangs fallenzulassen.
Unabhängig von der traditionsgeschichtlichen Frage wird jedoch an dieser Stelle eine wesentliche systematische Voraussetzung für die paulinische Interpretation des Exodus-Geschehens deutlich: die Präexistenz Christi, die altes und neues Heilsgeschehen auf denselben Gott rückführbar macht[31].
Die obigen Fragestellungen haben gezeigt, daß, wenn auch im Einzelfall Verbindungslinien nicht sicher nachgewiesen werden können, das Gesamt der paulinischen Auslegungsmethode, das uns unter der Fragestellung der "typologischen Interpretation" noch beschäftigen wird, auf dem Hintergrund zeitgenössischer Schriftinterpretationen betrachtet werden kann[32].
Die paulinische "christologische" Deutung des Alten Testaments lehnt sich dabei insbesondere an messianisch-apokalyptische Auslegungen des frühen Judentums an, die die Bibel auf den verheißenen Messias hin lasen. Diese prinzipielle Verbindung wird wohl von niemandem explizit bestritten. In dem Moment allerdings, in dem man versucht, diese Art der Aulegung näher zu charakterisieren, treten die ersten Einwände auf:
Die frühjüdisch-apokalyptische Auslegungstradition geht davon aus, daß der kommende Messias den heilen Zustand der Welt des Anfangs wiederherstellen und sogar überbieten wird. Deshalb liegt ihrem Denken das sogenannte "Zwei-Äonen-Schema" zugrunde, das annimmt, daß die jetzige Zeit schon im Anfang verdorben wurde und der Messias einen neuen Äon einleiten wird.
Dabei ist normalerweise konstitutiv, daß der neue Äon nicht nur die Wiederholung des alten ist, sondern dessen Überbietung. Die Anwendung dieser Gegenüberstellung auf unsere Stelle ist möglich, weil als "heile Urzeit" nicht nur das Paradies angesehen wurde, sondern durchaus auch der Exodus als Anfangszeit des Volkes Israel und Zeit besonderer Heilstaten Gottes[33].
Ob sich das Urzeit-Endzeit-Schema jedoch wirklich in 1Kor 10,1-13 findet, und ob dabei die Endzeit der Urzeit gegenüber hervorgehoben wird, ist umstritten und soll im Zusammenhang mit der Frage nach der typologischen Interpretation diskutiert werden (vgl. Kapitel 2.4).
Hier soll jedoch zumindest angemerkt werden, daß die Denkrichtung des Paulus im Vergleich zum Frühjudentum eine umgekehrte ist[34]: Da für Paulus im Gegensatz zu den Juden die messianische Verheißung in Christus erfüllt ist, denkt er nicht mehr von der Urzeit auf die messianische Verheißung hin, sondern umgekehrt von der neuen Heilszeit in die alte Heilszeit des Exodus zurück. Damit übernimmt er wiederum eine Auffassung der jüdischen Apokalyptik, nämlich die einer zielgerichteten Geschichte, die sich erst von ihrem Ende her erschließt.
Diese Blickrichtung läßt schon das Problem sichtbar werden, das uns im zweiten Teil dieser Arbeit beschäftigen soll (vgl. Kapitel 3 und 4): Sie bedeutet nämlich für die paulinische Hermeneutik, daß er das Alte Testament radikal vom Neuen und die Verheißungen von ihrer Erfüllung in Christus her liest - was zumindest nach modernen hermeneutischen Gesichtspunkten nicht ganz unproblematisch ist.
Bevor wir uns den genannten Schwierigkeiten zuwenden, soll allerdings noch die Frage nach dem Aussageschwerpunkt und der Funktion von 1Kor 10,1-13 geklärt werden.

2.3 Der Zustand der korinthischen Gemeinde: die paränetische Aussageintention des Textes
Im Blick auf die Aussageintention des Textes[35] kann man zwei Fragekomplexe unterscheiden: Der eine beschäftigt sich mit dem Thema des Textes und in diesem Zusammenhang insbesondere damit, worauf genau sich die Israel-Parallele bezieht, während der andere sein Augenmerk auf die Warnungen im zweiten Textblock richtet und fragt, ob sie allgemeiner oder speziell auf die Korinther gerichteter Natur sind und wie das jeweilige Bezugsproblem aussieht.
In der neueren Forschung wird zunächst relativ einhellig konstatiert, daß das Thema des Textes nicht vorrangig die Frage nach der paulinischen Hermeneutik sei[36]. Die positiven Aussagen über das Thema des Textes lassen sich sodann grob in zwei Gruppen unterteilen: Einige Exegeten legen den Schwerpunkt auf ein anzunehmendes magisches Sakramentenverständnis und einen Glauben an präsentische volle Erlösung und damit "securitas", ungerechtfertigte "Über-Sicherheit" der Korinther[37]. Eine Reihe anderer Autoren setzt allerdings den Schwerpunkt anders, nämlich auf das Stichwort des Götzendienstes, vor dem Paulus die Korinther warnen wolle[38]. Diese Gruppe scheint auch den Kontext auf ihrer Seite zu haben[39] und damit ein Problem zu lösen, das schon zu Spekulationen über die vorpaulinische Herkunft von 1Kor 10,1-13 oder zu Hypothesen über die redaktionelle Entstehung des 1. Korintherbriefes in seiner jetzigen Gestalt geführt hatte[40].
Allerdings kann bei näherem Hinsehen der Streit etwas gesucht erscheinen. So ist Schrage[41] zuzustimmen, wenn er anmerkt, daß die beiden Themen kaum gegeneinander auszuspielen sind und es sich höchstens um verschiedene Schwerpunktsetzungen handeln kann, wohl kaum aber um sich ausschließende Alternativen[42].
Wenden wir uns nun der zweiten Frage zu: wie konkret sind die Mahnungen im zweiten Textblock, VV. 7-10, zu verstehen?
Vielzitiert ist in diesem Zusammenhang die Aussage Conzelmanns: "Es wird nicht nach einer Zug-um-Zug-Entsprechung gefragt. Es genügt die Vorbildlichkeit der Geschichte Israels in einer bestimmten Hinsicht"[43]. Jedoch hat es auch immer wieder Versuche gegeben, die vier bzw. fünf (je nachdem, wie man die einleitende "Gier nach Bösem" versteht) Sünden, vor denen Paulus warnt, auf die korinthische Situation zu beziehen. (Dabei macht das "Murren" besondere Schwierigkeiten und hat bisher zwei Lösungen gefunden: Während Schrage und Klauck[44] ein Murren gegen Paulus[45] analog dem Murren des Volkes gegen Mose und Aaron annehmen, sieht Wolff es mit Blick auf die Situationen, in denen Israel in der Wüste murrt, als Rückkehr in alte Lebensgewohnheiten[46].)
Willis andererseits ist kaum bereit, anzunehmen, daß auch nur eine einzige der Mahnungen definitv auf die Korinther hin gesagt ist. Die einzige Ausnahme sei hier die Warnung vor Götzendienst in V. 7, die mit einem expliziten Zitat herausgehoben ist. Bei allen anderen erscheint es Willis zumindest äußest fraglich, er nimmt an, daß Paulus sich bei ihrer Aufzählung stärker von der alttestamentlichen Schriftquelle als der Situation in Korinth leiten ließ[47]. Die Frage dürfte mehr als an der Interpretation von 1Kor 10,1-13 an der Rekonstruktion der korinthischen Verhältnisse liegen, auf die sich Paulus in 1Kor bezieht, und muß hier offenbleiben.

2.4 Die Typologieproblematik
Prinzipell stehen sich in der Frage, ob in 1Kor 10,1-13 eine typologische Interpretation des Alten Testamentes anzunehmen sei, zwei Positionen gegenüber. In einem vereinfachenden Schema lauten sie einerseits: Der Terminus "" bzw. "" in 1Kor 10,6 und 11 ist als terminus technicus anzusehen und entsprechend zu übersetzen. Der Text enthält somit ein Beispiel für eine typologische Exegese[48].
Andererseits jedoch wird vielfach auch die paulinische Verwendung von "" als terminus technicus an dieser Stelle abgelehnt, wie auch das Vorliegen einer Typologie im strengen Sinn. Die Vertreter dieser Position möchten höchstens in einem sehr eingeschränkten Sinn von einer typologischen Auslegung des Alten Testaments in 1Kor 10 sprechen und übersetzen "" dementsprechend mit "Modell", "Vorbild" oder "Beispiel"[49].
Die Antwort auf diese Frage hängt begreiflicherweise zu größeren Teilen an der Definition der "Typologie"[50]. Dabei werden insbesondere folgende Merkmale als konstitutiv angeführt:

1. Eine typologische Deutung stellt zwei geschichtliche Fakten einander gegenüber.
2. Zwischen den beiden Ereignissen besteht eine Zeitdifferenz, die nicht beliebig sein kann, sondern sich am Schema von Urzeit und Endzeit orientieren muß. (Auch die Erfüllung einer Verheißung allein genügt nicht!)
3. Die Gegenüberstellung der beiden Geschichtstatsachen dient dabei nicht einfach der Parallelisierung, sondern der eschatologischen Überhöhung und Vollendung, positiv in der Steigerung oder negativ in der Antithese.
4. Im Unterschied zur Allegorie wird in der Typologie trotz einer Auslegung, die die historische Dimension des Geschehens eindeutig überschreitet, diese jedoch nicht völlig vernachlässigt, sondern die typologische Betrachtungsweise erhellt eine tiefere Dimension eben jenes historischen Geschehens.

Das erste der beiden Ereignisse ist somit eine "Vorausdarstellung" oder "Vorabbildung" eines endzeitlichen Ereignisses.

Wenn man diese Kriterien an 1Kor 10,1-13 durchprüft, kommt man zu folgendem Ergebnis:

1. Die beiden einander gegenübergestellten geschichtlichen Fakten sind in diesem Fall der Exodus und die Situation der Gemeinde in Korinth.
Dabei bezieht sich diese Gegenüberstellung jedoch nur auf die Situation des Heils durch die "Sakramente"[51] von Taufe und Abendmahl, offensichtlich nicht mehr auf die Strafen, die den Israeliten widerfuhren, und wohl auch nicht auf ihr Fehlverhalten, das eben diese Strafen auslöste. Denn selbst wenn es ein solchen Fehlverhalten in Korinth faktisch zur Abfassungszeit von 1Kor gegeben hat, bezieht sich Paulus hier nicht ausdrücklich auf tatsächliches Fehlverhalten, sondern er warnt davor wie vor dem Eintreffen entsprechender Strafen[52].
2. Die Zeitdifferenz besteht, der Exodus kann mit einiger Plausibilität als Urzeit angesehen werden. Fraglich ist, ob Paulus der Auffassung ist, im messianischen Äon zu leben, oder ob er, wie die Wendung " " nahelegt, davon ausgeht, daß der neue Äon direkt bevorsteht[53].
M.E. wäre hier zu fragen, ob man das apokalyptische Schema der beiden Äonen für Paulus einfach unverändert anwenden darf, oder ob man nicht berücksichtigen sollte, daß seine Situation durch das Erscheinen des Messias eine etwas andere ist, die sich mit dem geläufigen Begriff des "eschatologischen Vorbehalts" beschreiben ließe: Der neue Äon ist mit Jesus Christus tatsächlich angebrochen, aber seine volle Ausprägung steht noch bevor, wir leben in einer Art "Zwischenzeit" zwischen dem ersten und dem zweiten, endgültigen Kommen des Messias. Insofern halte ich Argumente, die auf die Formulierung vom "Ende der Äonen" verweisen, um die Anwendbarkeit des apokalyptischen Schemas zu bestreiten, für nicht zwingend[54].
3. Die eschatologische Überhöhung und Vollendung fehlt, der Text bietet ganz offensichtlich eine symmetrische Parallelisierung[55].
4. Daß die Historizität des Exodus nicht geleugnet, vielmehr vorausgesetzt ist, dürfte kaum bestreitbar sein (s.v.a. V. 11)[56].
Angesichts der fehlenden Überhöhung mag man sich nun streiten, ob der Sachverhalt noch legitimerweise mit dem Etikett der "Typologie" zu belegen sei oder nicht. In unserem Zusammenhang kann der Erkenntnisfortschritt aus der Beantwortung dieser Frage jedoch als gering veranschlagt werden[57].

3 Schnittstelle: Die hermeneutische Problematik der Verwendung des Alten Testaments im Neuen
Wir sahen, daß Paulus in einer sehr eigenwilligen, aber äußerst durchdachten Weise auf die Exoduserzählungen des Alten Testaments zurückgreift (2.1) und dabei mit seinem Auslegungsverfahren in der Tradition rabbinischer wie z.T. auch jüdisch-hellenistischer Schriftinterpretationen steht (2.2). Ebenfalls war deutlich geworden, daß die aufgegriffene Exodustradition hier die Funktion eines warnenden Beispiels im Blick auf die konkrete korinthische Gemeindesituation erfüllt (2.3) und wie sich diese Parallelisierung genauer charakterisieren läßt (2.4). Damit sind die nötigen Vorarbeiten geleistet, um auf die Grundfrage dieser Arbeit zurückzukommen: das hermeneutische Problem, das eine solche Auslegung des Alten Testaments verursacht.
"Es ist klar, daß die paulinischen Schriftzitate im einzelnen dazu dienen sollen, die grundlegenden Topoi der paulinischen Theologie und Verkündigung zu belegen und zu untermauern ... Paulus hat seine Prämissen; er weiß, was er in der Schrift zu suchen hat und finden will, er zitiert die Schriftstellen gleichsam herbei"[58]. Solche Aussagen, die die Problematik andeuten, mit der der Text 1Kor 10,1-13 zweifellos behaftet ist, finden sich bei einigen Autoren[59]. Aufschlußreicher als eine solche Markierung des hermeneutischen Problembewußtseins ist allerdings der jeweilige Lösungsansatz, bei dem unbefriedigende Legitimationsfiguren vorherrschen, so etwa, wenn Blank nach dem oben zitierten Satz fortfährt: "Doch so verfährt jeder, der Neues zu sagen hat, gar das Eschatologisch-Neue! Bewundernswert ist die originale Sicherheit des zitierenden Zugriffs. Die Zitate des Gal und Röm lassen vermuten, daß Paulus darüber lange nachgedacht hat, daß er in eindringlicher Schriftlektüre .... sich die markanten Stellen selbst zusammengesucht hat"[60]. Auch Dugandzic versucht eine Lösung der Problematik mit dem Stichwort der Eschatologie: Das Handeln Gottes "wird durch die Übernahme in die Schrift nicht seiner Historizität beraubt. Es bleibt einmalig historisches Geschehen, aber als Bestandteil der gewinnt es eine eschatologische Ausrichtung und kann auf die Gegenwart der Gemeinde angewandt werden"[61].
Luz hingegen zieht es vor, 1Kor 10,1-13 und die dortige paulinische Deutung des Alten Testaments als "Grenzfall seiner Exegese" zu bezeichnen und zu fordern, der Text dürfe deshalb "nicht zum Ausgangspunkt für die Frage nach der paulinischen Hermeneutik gemacht werden"[62].
Die unter Kapitel 2.3 hervorgehobene Tatsache, daß das vordringliche Anliegen des Textes paränetischer Natur ist, wie auch die aus Kapitel 2.2, daß Paulus mit seiner Verwendung des Alten Testaments in der breiten Tradition der Exegese seiner Zeit steht, wird immer wieder benutzt, um die Problematik des Schriftgebrauchs zu umgehen[63]. Hier wäre allerdings anzumerken, daß es schlicht überflüssig ist, Paulus mit dem Argument "alle tun es" rechtfertigen zu wollen. Es kann nicht darum gehen, Paulus exegetischer Unsauberkeit zu überführen, sondern darum, ein sauberes Textverständnis zu ermöglichen[64]. Ebenso ist es fraglich, ob die Tatsache, daß ein Text einem bestimmten Zweck (der Warnung vor Sicherheit und Idolatrie) dient, beinhaltet, daß die Frage nach den Mitteln, mit Hilfe derer der Text dieses Ziel verfolgt, nicht gestattet ist[65]. Daß eine solche Auslegung mit den Prinzipien moderner Hermeneutik in Kollision gerät, wird zwar von einigen Autoren angemerkt oder zumindest angedeutet, dann aber das Thema entweder fallengelassen[66] oder die Hermeneutik als ein der theologischen oder historischen Eigenart des Textes nicht angemessenes Untersuchungsinstrument hinauskomplimentiert[67].
Diese Strategie ist zwar zunächst wirksam, könnte aber auf die Dauer für die Exegese isolationistische Folgen haben, die unter Umständen nicht nur der Glaubwürdigkeit der Verkündigung schaden, sondern sich zudem noch als unnötig erweisen, weil die Begrifflichkeit zur Beschreibung einer solchen Umgangsweise mit einem Text durchaus bereitsteht und sich als fruchtbar für die theologische Weiterarbeit erweisen könnte. Dieser Vermutung soll im folgenden 4. Kapitel nachgegangen werden.
Zur Durchführung dieser exemplarischen Analyse bieten sich einige neuere Werke des Semiotikers Umberto Eco an, und zwar aus zwei Gründen:
Zunächst ist die hier der Einfachheit halber sogenannte "moderne Hermeneutik" alles andere als einheitlich. Zwischen tendenziell konservativen Theorien, die massiv autorgebunden vorgehen[68], einerseits, und "dekonstruktivistischen" Theorien, bei denen der Text in Gefahr ist, zum reinen Irritationspotential für die Vorstellungen des Lesers zu werden[69], andererseits, kann man ein Mittelfeld ausmachen, in dem sich auch die Theorie Ecos bewegt.
Entscheidender ist vielleicht jedoch, daß Eco weniger mit seiner eigenen Theorie herangezogen werden soll, als mit seiner Darstellung einiger für unser Vorhaben relevanter hermeneutischer Unterscheidungen, die es uns ermöglichen sollen, innerhalb der hermeneutischen Theoriebildung unser Problem überhaupt erst zu plazieren. Damit kann unter Umständen auch eine problematische Engführung der exegetischen Fragestellung auf den äußerst beschränkten Außenstandpunkt einer speziellen Theorie vermieden werden[70].

4 Ansätze zu einer begriffichen Lokalisierung des Problems: Die paulinische Verwendung des Alten Testaments in 1Kor 10,1-13

4.1 Begriffliche Vorarbeit: Interpretationsklassifizierungen Umberto Ecos
Die Ecosche Nomenklatur kennt (in Anlehnung an die o.g. Richtungen der Hermeneutik) drei mögliche Prinzipien einer Textinterpretation[71]:

1. Die Interpretation eines Textes befindet sich auf der Suche nach der "intentio auctoris": Der Interpret hat somit nach dem zu suchen, was der Autor mit dem Text sagen wollte, er hat sozusagen dessen Brille aufzusetzen und durch sie hindurch den Text zu betrachten. Was der Autor nicht wissen oder nicht meinen konnte, hat in einer zulässigen Interpretation keinen Platz[72].
2. Die Interpretation eines Textes zielt auf die "intentio operis": Unabhängig von den Intentionen des Autors soll der Text aufgrund seiner eigenen Struktur und Bedeutung anhand bestimmter Kriterien[73] analysiert werden.
3. Die Interpretation eines Textes hat sich zu richten nach der "intentio lectoris": Die Frage des Lesers an den Text ist somit die, was der Text ihm im Blick auf seine - des Lesers - eigene Vorstellungen, Wünsche, Weltbilder, Interessen etc. zu sagen hat, unabhängig sowohl davon, ob der Autor des Textes das gemeint haben könnte, wie ob es der Text unabhängig von dem Leser eingebrachten Deutungssystem sagen könnte.
Daneben unterscheidet Eco fundamental die Interpretation eines Textes von seinem Gebrauch[74]: "Einen Text kritisch zu interpretieren heißt, ihn mit der Absicht zu lesen, im Vollzug der eigenen Reaktionen auf ihn etwas über seine Natur zu entdecken. Einen Text zu gebrauchen heißt dagegen, mit einem Stimulus zu beginnen, der auf weiteres abzielt, und dabei das Risiko zu akzeptieren, den Text vom semantischen Gesichtspunkt aus fehlzuinterpretieren"[75]. An dieser Definition des Unterschieds ist schon sichtbar, daß - zumindest nach Eco - die Grenzen zwischen einer Interpretation nach der intentio operis und der nach der intentio lectoris einerseits und zwischen Interpretation und Gebrauch andererseits annähernd deckungsgleich sind[76].

Für die Legitimität einer Interpretation auf der Ebene der intentio operis nennt Eco drei Kriterien: Kausalität, Ökonomie und Kohärenz[77]. Diese Kriterien dienen nicht dazu, eine einzig richtige Interpretation zu sanktionieren[78], sondern nur definitv außerhalb der intentio operis liegende Interpretationen auszuscheiden - sozusagen ein Poppersches Falsifikationskriterium[79].
Der Ausgangspunkt ist dabei das Kausalitätskriterium: Die Interpretationshypothese, z.B. das vermutete Anliegen des Textes, sollte sich im Text selbst finden lassen. Idealerweise handelt es sich dabei um eine einzige Ursache, auf die die Interpretation rückführbar ist, zumindest jedoch eine geringe Zahl von Ursachen. Das Kausalitätskriterium schließt nicht aus, daß als Ursachen für eine bestimmte Interpretation neben der im Text liegenden auch außertextliche fungieren können. Sie sind aber in jedem Fall sekundär und müssen sich auf eine primäre Ursache im Text stützen[80].
Eng mit dem Kausiltätskriterium zusammenhängend ist das Ökonomiekriterium: Es erinnert an das berühmte "Ockhamsche Rasiermesser" und besagt, daß diejenige Interpretation vorzuziehen ist, welche mit weniger Annahmen mehr erklären kann[81].
Auch das dritte Kriterium, das der Kohärenz, ist nicht überraschend: Negativ besagt es, daß die Interpretation einer Textstelle nicht einer Aussage an einer anderen Stelle des Textes widersprechen darf; positiv gewendet sollte eine Interpretation im Idealfall von jedemr Punkt des Textes aus plausibel sein[82].
Die Wahl der Ecoschen Nomenklatur macht noch einmal eine Vorentscheidung dieser Untersuchung deutlich: die Argumentation bewegt sich sozusagen "diesseits" theologischer Fragestellungen. Damit soll nicht bestritten werden, daß historisch-kritische, hermeneutische und theologische Untersuchungen der Heiligen Schrift untrennbar zusammengehören. Es soll vielmehr vermieden werden, daß sich die verschiedenen Vorgehensweisen und Aspekte in unzulässiger Weise mischen[83]. Daß im Rahmen dieser Arbeit nicht alle Aspekte des Problems des paulinischen Zugriffs auf das Alte Testament in 1Kor 10,1-13 gelöst werden können, bedarf wohl kaum einer Erwähnung[84].

4.2 Anwendung auf 1Kor 10,1-13
Vor der Anwendung der im letzten Kapitel erarbeiteten Begrifflichkeit sind einige Vorbemerkungen nötig:
Unser Fall ist ein relativ kompliziertes interpretatorisches Problem, da wir es strenggenommen mit einer Doppelung der Interpretationssituation zu tun haben: Paulus ist der Autor eines Textes (1Kor 10, 1-13), den wir, Leser im 20. Jahrhundert, interpretieren. Aber gleichzeitig ist auch Paulus der Leser eines Textes (der Exoduserzählung), der lange vor seiner Zeit von einem oder mehreren unbekannten Autoren verfaßt wurde. Zur Vermeidung von Mißverständnissen soll deshalb noch einmal betont werden, daß wir uns im weiteren ausschließlich mit der paulinischen Interpretation des Alten Testaments befassen. Mit "Text" wird also der Text des Alten Testaments bezeichnet, mit "Autor" der Autor eben dieses Textes[85], und der "Interpret" ist Paulus[86].
Und mit zwei weiteren Besonderheiten haben wir es zu tun: Erstens interpretiert Paulus keinen zusammenhängenden Text, sondern beruft sich auf verschieden verstreute Verse des Alten Testaments - und meist ist noch nicht einmal eindeutig feststellbar, auf welche, was zu der auch in Kapitel 2.2 vertretenen Annahme geführt hat, Paulus analysiere weniger einen Text als ein Ereignis.
Und zweitens macht Paulus - entsprechend den Traditionen seiner Zeit - seine Interpretation nicht als solche kenntlich, was dazu führt, daß strenggenommen nicht nur das genauere Verfahren dieser Interpretation wiederum von Interpreten der paulinischen Interpretation gehoben werden muß, wie das in Kapitel 2.4 ansatzweise versucht wurde, sondern auch die Aussage selbst, Paulus interpretiere hier das Alte Testament, eine Interpretationshypothese eben dieser Interpreten ist[87].
Wenden wir uns nun auf dem Hintergrund dieser Vorklärung der Frage zu, welcher der drei von Eco skizzierten Intentionstypen auf unseren Fall anwendbar ist:
Daß eine Verortung der paulinischen Interpretation auf der Ebene der intentio auctoris nicht möglich ist, bedarf wohl keiner näheren Begründung. Wäre dem nicht so, würde sich das in Kapitel 3 bezeichnete Problem nicht stellen.
Somit müssen in einem nächsten Schritt die Ecoschen Kriterien für eine Interpretation entlang der intentio operis geprüft werden:
1. Das Kausalitätskriterium besagt, die Ursache für die Interpretationshypothese solle im zu interpretierenden Text liegen. Hier stellt sich bereits ein massives Problem ein: Wenn wir die paulinische Interpretation mit den beiden Stichworten der "christologischen" und der "aktualisierend-eschatologischen" Deutung zu etikettieren bringen versuchen, ist kaum auszumachen, wo im Text der herangezogenen Exodus-Erzählungen die Legitimation für eine solche Deutung liegen könnte.
Nun darf man sicher das Kausalitätskriterium nicht so auffassen, als müsse die Hypothese sich im Text explizit finden. Damit wäre ein großer Teil nicht-trivialer Interpretationen als illegitim abgestempelt. Eco unterscheidet hier zwischen einer semantischen und einer kritischen Interpretation - wobei nicht bei jedem Text beide möglich sind, bei den meisten alttestamentlichen Texten jedoch wohl unbestrittenermaßen. Während die semantische Interpretation den Text "linear" betrachtet und den Sinn zu heben versucht, der an der Oberfläche liegt, analysiert die kritische Interpretation vielmehr die Textstrukturen, die es ermöglichen, daß der Text verschiedene gültige Interpretationen auf verschiedenen Ebenen haben kann und hat[88]. So können alttestamentliche Texte Hinweise auf ihre Abfassungszeit und eine Intention (bspw. die Legitimation der Kultexklusivität in Jerusalem) beinhalten, die auf den ersten Blick nicht sichtbar sind (und meist auch nicht sein sollen). Allerdings kann man, ohne mit den Analysen ins Detail gehen zu müssen, berechtigterweise Bedenken haben, auf dieser Ebene Hinweise auf eine christologische Deutung zu finden[89].
Mit der Nichtanwendbarkeit des Kausalitätskriteriums ist schon deutlich, daß von einer Interpretation auf der Suche nach der intentio operis in diesem Fall nicht gesprochen werden kann.
Auf diesem Hintergrund ist es jedoch interessant, daß das Ökonomiekriterium anwendbar ist: Paulus "interpretiert" mit Hilfe einer einzigen Prämisse, nämlich der Vorausdarstellung der Ereignisse in Korinth durch die Wüstengeneration, das gesamte Geschehen; aber er kann es deswegen, weil dabei keine Rücksicht auf Widersprüche zum Text genommen wird, die bei einer Interpretation weiter Hilfsannahmen erforderlich machen würden.
Und von ihrem Ausgangspunkt aus ist die Anwendung auch durchaus schlüssig und entspricht somit dem Kohärenzkriterium[90]: Dann nämlich, wenn man die Prämisse der christologisch-eschatologischen Deutung akzeptiert. Insofern ist unser Text auch ein Beispiel dafür, warum das erste Kriterium, das Kausalitätskriterium, als conditio sine qua non betrachtet werden kann[91]: In unserem Fall wären bei konsequenter Mißachtung des Kausalitätskriteriums die anderen beiden Kriterien anwendbar; von eine Interpretation nach der intentio operis kann jedoch keine Rede sein.
Somit kann als Ergebnis unserer Prüfung festgehalten werden, daß sich als Etikettierung zumindest nach diesen Kriterien und für diesen Text nur die intentio lectoris anbietet: Paulus interpretiert die Exoduserzählung des Alten Testaments nicht, er gebraucht sie. Wir haben somit mit Hilfe der Analyse des paulinischen Textes nachgewiesen, daß die Interpretationshypothese für 1Kor 10,1-13, Paulus interpretiere das Alte Testament, nicht haltbar ist[92].

5 Folgerungen und Anschlußfragen
Aus dem Erweis der paulinischen Verwendung des Alten Testamentes zum Gebrauch im Rahmen der Argumentation in 1Kor 10,1-13 könnte sich Folgendes ergeben:
Zunächst sind Legitimationsschleifen, wie sie in Kapitel 3 dargestellt wurden, nicht nötig, da sich gezeigt hat, daß sich das paulinische Verfahren durchaus hermeneutisch beschreiben läßt.
Der Blick auf die "theologische Seite" der Untersuchung, der noch ansatzweise gewagt werden soll, macht jedoch ein nicht unerhebliches Anschlußproblem deutlich: Mit der hermeneutischen Beschreibung der Verwendung des Alten Testamtents in 1Kor 10,1-13 ist die paulinische Überzeugung noch nicht eingeholt, der Text sei "aufgeschrieben zu unserer Warnung"[93]. Diese Frage ist nicht mehr auf der Ebene der Textanalyse zu beantworten, sondern bedarf fundierter theologischer Arbeit auf Basis der Textanalyse. M.E. wird es dabei nicht reichen, sich auf die Unterscheidung von "Geist" und "Buchstabe" zurückzuziehen, sondern die Frage kann nur geklärt werden auf dem Hintergrund einer Theorie über die Einheit der beiden Testamente.
Auch zu dieser Frage könnte die Untersuchung des Rückgriffs auf das Alte Testament in unserem Text einen bescheidenen Beitrag geleistet haben, insofern als das Ergebnis zwei extreme Lösungsversuche an Plausibilität verlieren läßt:
Von einer ungebrochenen heilsgeschichtlichen Kontinuität kann nicht ausgegangen werden: Es zeigt sich, daß das Neue Testament vom Alten her gesehen nicht einfach als Erfüllung dort aufgeschriebener Verheißungen verstanden werden kann[94]. Historisch[95] bzw. auf der Ebene der intentio operis ist eine solche Kontinuität nicht zu gewinnen.
Andererseits erscheint jedoch auch eine völlige Diskontinuität als äußerst fraglich: Paulus greift nicht willkürlich auf das Alte Testament zu, und er exemplifiziert nicht beliebig. Das ist schon auf der hermeneutischen Ebene daran erkennbar, daß, macht man die dem Kausalitätskriterium widersprechende Prämisse einer aktualisierend-christologischen Deutung mit, die Anwendung der beiden anderen Kriterien von Ökonomie und Kohärenz auf den Text unproblematisch wird. Etwas überspitzt könnte man deshalb formulieren, daß "nur" diese Prämisse Paulus von einer sogar modernen hermeneutischen Ansprüchen einer intentio operis gerechten Interpretation trennt[96].
Abgesehen davon wird gerade in dieser Perikope - jenseits hermeneutischer Befunde - durch den Aufgriff des Alten Testaments auch eine fundamentale Einheit mit dem Neuen ausgesagt: "Alles dies aber widerfuhr jenen als Vorbild und ist geschrieben worden zur Ermahnung für uns" (1Kor 10,11). Welcher Art diese Einheit sein kann, muß einer sorgfältigen theologischen Analyse überlassen bleiben.

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[1]Es wird gar die Behauptung gewagt, es handele sich um die zentrale Frage der christlichen Theologie insgesamt (Vgl. Becker, Joachim, Grundzüge einer Hermeneutik des Alten Testaments, Frankfurt/Main 1993, 78). Wenn dies vielleicht in der suggerierten Ausschließlichkeit hinterfragbar ist, belegt es dennoch einmal mehr die Relevanz des Themas.
[2]Dies ist vor allem deshalb zu betonen, weil Paulus selbstverständlich nicht der einzige neutestamentliche Schriftsteller ist, der das Alte Testament in seinen Argumentationen aufgreift, und vielleicht noch nicht einmal der, der es am ungewöhnlichsten verwendet.
[3]Eine Textstelle, die schon darum reizvoll sein kann, weil sie meist als für solche grundsätzlichen Fragen ungeeignet betrachtet wird - was diese Arbeit begründet zu bezweifeln versucht.
[4]Zu konkreten Belegen vgl. Kapitel 3.
[5]Wiederum darf nicht vergessen werden, daß das Ergebnis dieser Arbeit selbstverständlich nicht unbesehen auf das gesamte Corpus Paulinum angewendet werden kann; dafür ist der Gang der Untersuchung zu stark an unserer gewählten Perikope orientiert.
[6]So Conzelmann, der allerdings nicht innerhalb der Perikope unterteilt, sondern 10,1-13 aus dem Kontext isoliert und als schon vorliegend annimmt; vgl. Conzelmann, Hans, Der erste Brief an die Korinther, Göttingen 21981 (kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament Bd. 5; 12. Aufl, 2. dieser Auslegung), 202, der sich dabei auf Luz beruft: vgl. auch Luz, Ulrich, Das Geschichtsverständnis des Paulus, München 1968, 118f. Auf Kommentarliteratur wird im Folgenden nach der Erstangabe nur mit Verfasser und Seite verwiesen.
[7]Vgl. z.B. Weiß, Johannes, Der erste Korintherbrief, Göttingen 1910, 250; vgl. Luz, Geschichtsverständnis, 117ff; vgl. Koch, Dietrich-Alex, Die Schrift als Zeuge des Evangeliums. Untersuchungen zur Verwendung und zum Verständnis der Schrift bei Paulus, Tübingen 1986 (Beiträge zur historischen Theologie 69), 214ff; vgl. Wolff, Christian, Der erste Brief des Paulus an die Korinther. Zweiter Teil, Berlin/DDR 1982 (Theologischer Handkommentar zum NT Bd. 7/II), 39; vgl. Klauck, Hans-Josef, 1. Korintherbrief. Für Rudolf Schnackenburg zum 70. Geburtstag, Würzburg 1984 (Die Neue Echter Bibel: Kommentar zum Neuen Testament mit der Einheitsübersetzung Bd. 7), 70; sachlich auch Conzelmann, vgl. 201; Osten-Sacken, Peter von der, "Geschrieben zu unserer Ernahnung...". Die Tora in 1. Korinther 10,1-13. In: ders.: Die Heiligkeit der Tora. Studien zum Gesetz bei Paulus, München 1989, 60-86, 68; sehr differenziert Schrage, Wolfgang, Der erste Brief an die Korinther, 2. Teilband (1Kor 6,12-11,16), Düsseldorf, Neukirchen-Vluyn 1995 (Evangelisch-katholischer Kommentar zum Neuen Testament Bd. VII/2), 381 und 382 Anm. 3; anders Willis, Wendell Lee, Idol Meat in Corinth. The Pauline Argument in 1Corinthians 8 and 10, Chico 1985 (Society of Biblical Literature, Dissertation Series Number 68), 127.
[8] Vgl. Broer, Ingo, "Darum: Wer da meint zu stehen, der sehe zu, daß er nicht falle." 1Kor 10,12f im Kontext von 1Kor 10,1-13. In: H. Merklein (Hg.): Neues Testament und Ethik. Für Rudolf Schnackenburg, Freiburg 1989, 299-325, 306f; Dugandzic, Ivan, Das "Ja" Gottes in Christus. Eine Studie zur Bedeutung des Alten Testamentes für das Christusverständnis des Paulus, Würzburg 1977 (Forschung zur Bibel Bd. 26), 240f; Fee, Gordon D., The First Epistle to the Corinthians, Grand Rapids 21991 (The New International Commentary on the New Testament), 442; Osten-Sacken, Tora, 68-73; Schrage, 382; Weiß, 250-252; Willis, Idol Meat, 124f.; vgl. zum Ganzen auch den Überblick zur Forschungssituation bei Osten-Sacken, Tora, 60-67.
[9]Vgl. Fee, 442; Schrage, 382; Weiß, 250ff; Willis, Idol Meat, 124f.
[10]Vgl. Broer, 306f; Meeks spricht von einer "inclusio": Meeks, Wayne A., "And Rose up to Play": Midrash and Paraenesis in I Corinthians 10:1-22. In: JSNT 16 (1982) 64-78, 65; Klauck nennt sie schlicht die "rahmenden Verse", Klauck, 72; vgl. auch Osten-Sacken, ebd; in gewisser Weise auch Dugandzic, Das "Ja" Gottes, 241.
[11]Broer spricht treffend von einer "Scharnierfunktion": Wer da meint, 306 Anm 29, Dugandzic von einem "'heilsgeschichtlichen' Zusammenhang": Das "Ja" Gottes, 242; zur Einführung der Geschichte von der Wüstenwanderung vgl. auch Galley, Klaus, Altes und neues Heilsgeschehen bei Paulus, Stuttgart 1965 (Arbeiten zur Theologie, 1. Reihe, Heft 22), 12; Conzelmann, 202.
[12]Vgl. z.B. Willis, Idol Meat, 143; Dugandzic, Das "Ja" Gottes, 244f; auch für Schlatter ist die Begierde "die Wurzel aller Störungen"; Schlatter, Adolf, Paulus der Bote Jesu. Eine Deutung seiner Briefe an die Korinther, Stuttgart 21956, 291; anders z.B. Schrage, 397, Anm. 84.
[13]V. 11 "faßt das hermeneutische Prinzip kurz zusammen, auf dem diese Ausführungen ruhen": Dugandzic, Das "Ja" Gottes, 245.
[14]Vgl. Dugandzic, Das "Ja" Gottes, 240.
[15]Fee, 451: V. 13 "stands out like a rock"; vgl. auch 460.
[16]Vgl. Meeks, Midrash, 65. Willis, Idol Meat, 124; Weiß, 254; Schrage, 382; ähnlich auch Osten-Sacken, Tora, 72.
[17]Vgl. Broer, Wer da meint, 306; Willis, Idol Meat, 153.
[18]Vgl. Broer, Wer da meint, 325.
[19]Vgl. genauer Schrage, 398.
[20]Die Annahme von Meeks, die ganze Perikope sei eine subtile Auslegung von Ex 32,6 (Midrash, 69ff), scheint mir dennoch etwas unsicher: abgesehen davon, daß Osten-Sacken die Problematik der Meeksschen Gliederung aufgezeigt hat (vgl. Tora, 63-66), wäre auch zu fragen, wie Meeks seine Hypothese stützen kann, "essen" und "trinken" in Ex 32,6 beziehe sich auf die "geistliche Speise" und nicht auf Essen und Trinken im Rahmen des Götzenopfers, was der Kontext von Ex 32,6 nahelegen würde. Zwar beschäftigt sich diese Arbeit gerade mit Auslegungen des AT, die mindestens "kontextunabhängig" sind, aber m.E. sollte man eine solche Auslegung nur für Stellen annehmen, für die sie einigermaßen offensichtlich ist. Meeks´ Argumentation ist zwar geradezu ästhetisch, hat jedoch recht wenig Anhaltspunkte im Text von 1Kor 10,1-13 und bleibt somit hoch spekulativ.
[21]Wobei man sicher nicht über alle Einzelheiten spekulieren muß; vgl. Schrage, 398f. Anders Willis, Idol Meat, 144-153.
[22]Vgl. z.B. nur die Angaben bei Schrage, 384 Anm. 11; vgl. auch die Argumente gegen eine direkte Abhängigkeit des Paulus von einem oder mehreren alttestamentlichen Texten bei Schrage, ebd., Anm. 12;
[23]Willis, Idol Meat, 137; vgl. auch Broer, Wer da meint, 307; Koch, Die Schrift als Zeuge, 211.
[24]Ein dritter Punkt, die Frage nach der Bedeutung der Aussage von der Taufe auf Mose und einen evtl. Bezug zur jüdischen Proselytentaufe, soll hier ausgeklammert bleiben, da er im Rahmen dieser Untersuchung keine wesentlich neue Perspektive bietet. Vgl. dazu z.B. Jeremias, Joachim, Art. . In: ThWNT IV (hg. G. Friedrich), Stuttgart 1990 (unver. Nachdruck der Ausgabe 1933-1979), 852-878, 874; vgl. Sahlin, Harald, Der neue Heilsexodus bei Paulus. In: Judaica 7 (1951) 121-136, 128-131 einerseits, Luz, Geschichtsverständnis,118; Fee, 444 Anm. 17; Klauck, 70; Wolff, 39f andererseits.
[25]Vgl. v.a. Weiß, 251 bzw. Schrage, 394 und die jeweiligen Ausführungen über die rabbinische Tradition des mitwandernden Felsens; vgl. auch Conzelmann, 204; ähnlich Koch, Die Schrift als Zeuge, 215.
[26]Vgl. z.B. Osten-Sacken, Tora, 77f; Luz, Geschichtsverständnis, 119; Schrage, 383f; anders Wolff, 39. Zur entsprechenden rabbinischen Tradition vgl. Strack, Hermann L./Billerbeck, Paul: Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch, 3. Bd.: Die Briefe des Neuen Testaments und die Offenbarung Johannis, München 1926, 406ff.
[27]Allerdings ist die Grundlage für diese Aussage die m.E. eher vage Annahme von Ellis, daß die Einbindung des Bildes vom Felsen, indem der Brunnen als Öffung im Felsen oder wie ein Felsen (Ellis: "a rock-shaped well") erscheint, erst eine spätere Ausgestaltung der Tradition sei: Vgl. Ellis, E. Earle, A Note on First Corinthians 10,4. In: Journal of Biblical Literature (JBL) 76 (1957), 53-56.
[28]Ellis, A Note on First Corinthians, nennt: Ps 77, 16.20; Ps 104,41; Ps 113,8 (jeweils LXX), Jes 48,21. Eine ähnliche These vertritt auch Willis, vgl. Idol Meat 136f (er nimmt allerdings eher eine Abhängigkeit sowohl von Paulus als auch Weish, Philo und der rabbin. Tradition von traditionellen jüdischen Legenden an); die von ihm angegebenen alttestamentlichen Belege (Weish 10,17; 11,4; Sir 15,3; 24,15-21) erscheinen mir allerdings größerenteils etwas weniger plausibel als die von Ellis; auch Goppelt hält den "mitwandernden Felsen" für eine paulinische Bildung, vgl. Goppelt, Leonhard, Typos. Die typologische Deutung des Alten Testaments im Neuen, Darmstadt 1969, 175.
[29]Vgl. Strack-Billerbeck, 408 und die Stellenangaben für Philo dortselbst; Weiß, 251; Conzelmann, 204f; Klauck, 71; Wolff, 42f; Schrage, 395; Neuenzeit, Paul, Das Herrenmahl. Studien zur paulinischen Eucharistieauffassung, München 1960 (Studien zum Alten umd Neuen Testament Bd. 1), 51f.
[30]So Fee, vgl. 448f; Kritik bei Schrage, 395; wie schon erwähnt, lehnt auch Willis eine paulinische Übernahme von Traditionselementen aus dem Hellenismus ab und postuliert stattdessen eine gemeinsame Quelle in Legenden, die "in der Luft lagen"; vgl. Willis, Idol Meat, 133-138.
[31]Vgl. Conzelmann, 204; Schrage, 395; Stuhlmacher, Peter, Gegenwart und Zukunft in der paulinischen Eschatologie. In: ZThK 64 (1967) 423-450, 435f; Neuenzeit, Herrenmahl, 52, Luz, Geschichtsverständnis, 122f; anders nur Baird, William, I Corinthians 10:1-13. In: Interpretation 44 (1990) 286-290, 287.
[32]Zur Anlehnung an rabbinische Auslegungsmethoden und -inhalte vgl. nur die Angaben zur Stelle bei Strack-Billerbeck, 405-419.
[33]Vgl. z.B. Sahlin, Heilsexodus, 121ff; Schrage, 384f; Bultmann, Rudolf, Ursprung und Sinn der Typologie als Hermeneutischer Methode. In: Ders., Exegetica. Aufsätze zur Erforschung des Neuen Testaments, Tübingen 1967, 369-380, 373; leider nur am Rande vermerkt werden kann hier der interessante Sachverhalt, daß in der apokalyptischen Tradition offensichtlich ein eher beschönigendes Bild des Exodus vorherrscht, während das paulinische zumindest in 1Kor 10 überaus kritisch ist und seine Darstellung nicht z.B. im Erhalt des verheißenen Landes kulminieren läßt, sondern im Untergang fast der gesamten Wüstengeneration aufgrund ihrer Sünden (vgl. auch Dietzfelbinger, Christian, Heilsgeschichte bei Paulus? Eine exegetische Studie zum paulinischen Geschichtsdenken, München 1965 (Theologische Existenz heute Neue Folge Nr. 126), 25). Ebenfalls soll hier nicht eingegangen werden auf das Problem einer Mose-Christus-Typologie (vgl. z.B. Jeremias, Art. "", 874; Schrage, 391), die für 1Kor 10,1-13 und unsere Fragestellung nur marginal relevant sein dürfte.
[34]Vgl. Conzelmann, 203; ähnlich Wollf, 48; Osten-Sacken, 77; Dietzfelbinger, Christian, Paulus und das Alte Testament. Die Hermeneutik des Paulus, untersucht an seiner Deutung der Gestalt Abrahams, München 1961 (Theologische Existenz heute Neue Folge Nr. 95), 36ff; allgemein für das Urchristentum vgl. Kümmel, W.G., Art. "Schriftauslegung im Urchristentum". In: RGG3, Tübingen 1986, 1517-1520, 1519.
[35]Wie schon die Überschrift deutlich zu machen versucht, sollen hier keine Hypothesen darüber aufgestellt werden, was der Autor, Paulus, mit dem Text zu sagen beabsichtigte, sondern der Text wird in seiner Eigenstruktur und seinem Kontext betrachtet - im Sinne der "intentio operis" Umberto Ecos (vgl. dazu Kapitel 4.1).
[36]Vgl. z.B. Goppelt, Leonhard, Art. . In: ThWNT VIII (hg. G. Friedrich), Stuttgart 1990 (unver. Nachdruck der Ausgabe 1933-1979), 246-260, 251f; Schrage, 381; Willis, Idol Meat, 125, 130; Fee, 445; Luz, Geschichtsverständnis, 122f.
[37]Vgl. Luz, geschichtsverständnis, 122; Schrage, 381; Klauck, 71; Vielhauer, Philipp, Paulus und das Alte Testament. In: Ders., Oikodome. Aufsätze zum Neuen Testament Bd. 2, hg. v. Günter Klein, München 1979, 196-228, 206 Anm. 39; zur Kritik vgl. Willis, Idol Meat, 123.
[38]Vgl. Broer, Wer da meint, 312ff, der allerdings die Warnung erweitert und davon ausgeht, daß Paulus schon Mahlzeiten innerhalb des Tempelbezirks bedenklich erscheinen; vgl. Baird, 1Cor, 286; Meeks, Midrash, 74; Neuenzeit, Herrenmahl, 46; Fee, 441; Wolff, 39; Willis, Idol Meat, 124; vgl. auch die interessanten Anmerkungen zur Kultexklusivität und Soziologie der christlichen Gemeinden bei Meeks, Midrash, 74f.
[39]Vgl. Fee, 441; Baird, 1 Cor, 286.
[40]Womit nicht gesagt sein will, daß eine solche These allein auf einem fehlenden Zusammenhang von 1Kor 10, 1-13 mit dem Rest des Briefes basiert. Eine Teilungshypothese vertritt v.a. Weiß, vgl. 249; zur Kritk vgl. z.B. Neuenzeit, Herrenmahl, 44f.
[41]Vgl. Schrage, 385, Anm. 17.
[42]Dieser Eindruck kann bei Willis entstehen, obwohl er selbst anmerkt, daß hier keine Ausschließlichkeit einer Alternative anzunehmen ist. Vgl. Willis, Idol Meat, 123f, 140, 160.
[43]Conzelmann, 203f. So auch Neuenzeit, vgl. Herrenmahl, 46.
[44]Vgl. Schrage, 402; Klauck, 72.
[45]Im Brief, auf den Paulus antwortet, oder von ihm als Reaktion auf 1Kor vermutet.
[46]Vgl. Wolff, 45.
[47]Eine These, die dadurch etwas problematisch wird, daß gerade Willis stark betont, Paulus lege nicht einen einzelnen Text aus, sondern beziehe sich auf das alttestamentliche Geschehen als solches. Vgl. Willis, Idol Meat, 150f.
[48]Vgl. Bultmann, Ursprung, 376; Goppelt, Art. "", 251f; Jeremias, Art "", 874; Käsemann, Ernst, An die Römer, Tübingen 31974, 120; Lengsfeld, Peter, Adam und Christus. Die Adam-Christus-Typologie im Neuen Testament und ihre dogmatische Verwendung bei M.J.Scheeben und K.Barth, Essen 1965 (Beiträge zur ökumenischen Spiritualität und Theologie Bd. 9), 28; Sahlin, Heilsexodus, 124f; Stuhlmacher, Gegenwart, 436; ohne dabei "typos" schon als terminus technicus ansehen zu wollen Conzelmann, 205f.
[49] Vgl. Broer, Wer da meint, 314f, Anm. 61; Dugandzic, Das "Ja" Gottes, 247f. der allerdings von einem vorliegenden typologischen Text ausgeht, den Paulus dann nicht in diesem Sinne benutzt; Koch, Die Schrift als Zeuge, 214f.218.220; der jedoch von einer Typologie "in eingeschränktem Sinn" zu sprechen bereit ist Luz, Geschichtsverständnis, 121f; Weiß, 254, Anm.1, mit demselben Argument wie Dugandzic: Dann müßten die Strafgerichte auch eintreffen; zur Kritik vgl. Schrage, 405, Anm.127.
[50]Begriffsbestimmungen finden sich z.B. bei: Bultmann, Ursprung, 369; Frör, Kurt, Biblische Hermeneutik. Zur Schriftauslegung in Predigt und Unterricht, München 1961, 83ff.110; Goppelt, Art. "", 251ff; Käsemann, Römer, 119f; Lengsfeld, Adam, 28f; Luz, Geschichtsverständnis, 52f.
[51]Die Diskussion um den sakramentalen Charakter der "Taufe auf Mose", der "geistlichen Speise" und des "geistlichen Trankes" kann hier unberücksichtigt bleiben; vgl. dazu z.B. Schrage, 391ff., Willis, Idol Meat, 130.
[52]Daraus folgern z.B. Dugandzic, Weiß und Löhr den nichttechnischen Gebaruch von "" in 1Kor 10; vgl. Dugandzic, Das "Ja" Gottes, 247; Weiß, 254; Löhr, Hermut: "Heute, wenn ihr seine Stimme hört..." Zur Kunst der Schriftanwendung im Hebräerbrief und in 1Kor 10. In: Hengel, Martin/Löhr, Hermut (Hgg.): Schriftauslegung im antiken Judentum und im Urchristentum, Tübingen 1994 (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 73), 243; zur Kritik vgl. Schrage, 405, Anm.127.
[53]Vgl. Luz, Geschichtsverständnis, 121.
[54]Allerdings ist dieses Kriterium ohnehin als etwas fraglich anzusehen, da die ersten schriftlichen Zeugnisse für die Vorstellung der Entsprechung von Urzeit und Endzeit wesentlich jünger sind als die paulinischen Briefe. Man muß somit von der sehr ungesicherten Annahme entweder verlorengegangener oder mündlicher Traditionen ausgehen.
[55]Vgl. Koch, Die Schrift als Zeuge, 215; die Tatsache, daß das Verhältnis von Urzeit und Endzeit hier keine große Rolle spielt, als Argument gegen eine Typologie i.e.S. ansehen zu wollen, scheint mir etwas übertrieben exakt; vgl. ebd.
[56]Problematische Ausnahme von dieser Eindeutigkeit ist der mitwandernde Felsen: Wechselt hier Paulus zwischenzeitlich in die allegorische Deutung, um das Bild für seinen christologischen Ansatz zu verwenden, oder geht er davon aus, den Israeliten sei tatsächlich ein wasserspendender Felsen in der Wüste nachgezogen? Und war dieser Felsen, wie der Wortlaut nahelegt, mit Christus identisch, oder will er "nur" sagen, schon die Spendung des Wassers für die wandernden Israeliten sei durch die Vermittlung des präexistenten Christus geschehen? Vgl. hierzu z.B. Schrage 393f; Dugandzic, Das "Ja" Gottes, 243f; Luz, Geschichtsverständnis, 119; Schlatter, 289f; Baird, 1Cor, 287; Neuenzeit, Herrenmahl, 51ff; Fee, 449; Wolff, 43; Willis, 138-141.
[57]Vgl. auch die kritischen Anmerkungen zur Bedeutung der Begrifflichkeit für die Frage nach dem Zusammenhang von Altem und Neuem Testament bei Frör, Hermeneutik, 157f. Damit soll allerdings nicht die sachliche Problematik abgewertet werden! Zur Typologiediskussion vgl. v.a. Westermann, Claus (Hg.), Probleme alttestamentlicher Hermeneutik. Aufsätze zum Verstehen des AT, 1960, sowie Reventlow, Henning Graf, Hauptprobleme der Biblischen Theologie im 20 Jahrhundert, Darmstadt 1983 (Erträge der Forschung Bd. 203), 13-40.
[58]Blank, Josef, Erwägungen zum Schriftverständnis des Paulus. In: J. Friedrich, W. Pöhlmann, P. Stuhlmacher (Hgg.): Rechtfertigung. Festschrift für Ernst Käsemann zum 70. Geburtstag, Tübingen 1976, 37-56, 53.
[59]Vgl. z.B. Reventlow, Henning Graf, Epochen der Bibelauslegung Bd. I: Vom Alten Testament bis Origenes, München 1990, 63f; sehr scharf Vielhauer, vgl. Paulus, 216.
[60]Blank, Erwägungen, 53.
[61]Dugandzic, Das "Ja" Gottes, 248.
[62]Luz, Geschichtsverständnis, 122; vgl. auch Schlatter, Paulus, 290. Manche Kommentatoren umgehen das Thema einfach stillschweigend, so z.B. der große Kommentar von Schrage.
[63]Zum ersten Argument vgl. z.B. Fee, 450; Willis, Idol Meat, 125; Goppelt, Art "", 251; Koch, Die Schrift als Zeuge, 211; Luz, Geschichtsverständnis, 122; Schrage, 381; zum zweiten vgl. z.B. Dietzfelbinger, Paulus, 38; Osten-Sacken, 77f; Kümmel, Art. "Schriftauslegung", 1518. Dagegen behauptet Vielhauer, daß Paulus "auch gemessen an der zeitgenössischen jüdischen Exegese den alttestamentlichen Texten Gewalt antut"; Vielhauer, Paulus, 216. In den Bereich der Argumentation mit Tradition läßt sich auch der Versuch einordnen, die paulinische und meist prinzipiell urchristliche Neuinterpretation des AT als die letzte von vielen Aktualisierungen zu sehen, die schon innerhalb des AT mit seinem Text immer wieder vorgenommen worden seien. So z.B. Dietzfelbinger, Paulus, 40f; kritisch Becker, Grundzüge, 79f.
[64]Um Paulus als Autor geht es überhaupt nicht, wie wir in Kapitel 4.2 noch deutlicher sehen werden. Um Aussagen über den Autor bzw. Interpreten Paulus und seine Interpretation des AT machen zu können, wäre eine viel größer angelegte Untersuchung notwendig. Hier soll es vielmehr darum gehen, ob es eine Möglichkeit gibt, den Text der Perikope zu verstehen, ohne mit schweren Geschützen eschatologischer Deutung und inspirierter Schrift aufzuwarten, wenn man sich eigentlich noch diesseits der theologischen Interpretation bewegt.
[65]Um es noch einmal zu betonen: Selbstverständlich nicht mit der Absicht, die gesamte paulinische Hermeneutik zu analysieren.
[66]So z.B. Klauck, 70; Luz, Geschichtsverständnis, 122; Schlatter, Paulus, 290.
[67]So mit Verweis auf historische Inadäquatheit z.B. Dietzfelbinger, Paulus, 38f; unter theologischem Blickwinkel z.B. Frör, Hermeneutik, 110. Besonders massiv ist diese Zweischneidigkeit bei Becker festzustellen, der zunächst ein geradezu aporetisches Bild der Problematik einer christologischen Deutung des Alten Testaments entwirft, um dann das Enthaltensein einer solchen Deutung zum Glaubensgeheimnis im strikten Sinn zu erklären. Vgl. Becker, Grundzüge, v.a. 77f,127f.
[68]Was sich in unserem Fall schon auf den ersten Blick als äußerst ungünstig erweist, da wir weder von einem einzigen Autor der entsprechenden alttestamentlichen Erzählungen ausgehen können, noch größere Kenntnisse über die Autoren besitzen.
[69]Eine Methode, deren legitime und fruchtbare Anwendung auf das Alte und Neue Testament als heilige Schriften erst nachzuweisen wäre.
[70]Die Gefahr, sich mit solchen Anleihen aus anderen Disziplinen mehr Ideologie einzukaufen, als auf den ersten Blick sichtbar ist, dürfte seit dem Programm der "Entmythologisierung" und der "existentialen Interpretation" stärker ins Bewußtsein gerückt sein.
[71]Vgl. Eco, Umberto: Die Grenzen der Interpretation, München, Wien 1992 (orig. 1990), 35-39; Ders.: Streit der Interpretationen, Konstanz 1987 (Konstanzer Bibliothek Bd. 8), 37ff.
[72]Diese Interpretationsprämisse liegt offensichtlich zugrunde, wenn im Blick auf 1Kor 10,1-13 angemahnt wird, Paulus habe keine grundaätzlichen Aussagen über sein Schriftverständnis machen wollen, und deshalb dürfe man den Text auch nicht danach fragen. Oder, man dürfe keine modernen hermeneutischen Kriterien an den Text anlegen, weil man damit dem historischen Autor Paulus nicht gerecht werde. Vgl. zu diesem Problem auch Eco, Grenzen, 148-152.
[73]Von Kausalität, Ökonomie und Kohärenz; s.u.
[74]Vgl. Eco, Streit, 43f; Grenzen, 47f, 143f; die dortige Übersetzung mit "Benutzen" ist gleichbedeutend. Sie wird hier wegen der unschönen Substantivierung gemieden.
[75]Eco, Streit, 43.
[76]In Anlehnung an Hochschild, Michael, Zur Dispositionsfrage in Justins Apologie I, 1-68. Erscheint demnächst in: Historische Zeitschrift 2/1996. Es mag bezweifelt werden, daß eine vollständige Kongruenz der beiden Differenzen auch auf den zweiten Blick haltbar ist. Aber meines Wissens ist das Problem bei Eco nicht ausgearbeitet, und für unsere Verwendung der Ecoschen Nomenklatur dürfte die Frage vernachlässigbar sein.
[77]Vgl. auch Hochschild, Dispositionsfrage.
[78]Spätestens auf der Eben der intentio operis, zumindest bei literarischen Texten jedoch oft schon auf der Ebene der intentio auctoris, kann man überhaupt nicht mehr von der Annahme ausgehen, es gäbe nur eine einzige richtige Interpretation - klassisch ausgeführt in der Lehre von den Schriftsinnen, auf die hier jedoch nicht weiter eingegangen werden soll. Vgl. dazu auch Ecos Unterscheidung von semantischer und kritischer Interpretation, Grenzen, 43-47 bzw. Streit, 41f.
[79]Vgl. Eco, Grenzen, 51.
[80]Vgl. Eco, Grenzen, 119f.
[81]Vgl. Eco, Grenzen, 139-163.
[82]Vgl. Eco, Streit, 45f.
[83]Wie das m.E. geschehen könnte, wenn man allzu schnell die Inspirationslehre einführt, um hermeneutische Fragestellungen zu lösen. Bevor man einen Knoten mit dem Schwert durchschlägt, sollte man in aller Sorgfalt prüfen, ob es sich tatsächlich um einen Gordischen Knoten handelt, oder ob er mit etwas Geduld und Kleinarbeit nicht auch anders zu lösen ist.
[84]Es handelt sich somit um eine Beschränkung methodischer und pragmatischer, keinesfalls prinzipieller Natur.
[85]Der Singular führt keinerlei historische Spekulationen mit sich, sondern dient schlicht der Vereinfachung.
[86]Wobei unglücklicherweise der Sprachgebrauch nahelegt, wir als Interpreten dessen, was Paulus geschrieben hat, operierten auf der Basis der intentio auctoris. Das ist nicht der Fall, sondern wenn von "Paulus" gesprochen wird, dient das im Folgenden wiederum der Vereinfachung, will aber nicht suggerieren, wir analysierten die Gedanken im Kopf des Apostels.
[87]Was deswegen hier wichtig zu betonen ist, weil genau dieser Hypothese im Folgenden widersprochen werden soll.
[88]Als Beispiel können gut Ecos eigene beide Romane "Der Name der Rose" und "Das Foucaultsche Pendel" angeführt werden: Man kann z.B. den "Namen der Rose" durchaus als Kriminalroman lesen und kommt zu einer Interpretation, die den Anforderungen der intentio operis entspricht. Man kann ihn ebensogut als ein Kapitel mittelalterlichter Geschichte oder historischer Philosophie und sicher noch auf andere Arten lesen, ohne dem Text Gewalt anzutun - in den allermeisten Fällen wird man damit sogar der intentio auctoris gerecht. Aber ebenso liegen die allermeisten Lesarten nicht auf der Oberfläche einer semantischen Interpretation, sondern den tieferen Schichten einer kritischen. Vgl. hierzu auch Jauss´ Einleitung zu Ecos "Streit der Interpretationen", 9.
[89]Für in diesem Punkt uneindeutig kann hingegen die rabbinische Interpretation des mitwandernden Brunnens gehalten werden, die sich immerhin auf Hinweise im Text stützt. Selbst wenn sie jedoch die Hürde des Kausalitätskriterium passieren könnte: ökonomisch ist eine solche Interpretation kaum.
[90]Wobei allerdings beachtet werden muß, daß das Kohärenzkriterium sich an dieser Stelle nur auf die innere Kohärenz des von Paulus herangezogenen atl Textes bezieht, nicht jedoch auch auf den Kontext.
[91]Vgl. Eco, Grenzen, 119; Hochschild, Dispositionsfrage.
[92]Noch einmal: über die Intentionen des Autors Paulus sei damit nichts gesagt! Daß Paulus als empirischer Autor des Textes 1Kor 10,1-13 durchaus der Ansicht gewesen sein kann, das AT zu interpretieren, wird hier weder behauptet noch bestritten.
[93]Da wir uns nur mit dieser Perikope beschäftigen, kann von noch massiveren Aussagen andernorts, wie z.B. in 2Kor 3,14ff. abgesehen werden. Eine umfassende Untersuchung zum paulinischen Schriftgebrauch wird das Problem durch solche Sätze noch erheblich zugespitzt finden.
[94]Es sei denn, man nimmt an, daß diese Verheißungen nicht nur dem empirischen Autor des Textes und somit einer Analyse entlang der intentio auctoris verborgen ist, sondern auch der intentio operis, und nur per intentio lectoris gehoben werden kann (zur Schwierigkeit, heutzutage noch von messianischen Verheißungen im Alten Testament und ihrer Erfüllung im Neuen zu sprechen vgl. Reventlow, Hauptprobleme, 52).
[95]Vgl. hierzu die Kritik an v. Rad bei Vielhauer, Paulus, 224ff.
[96]Ihre Grenze findet diese Argumentation wiederum darin, daß wir uns nur mit 13 Versen aus dem Corpus Paulinum beschäftigt haben. Um einen genaueren Nachweis führen zu können, müßte man nicht nur die These im Blick auf Paulus auf eine breitere Textbasis stellen, sondern es müßten insbesondere auch andere Autoren mitbedacht werden, die mindestens so sehr wie Paulus, wenn nicht stärker, das Alte Testament in ihren Argumentationen verwenden (so z.B. Johannes und der Verfasser des Hebräerbriefs).