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INHALTSVERZEICHNIS 

1 Einleitung

2 Inhaltsangabe und Argumentationslinie Burumas

3 Methodologische Überlegungen zu Burumas Vorgehensweise

3.1 Der Anlaß und dessen Probleme

3.2 Methodologie des Kulturvergleichs und die Entwicklungslinie Burumas

4 Vergleich mit "The Chrysanthemum and the Sword"

4.1 Überblick: "The Chrysanthemum and the Sword - Patterns of japanese Culture"

4.2 Sozialer Raum und soziales Handeln bei Benedict und Buruma

4.2.1 Sozialstruktur bei Benedict

4.2.2 Sozialstruktur bei Buruma

4.2.3 Vergleich soziales Handeln und sozialer Raum bei Benedict und Buruma

4.3 Burumas Auseinandersetzung mit Benedict

4.3.1 Der Begriff "guilt" bei Buruma

4.4 EXKURS: Zuverlässigkeit der Benedictsche These

4.4.1 Kontrastierung "shame culture" gegen "guilt culture"

4.4.2 Übersetztes Wort "shame" ins japanische "haji"

4.5 Zusammenfassung

5 Rezeption in Deutschland und Japan

5.1 Deutschland

5.2 Japan

6 Schlußfolgerung

Anhang

Literaturverzeichnis

Rezensionen in Deutschland, Japan und USA

 

Einleitung

"The Wages of Guilt. Memories of War in Germany and Japan" von Ian Buruma, ist im Mai 1994, im Vorjahr der 50-Jahr-Feiern zum Ende des Zweiten Weltkrieges, zuerst in den USA und England erschienen. Dieses rechtzeitig erschienene Buch ist sowohl ins Deutsche als auch ins Japanische übersetzt worden und damit auch an den rechten Orten erschienen. In den globalen Wellen der Erinnerung an den Krieg hinterließ das Buch seine Spuren in Zeitungen, Zeitschriften, im Internet ebenso wie an den Universitäten als Seminarmaterial.

Das Ziel meiner Untersuchung ist die Überprüfung der Aussagekräftigkeit von Burumas Darstellung und These. Den Schwerpunkt lege ich dabei auf die Analyse der Methode Burumas, da diese seine Argumentation untermauert. Dies geschieht in Anlehnung an Joachim Matthes und Shingo Shimada, die zu einer neuen Methode des sozialwissenschaftlichen Kulturvergleichs hervorgetreten sind.
Burumas Auseinandersetzung mit dem Buch "The Chrysanthemum and the Sword" von Ruth Benedict gab mir Anlaß mich ebenfalls mit ihrer These von "Schuldkultur" und "Schandekultur" auseinanderzusetzen. In einem zweiten Schwerpunkt vergleiche ich daher Ausgangspunkt, Methode und Begrifflichkeit beider Autoren. Das letzte Kapitel beinhaltet eine Darstellung der Rezeption des Buches in Deutschland und Japan. Einen Eindruck der Reaktionen, die Burumas Thesen in den beiden Ländern hervorriefen, zu vermitteln ist Ziel dieser Darstellung.

 

 

  1. Inhaltsangabe und Argumentationslinie Burumas
  2. Das Anliegen des Buches "Erbschaft der Schuld -Vergangenheitsbewältigung in Deutschland und Japan" von Ian Buruma ist es, Unterschiede und Affinitäten der Länder Deutschland und Japan in Erinnerung und Vergessen der Vergangenheit darzustellen. Das Buch gliedert sich in vier Kapitel, in denen Buruma Deutschland und Japan gegenüberstellt. Im ersten Kapitel wird die Atmosphäre während des Golfkriegs in Bonn mit der in Tokyo verglichen. Im zweiten Kapitel werden historische Orte von Greueltaten parallel betrachtet. Im dritten Kapitel werden die Kriegsverbrecherprozesse, Schulbücher und Museen in beiden Ländern gegeneinander abgewogen. Im vierten Kapitel werden die Gegenströmungen gegen ungerechte Geschichtsinterpretation und heutige politische Ereignisse dargestellt.

    Das Motiv Burumas war die Frage nach der unterschiedlichen Handhabung der Vergangenheits-bewältigung in Deutschland und Japan. Nach dem zweiten Weltkrieg strebte Deutschland danach, das Image vom kriegerischen Geist, von Rassenbewußtsein, von Opferbereitschaft und von Disziplin loszuwerden, während es in Japan kaum Anstrengungen in diese Richtung gab. Dieser Unterschied wird im ersten Kapitel anhand der unterschiedlichen Reaktionen auf den Golfkrieg von Anfang 1991 in Bonn und Tokyo dargestellt. Buruma findet die Gründe für diesen Unterschied weniger in kulturellen Differenzen, eher in den unterschiedlichen politischen Entwicklungen der Nachkriegszeit. Kultur und Politik scheinen sich in seinem Verständnis gegenüberzustehen und werden daher von ihm getrennt voneinander betrachtet.

    Im zweiten Kapitel versucht Buruma, sich anhand des Begriffes "Identität" mit der Handhabung der Vergangenheitsbewältigung in beiden Ländern auseinanderzusetzen. Identität ist bei Buruma eine Prämisse zur Erkenntnis historischer Ereignisse. Identität läßt sich bei Buruma in zwei Arten unterscheiden: Täter- und Opferidentität. Laut Buruma sei eine kollektive Identität der Deutschen, sowohl Täteridentität als auch Opferidentität, ein potentiell gefährliches Phänomen, da eine deutsch bedingte kollektive Identität "nur einen gewissen neurotischen Narzißmus" hervorbringe. Jedoch gibt es in Deutschland ein permanentes Erinnern an den Krieg, in den Medien ebenso wie im Schulunterricht und in Museen. Deutsche seien von einer großen Unruhe geprägt, während Japaner wegen des Atombombenabwurfes zum größten Teil zur Identifizierung mit den Opfern und zum allgemeinen "Gedächtnisschwund" bezüglich eigener Greueltaten neigen. Diese überbetonte Opferidentität und der "Gedächtnisschwund" sei einer von den Gründen der Unterentwicklung der Vergangenheitsbewältigung der Japaner. Jedoch urteilt Buruma nicht so pauschal, sondern erwähnt viele Gegenbeispiele. Darüber hinaus bezweifelt Buruma in diesem Kapitel die Gültigkeit der weit verbreiteten These von Ruth Benedict, daß sich eine westliche Kultur der Schuld und eine östliche Kultur der Scham gegenüberstünden.

    Im dritten Kapitel werden die Prozesse gegen Kriegsverbrecher, sowie Geschichtsbücher, und Museen vergleichend betrachtet. Während Deutsche ohne alliierte Anweisung die Verfolgung von Nazi-Verbrechen fortsetzten, schien vielen Japanern das einmalige Tokioter-Tribunal ein ausreichender Schlußpunkt der Kriegsverbrecherprozesse zu sein. Bei der Beurteilung zieht Buruma auch den unterschiedlichen Charakter der Kriegsverbrechen in Betracht. Das Nankingmassaker von 1937 sei eine Greueltat des unkontrollierten Militäreinsatzes, während der Holocaust ein vom Staat geplanter Genozid gewesen sei.
    Für seinen Vergleich von Geschichtsbüchern betrachtet er ost- und westdeutsche Schulbücher sowie die in Japan üblichen Schulbücher und den Kampf des Historikers Saburô Ienaga gegen Zensurmaßnahmen des Kulturministeriums. Kritisch hebt er die Instrumentalisierung von Resistenzfiguren hervor. Positiv unterstreicht er verfassungspatriotische Tendenzen.

    Museen sind ebenfalls Podien zur Diskussion der Vergangenheitsbewältigung. Burumas Hauptkritik richtet sich hier an die Darstellungsweise der Museen in Deutschland und Japan. Er geht davon aus, daß die Wahrheit durch Konflikte, Debatten, Interpretationen, Neuinterpretationen usw. aus einem nie endenden Diskurs herausgebildet werden soll. Eine religiöse Erinnerungsform der Greueltaten sei akzeptabel, jedoch ist Buruma der Ansicht, daß sachlicher Diskurs und religiöse Trauer auseinandergehalten werden sollten. Dies sei in beiden Ländern nicht erfolgt.

    Im vierten Kapitel werden zwei Politiker in Deutschland und Japan verglichen und darüber hinaus die allmähliche Veränderung des Schuldbewußtseins. Buruma versucht in diesem Kapitel wiederum die Benedictsche These "Kultur der Schande und der Schuld" zu falsifizieren. Aus dem Vergleich der Politiker und Schriftsteller in beiden Länder ergebe sich, daß weder religiöse Angehörigkeit noch die Benedictsche Kategorie der Kultur von Belang sei. Trotz christlicher Prägung legte der ehemalige Präsident des Deutschen Bundestages kein Schuldbekenntnis ab, im Gegensatz dazu verwies der ehemalige Bürgermeister Nagasakis, der eigentlich aber auch ein Christ ist, auf die Schuld des japanischen Kaisers. Zur Widerlegung der Benedictschen These, nennt er mehrere Beispiele von schuldbewußten Japanern.
    Seine Hauptargument lautet, daß es kein Volk gebe, das von seinem Wesen her gefährlich sei. Die angeblich natürliche Komposition eines Volkes sei nicht von Belang, sondern politische Verhältnisse bestimmten gefährliche Situationen. Infolgedessen solle die Vergangenheitsbewältigung sowohl in Deutschland als auch in Japan durch sachliche Diskurse fortgesetzt werden.

  3. Methodologische Überlegungen zu Burumas Vorgehensweise
  4. In diesem Kapitel soll die Methode Burumas untersucht werden. Vorausgeschickt werden muß dieser Untersuchung eine Einschränkung. Eine kritische Betrachtung muß mit einbeziehen, daß es sich bei Burumas Buch weder um eine wissenschaftliche Analyse, noch um eine Dokumentation handelt. Wissenschaftlich-methodologische Überlegungen können einem fiktionalen oder journalistischen Text nie ganz gerecht werden. Dennoch können auch solche Texte auf die Stimmigkeit ihrer Aussagen und Herleitungen überprüft werden. Dies ist Anliegen der folgenden Untersuchung.

    Buruma macht Aussagen über zwei verschiedene Länder und versucht, diese anhand seiner eigenen Erfahrungen zu belegen. Er vermittelt den LeserInnen bestimmte Bilder von "Deutschland" und "Japan", deren Relevanz hinterfragt werden kann. Aus diesem Grund werde ich in diesem Kapitel an erster Stelle Burumas Vorgehensweise kritisch betrachten. Die von Matthes in seinem Aufsatz "The Operation called Vergleichen" skizzierte Problematik des Kulturvergleichs dient mir in einem zweiten Schritt als Schablone für die weitere Untersuchung.

    1. Der Anlaß und dessen Probleme
    2. Buruma ist ein reisender Journalist. Anlaß für seine Untersuchung über Vergangenheitsbewältigung in Deutschland und Japan sind folgende Erfahrungen:
      1. Erfahrung (in Japan): Angeblicher "japanischer" Gedächtnisschwund in Bezug auf die Greueltaten in Asien, und Überbetonung der eigenen Kriegsopfer.
      2. Erfahrung (in Japan): Die Anlehnung "Japans" an das Vorkriegsdeutschland insbesondere an den preußischen Autoritarismus, romantischen Nationalismus und pseudowissenschaftlichen Rassismus im Kontrast zum heutigen Deutschland.
      3. Erfahrung (in Deutschland): Die Forderung nach steter Erinnerung an den zweiten Weltkrieg der Deutschen im Kontrast zu den Japanern.

      Aus diesen Erfahrungen, die bereits aus einem kontrastierenden Blick entstanden sind, zieht Buruma die Konsequenz, daß zwischen deutschen und japanischen Wahrnehmungen vom Krieg eine Diskrepanz herrscht. Diese Erfahrungen können im wesentlichen als ein vorher stattgefundenes Vergleichen, bzw. Vorvergleichen betrachtet werden. Dieser Vorvergleich Burumas enthält jedoch drei Probleme:
      1. Der Vorvergleich findet auf der nationalen Ebene statt. Die Ergebnisse des Vergleichs werden als nationale Merkmale ohne Differenzierungen (zum Beispiel nach Schichten) auf alle StaatsbürgerInnen übertragen und verallgemeinert.
      2. Der Vorvergleich enthält eine Einstufung entlang eines bestimmten Entwicklungsmodells.
      3. Das Ergebnis des Vorvergleichens erfüllt die Funktion einer "self-fullfilling prophecy", die die Denkrichtung der LeserInnen vorherbestimmt.

      Gleich im ersten Kapitel versucht Buruma das Ergebnis seines Vorvergleichs anhand seiner Beobachtungen zum Golfkrieg zu bestätigen. Die Reaktionen der Deutschen schildert er als "betroffen" jedoch "hysterisch", die der Japaner als "apathisch". Die Schilderungen der unterschiedlichen Atmosphäre in Bonn und Tokyo kann als sehr subjektiv bezeichnet werden, da ich in dieser Zeit eine andere subjektive Erfahrung in Tokyo gemacht habe. Diese subjektive Bewertungsskala wird zum Beispiel in dem folgenden Zitat deutlich.

      "Die Japaner haben dem Leid, das sie anderen zugefügt haben, im Vergleich zu den Westdeutschen weniger Aufmerksamkeit geschenkt und waren eher geneigt, die Schuld anderen anzulasten. Und die freiheitlich-demokratische Staatsform, ganz gleich wie sie in der Theorie aussehen mag, war in Japan bei weitem nicht so erfolgreich wie in der Bundesrepublik."

      In dieser Weise etabliert Buruma nicht nur einen eigenen Ausgangs- und Stützpunkt, sondern fixiert auch die Perspektive der LeserInnen. Der Anlaß fungiert gleichzeitig als eine Fixierung des Diskursuniversums, aus dem angesichts des begrenzten und exklusiven Charakters dieser Fixierung nur eine begrenzte Entwicklung des Diskurses erwartet werden kann.

    3. Methodologie des Kulturvergleichs und die Entwicklungslinie Burumas

    Die Methodologie des Kulturvergleiches ist sehr umstritten, da der Begriff "Kultur" eine amorphe Gestalt hat. Ich halte mich an die von Hans-Peter Müller vorgeschlagene Definition, die als kleinster gemeinsamer Nenner soziologischer Theorien zum Thema gelten kann. Kultur beschreibt er als "symbolische Dimension des sozialen Lebens." Nach dieser Definition ist der Versuch Burumas ein Kulturvergleich. Der Kulturvergleich Burumas scheint mir aber fragwürdig. Um seinem Vorgehen und dessen Problematik nahezukommen, lehne ich mich an Matthes an. Er fordert eine Neuorientierung des sozialwissenschaftlichen (Kultur-) Vergleichens. Laut Matthes sei das herkömmliche Vergleichen, das in der Durkheimschen Konzeptualisierung seine Wurzeln hat, wegen seines eurozentristischen Charakters nicht mehr aussagekräftig.
    Das herkömmliche Vergleichen sei
    1. eine theoretisch konzeptualisierte Klassifikation "traditional und modern" in Anlehnung an ein okzidentales, lineares Entwicklungsmodell.
    2. kein Vergleichen, sondern eine Angleichung, die zuvor projektiv typisiert worden sei.
    3. eine Abstrahierung der Einheiten auf westliche Begriffe.

    Das neue sozialwissenschaftliche Vergleichen dagegen solle,
    1. mit einer reziproken Anlage, reflektiv betrachtet und erörtert werden, wobei das tertium comparationis nicht als Vergleichsgröße, sondern als ein Denkraum verstanden werden sollte.
    2. nicht als Suche nach einem zuvor schon konstatierten Ergebnis, sondern als "Erweiterung des menschlichen Diskursuniversums" verstanden werden.

    In Anlehnung an Matthes gehört Burumas Vergleich zum herkömmlichen Vergleichen. Ein Blick auf die Gliederung des Buches macht den Standpunkt des Vergleichens evident. In jedem Kapitel stehen deutsche Phänomene an erster Stelle. In einem zweiten Schritt werden die japanischen Phänomene an den vorherigen gemessen. Dieses Vorgehen verbleibt zwangsläufig innerhalb des eigenen Rahmens. Beurteilungen Burumas, wie zum Beispiel Japan wurde "nie wirklich erwachsen" oder Japaner seien "ein kindliches Volk", projizieren die Leitvorstellung Burumas, die sich auf ein evolutionistisch und aufklärerisch geprägtes, lineares Entwicklungsmodell zurückführen läßt. Dieses Leitmotiv findet sich in vielen Beschreibungen:

    "Der Infantilismus der japanischen Nachkriegskultur hat etwas äußerst Aufdringliches: die allgegenwärtigen Piepstimmen von Frauen, die sich wie junge Mädchen verhalten; die Disneyland-Architektur der japanischen Einkaufsstraßen, wo alles auf eine zuckersüße Niedlichkeit gebracht wird;(...)."

    In seiner darauf folgenden Argumentation wird das implizierte Entwicklungsmodell deutlich.

    "Wäre in der Disneywelt des Nachkriegsjapan mehr Raum für das Politische gewesen, dann würde einiges klarer."

    Es orientiert sich an den Polen: infantil - erwachsen sowie religiös - vernünftig. Die Polarität von Infantilismus und Erwachsensein überträgt Buruma auf politische Verhältnisse. In dieser Übertragung definiert er totalitäre Systeme als infantil, demokratische dagegen als erwachsen. Die Polarität von Religiosität und Vernunft ordnet sich ebenfalls in diese Übertragung ein. Ein religiöser Umgang mit der Vergangenheit ist für ihn mit totalitären Tendenzen gekoppelt. Rituale gehören in den Bereich der Diktatur, nicht aber in den von freiheitlichen, also demokratischen Gesellschaften. Denen wiederum ist der vernünftige, das heißt sachliche Umgang mit der Vergangenheit zu eigen.

    An diesem Entwicklungsmodell richtet er seine Analyse aus. Die Allgemeingültigkeit dieses Modells stellt Buruma an keiner Stelle in Frage. Eine Reflektion der eigenen Voraussetzungen sowie eine kritische Hinterfragung der eigenen Wertmaßstäbe findet nicht statt. Vielmehr folgt er der von Matthes beschriebenen Aporie des Vergleichens.

    "Die Aporie einer solchen Praxis des "Vergleichens" liegt mithin zum einen darin, daß sie ihr tertium nicht in einer Metareflektion bildet, sondern in einer kulturellen Projektion gewinnt."

    Idealerweise ist das tertium ein dritter Standpunkt außerhalb der zu vergleichenden Einheiten. Matthes beschreibt scharfsichtig die Folgen universalisierender Denkakte der europäischen Moderne auf die tertia comparationis der europäischen Wissenschaft. Die Annahme, die europäische Moderne liefere ein abstraktes, das heißt allgemeingültiges Modell moderner Gesellschaft führt dazu, daß kein Vergleichen stattfindet, sondern eine Einordnung fremder Phänomene in die eigene - angeblich universell gültige - Werteskala (traditionell-modern). Genau dies tut Buruma, mit seinem Entwicklungsmodell von Infantilismus bis Mündigkeit. Dies geschieht obwohl man annehmen könnte ein Betrachter, der weder aus dem einen noch aus dem anderen zu betrachtenden Land kommt, könne leichter den Standpunkt des tertium einnehmen

    *

    Aus diesen Überlegungen kann gefolgert werden, daß Buruma beim Vergleichen seine eigenen Grenzen nicht reflektiert. Er vergleicht nicht zwei Länder, sondern er mißt das eine an einem Maßstab, der vom Standort des anderen abstrahiert wurde. Das Ausbleiben der Reflexion der eigenen Prämissen verführt dazu, geschilderte Eindrücke von einzelnen Situationen allzu schnell zu verallgemeinern und damit zu wahren Aussagen über den "deutschen" oder "japanischen" Nationalcharakter zu stilisieren.

  5. Vergleich mit "The Chrysanthemum and the Sword"
  6. Buruma setzt sich an mehreren Stellen mit dem 1946 veröffentlichten Werk Benedicts"The Chrysanthemum and the Sword -Patterns of japanese Culture-" auseinander. Eingangs stellt er angesichts der unterschiedlichen Wahrnehmung vom Krieg der Deutschen und Japaner die Frage; ob diese in den von Benedict postulierten kulturellen Merkmalen "Kultur der Schande" und "Kultur der Schuld" begründet seien. Um Burumas Auseinandersetzung mit Benedict besser einordnen und beurteilen zu können, soll am Anfang dieses Kapitels eine kurze Einführung in Benedicts Buch stehen. Um den Grundhaltungen beider Autoren näher zu kommen wird unter 4.2 insbesondere die Vorstellung sozialer Strukturen im Vordergrund stehen. Auf dieser Grundlage konkretisiert 4.3. Burumas Auseinandersetzung mit der These Benedicts. Der darauffolgende Exkurs behandelt die Zuverlässigkeit der Kategorie "Kultur der Scham". 4.5. leistet eine Zusammenschau der Ergebnisse dieses Kapitels.

    1. Überblick: "The Chrysanthemum and the Sword - Patterns of japanese Culture"
    2. Benedicts Forschung entstand im Auftrag des amerikanischen Office of War Information. Das OWI befand es für notwendig, angesichts steigender Nahkämpfe mit der japanischen Armee und der Konfrontation mit außergewöhnlichen Kampfstrategien ein besseres Verständnis der Verhaltensmuster dieser "most alien ememies" zu bekommen. Das Buch kann daher sowohl als eine Einführung in die japanischen "Patterns of Culture" japanischer Soldaten im Zweiten Weltkrieg als auch als politisch strategische Beratung für das amerikanische Militär gelesen werden.

      Benedicts Anliegen war es fremdartige Handlungen, die innerhalb der japanischen Kultur als Banalität betrachtet werden, durch Aufdeckung der Perspektive der Japaner, in "Patterns" einzuordnen. Ihre Forschung bestand hauptsächlich aus Interviews mit circa 200 in den USA gefangenen oder dort lebenden Japanern und aus einer Bibliographie über Japan. Wegen des Krieges verzichtete Benedict auf Feldforschung, das wichtigste Instrument der Kulturanthropologie. Die eingeschränkten Untersuchungsmaterialien bedingten das Ergebnis ihrer Kulturforschung im Rahmen der Reichweite dieser Materialien. Beachtet werden muß auch, daß Benedict sowohl die Resistenz gegen den Militarismus und deren Niederlage in der Vorkriegszeit als auch die vom Meiji-Regime angesichts der Modernisierungswellen intendierte Innovation der Tradition nicht in Betracht zog.

    3. Sozialer Raum und soziales Handeln bei Benedict und Buruma
    4. Sowohl Benedict als auch Buruma schildern ein Verhältnis zwischen der Gestalt des sozialen Raumes und dem sozialen Handeln der Individuen. Hier werden zuerst die Vorstellungen und Schilderungen vom sozialen Handeln und vom sozialen Raum bei beiden kurz skizziert. Den Begriff des sozialen Handelns entlehne ich der Definition Max Webers:

      "Soziales Handeln aber soll ein solches Handeln heißen, welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist."

      Da die Vergangenheit des zweiten Weltkrieges wegen ihres interaktiven Charakters nicht mit innerem Sichverhalten bewältigt werden kann, verstehe ich Vergangenheitsbewältigung in Anlehnung an die Webersche Definition als soziales Handeln. Hier interpretiere ich sowohl den Begriff Kultur bei Benedict als auch den Begriff Staat bei Buruma als einen sozialen Raum, in dem die Individuen sozial handeln.

      1. Sozialstruktur bei Benedict
      2. Der Schwerpunkt von Benedicts Untersuchung lag auf der Frage nach den "Patterns" der japanischen Kultur. Soziale Handlungen sind die kleinsten Einheiten, die miteinander kohärieren und "Patterns" herausbilden. Diese "Patterns" werden akkumuliert und konvergiert in eine Gestalt der Kultur. Die Existenz einer Kultur ist durch ein Moralsystem abgesichert, durch das das soziale Handeln der Individuen angeregt und reguliert wird. Laut Benedict gibt es zwei Moralsysteme als Triebkräfte und zur Regulation sozialen Handelns
        1. "guilt"
        2. "shame".

        Kulturen, deren Existenzsicherheit auf dem verinnerlichten Gewissen der Individuen aufbaut, nennt sie "guilt culture". In der "guilt culture" verhalten sich die Menschen nach gutem oder schlechtem Gewissen. Das verinnerlichte Gewissen fungiert als Stützpunkt sozialer Verhaltensorientierung. Ein extremes Schuldgefühl kann durch Beichten, das die Funktion eines Stoßdämpfers hat, gelindert werden. Das Handeln der Individuen in dieser Kultur wird dann durch das verinnerlichte Gewissen gesteuert.
        Kulturen, deren Triebkraft das Schandegefühl ist, nennt sie "shame culture". Das Schandegefühl als ein externer Druck kontrolliert und erhält die Ordnung sozialen Handelns aufrecht. Im Gegensatz zur Schuldkultur, in der gutes Verhalten aufgrund eines internalisierten Gewissens geschieht, wird gutes Verhalten in einer Schandekultur angesichts externer Sanktionen erzeugt. Die Tugend der Schandekultur ist die Erfüllung gesellschaftlicher Erwartungen. Benedict versteht die japanische Kultur als Schandekultur und ihre amerikanische Kultur als Schuldkultur.

        Aus dieser Vorstellung von den zwei verschiedenen Kulturen ergibt sich, daß die Gestalt einer Kultur durch ein Moralsystem als stabile Verstrebung aufrecht erhalten wird. Diese Verstrebung bestimmt die Formen der "Patterns", in der soziales Handeln eingerahmt ist. Demzufolge findet Vergangenheitsbewältigung innerhalb bestimmter Rahmenbedingungen statt. In den USA wäre das zum Beispiel das verinnerlichte Gewissen und in Japan das Schamgefühl. Aus dieser These kann abgeleitet werden, daß Vergangenheitsbewältigung in Japan nur dann entsteht, wenn die Greueltaten oder die Nicht-Bewältigung der Vergangenheit als peinlich betrachtet wird. Angesichts des Moralsystems verliert das soziale Handeln der Individuen in Benedicts Analyse an Bedeutung.

      3. Sozialstruktur bei Buruma
      4. Soziales Handeln scheint für Buruma, meist auf der politischen Ebene stattzufinden. An diesem Punkt versucht er, sich ebenfalls von Benedict abzusetzen. Indem er die Vorherrschaft der Politik vor der Kultur postuliert, versucht er, ihre These von der kulturellen Andersartigkeit der Japaner zu widerlegen. Daher führt er das Nichtvorhandensein eines japanischen Schuldbewußtseins vor allen anderen Dingen auf politische Verhältnisse zurück. Einen Einfluß kulturell bedingter Wahrnehmungen oder Wertorientierungen von Individuen, Macht- oder Wirtschaftsinteressen eines Staates, sowie Unterschiede schichtbezogener Verhaltenskompositionen auf das soziale Handeln verneint er. Seine These läßt sich auf den Satz reduzieren: Politische Verhältnisse bedingen soziales Handeln. Soziales Handeln bei Buruma ist ein von einem Staat geschaffenes Phänomen. Vergangenheitsbewältigung als soziales Handeln entsteht in diesem Kontext nur aus dem Alterieren politischer Verhältnisse. Politik spielt dabei die Rolle des Motivs sozialen Handelns. Unter dieser Vorstellung sozialen Handelns verschwindet der rein subjektiv gemeinte Sinn der Individuen, wieder wie bei Benedict, im Angesicht des Makrostruktur Staat.

      5. Vergleich soziales Handeln und sozialer Raum bei Benedict und Buruma

      Aus den vorangegangenen Ausführungen wird deutlich, daß die Dynamik sozialen Handelns bei Buruma und Benedict aufgrund unterschiedlicher Perspektiven unterschiedlich geprägt ist, jedoch aufgrund des Charakters des Gesellschafts- oder Kultursytems eine signifikante Analogie aufzeigt. Burumas Gesellschaftsvorstellung besagt: Soziales Handeln wird durch politische Verhältnisse bestimmt. Benedicts Vorstellung der Kultur besagt: Soziales Handeln wird vom Moralsystem der Kultur reguliert. Die Analogie beider Autoren liegt darin, daß in der Vorstellung des sozialen Raumes beider Autoren ein totalitäres System vorhanden ist. Das soziale Handeln beider Autoren verliert angesichts der unwiderstehbaren Achsendrehung des Systems die von Weber vorgeschriebene Komposition: Subjektivität der Handelnden. Entlang dieser Vorstellungen von einer Gesellschaft läßt sich sagen, daß Vergangenheitsbewältigung nur durch Veränderung jener Verstrebung der Gesellschaft oder Kultur arrangiert werden kann. Gesellschaft und Kultur als ein Gehäuse sozialen Handelns überschreitet sowohl bei Buruma als auch bei Benedict ihre prinzipielle Funktion als ein Gehäuse der Individuen.

    5. Burumas Auseinandersetzung mit Benedict
    6. Burumas Anliegen ist es, Benedicts Klassifizierung von Schuld- und Schamkulturen anhand zahlreicher Gegenbeispiele zu widerlegen. Dabei führt er ihre Klassifizierung auf die beiden sich gegenüberstehenden Pole von Christentum und asiatischen Religionen zurück. Schuld als verinnerlichtes Moralsystem gehört zum Christentum, Scham als moralischer Druck zu den asiatischen Religionen, wie zum Beispiel zum Shintoismus. Im Kapitel über Nankin zitiert er Benedicts Erklärung der beiden Kulturkategorien und formuliert daran anschließend seine eigene Stellungnahme. Es entsteht dabei der Eindruck er übernehme den Schuldbegriff Benedicts, lehne aber ihre Kategorisierung von Schuld und Scham ab.

      1. Der Begriff "guilt" bei Buruma

      Im Verlaufe seiner Analyse kommt er zu dem Punkt an dem die Benedictsche Polarität von Schuld und Scham fragwürdig erscheint. Die Unterscheidung fällt ihm schwer, da beide Gefühle sowohl in angeblichen Schuldkulturen als auch in angeblichen Schandekulturen erfaßt werden können. Als Beispiel nennt er den "überbetonten Philosemitismus mancher Deutscher" oder "überschwengliches Verhalten älterer japanischer Touristen in China, die jeden Chinesen so begrüßen, als sei er ein lange vermißter Freund". Die Motive dieser Handlungen können ebenso durch ein Schuldbewußtsein, wie durch ein Schamgefühl bestimmt sein.

      Die wörtliche Übersetzung des englischen Originaltitels bringt sein Verständnis auf den Punkt. "Wages of Guilt": Lohn der Schuld. Der Lohn einer Handlung ist ihre Konsequenz, die derjenige, der für diese verantwortlich ist, tragen muß. Schuld beinhaltet zwei Ebenen. Auf der ersten Ebene befindet sich die Tat, die Schuld, die nicht mehr rückgängig zu machen ist. Auf der zweiten Ebene befindet sich das Schuldgefühl, als das Bekenntnis zu der Tat. Diese Ebene stellt er in einen zeitlichen Zusammenhang. Am Anfang steht die Tat, danach das Bekenntnis zu der Tat. Ganz abgesehen davon, ob ein Bekenntnis oder ein Schuldgefühl sich einstellt, wird die Tat in der Zeit weitergetragen. Das ist der Lohn der Tat. Stellt man sich der Verantwortung, betreibt man Vergangenheitsbewältigung, handelt man mündig; tut man es nicht, verhält man sich wie ein Kind. Schuldgefühl ist somit unentbehrliche Voraussetzung für Vergangenheitsbewältigung und damit für politisch verantwortliches Handeln. An diesem Punkt holt ihn die Polarität Benedicts auf einer neuen Ebene ein. Er ordnet Japan und Deutschland seiner Skala von politisch mündig bis infantil zu. Er findet neue Namen für die Unterschiede unterliegt aber einer ähnlichen kulturellen Projektion wie Benedict.

    7. EXKURS: Zuverlässigkeit der Benedictsche These
    8. Die Dichotomisierung der Welt Benedicts anhand der Begriffe "guilt culture" und "shame culture" hat als eine plausible Struktuierung einen großen Einfluß. Den Angehörigen der okzidentalen Kultur ist die Struktur der "guilt culture" eine axiomatische Tatsache. Die Zuverlässigkeit von Benedicts These kann anhand
      1. ihrer kontrastierenden Darstellung beider Kulturen und
      2. ihrer Übersetzung "shame" ins japanische "haji"
      untersucht werden.

      1. Kontrastierung "shame culture" gegen "guilt culture"
      2. Benedict kontrastiert die Merkmale der puritanischen, amerikanischen und der japanischen Kultur.

        "True shame cultures rely on external sanctions for good behavior, not, as true guilt cultures do, on an internalized conviction of sin."

        "External" zu "internal". Ein fremdes Phänomen im Kontrast zum eigenem Merkmal zu verstehen ist eine Art des Wahrnehmungsprozeßes. Durch Kontrastierung gewinnt man eine klare Trennlinie zwischen dem Verglichenen, wie schwarz auf weiß. Je schwärzer desto weißer zeichnet sich die Farbe aus. Wie bereits unter 3. ausgeführt führt dieser Wahrnemungsprozeß leicht zu einer schlichten Angleichung, bei der eine Wirklichkeit in eine innerhalb der eigenen Kultur verstehbare Schein-Wirklichkeit bzw. Wahrscheinlichkeit umgeformt wird. Die ursprüngliche Differenziertheit geht durch eine Angleichung , die den Vergleich innerhalb eines nivellierenden Horizontes möglich macht, verloren. Matthes beschreibt diesen Wahrnehmungsprozeß folgendermaßen:

        "(...):wir gießen das "Andere" in die uns vertrauten, als kulturell "bereinigt" verstandenen Konzeptualisierungen und vollziehen das "Vergleichen" dann als eine gedankliche Operation des "Angleichens", des Auflösens des "Kontrastes"."

        Aus diesem nivellierten Kontrast innerhalb eines Horizontes ergibt sich eine klare Symmetrie der Vergleichsobjekte. Diese gereinigte Symmetrie als Meilenstein produziert weiter symmetrisch angelegte Differenzierungen, die aus der ersten Kontrastierung freigesetzt werden. Benedict entwickelte nun, aus dem Kontrast "external" und "internal" bzw. "shame culture" und "guilt culture" den Kontrast, "flower pot" und "open soil". Benedict erläutert, daß "shame culture" ein Blumentopf ist, der die Pflanzen von der Außenwelt abschottet. Japaner sind Pflanzen, die in einem Blumentopf gezüchtet werden, während Amerikaner im offenen Boden aufwachsen.

        In dieser Kontrastierung befindet sich eine klassische Dichotomie der Evaluation, also gut oder schlecht. Die Kontrastierung Benedicts ist in diesem Sinn eine Operationalisierung einer Wahrnehmung zu einem Wettkampf, in dem einer von den Kontrastierten das Schicksal trägt, vom anderen niedergeboxt zu werden.

      3. Übersetztes Wort "shame" ins japanische "haji"

      Benedicts Versuch, die Phänomene in Japan aus der Semantik der japanischen Wörter zu erklären, gelingt bis zum Kapitel "The Dilemma of Virtue". In diesem Kapitel postuliert Benedict unvermittelt eine allgemeine Methode für anthropologische Studien:

      "In anthropological studies of different cultures the distinction between those which rely heavily on shame and those that rely heavily on guilt is an important one."

      Weitergehend verknüpft sie Scham mit Ressentiment.

      "(...)we do not expect shame to do the heavy work of morality. We do not harness the acute personal chagrin which accompanies shame to our fundamental system of morality. The Japanese do"

      Gefragt werden muß, ob sowohl die Bedeutung als auch die Konnotationen des Begriffes "shame" und "haji" im Japanischen einander entsprechen. Shimada formuliert einige kritische Anmerkungen zu den Forschungen des Ethnologens Hans Peter Duerr, der mittels des deutschen Wortes "Scham" das Gefühl "japanischer Scham" zu erklären versucht.

      "Daher ist ein Kulturvergleich der ‘Scham’ schon zweifelhaft, noch bevor er angesetzt wird, weil durch die Verwendung des Substantivs eine bestimmte westlich geprägte Erfassung der Wirklichkeit als Vergleichsrahmen konstruiert wird (vgl. Matthes 1990/16)"

      Shimada pointiert dabei das Problem der westlichen Wörter, durch die der Disskusionsrahmen und die wahrnehmbare Wirklichkeit bedingt wird. Von "guilt" ausgehend bedingt Benedict auch den Rahmen, in dem die Komposition fremder Kulturen beschrieben wird. Diesen Prozeß erklärt Shimada:

      "Die fremde Wirklichkeit wird mit der eigenkulturellen Schablone zurechtgeschnitten, so daß das ‘Verstehen’ nur durch die Ersetzung der Namen erfolgt."

      Aus dieser Darstellung wird deutlich, daß die Übersetzung der Wörter als eine Operationalisierung betrachtet werden kann, um die fremde Wirklichkeit mittels der eigenen Begriffe in den eigenen Wahrnehmungshorizont einzugliedern. Diese modifizierte fremde Wirklichkeit entspricht jedoch nicht mehr der früheren. Diese Modifikation der Wirklichkeit nennt Shimada eine Beschneidung. Bei Benedict taucht diese Beschneidung der Wirklichkeit durch die Konstruktion eines kausalen Zusammenhangs zwischen "shame" und Ressentiment auf. Diese im bedingten Wahrnehmungsrahmen entstandene Komposition ist ein Vorbegriff, der die weitere Entwicklung der Wahrnehmung fixiert. Anhand dieses Vorbegriffes gleicht Benedict die fremde Wirklichkeit an eigene Begriffsformen an. Diese Angleichung nennt Matthes ein einseitiges "Nostrifizieren" fremder Wirklichkeit in die "Gußform" einer Vergleichsgröße. Um diese Angleichung der asymmetrischen Wahrnehmungswelt und die Penetration eigener Begriffsbestimmung durch Vorbegriffe zu vermeiden, postuliert Matthes eine kontextuelle Rekonstruktion, die eine reziproke Reflektion und eine Sensibilität für das Verhältnis der Asymmetrien fördert. Aus dem Versuch Benedicts, soziale Phänomene Japans von dem amerikanischen Begriff aus zu erklären, ergibt sich wegen der Fixierung des Diskursuniversums mittels der Vorbegriffe ein vorbestimmter Fokus. Mit diesem aus dem amerikanischen Vorbegriff entstanden Fokus die japanische Gesellschaft als "shame culture" zu klassifizieren ist durchaus fragwürdig. Ein amerikanischer Professor an der Tsudajuku-Universität in Japan, Charles Douglas Lummis, schrieb über die Mängel des Buches:

      "Um es kurz zu sagen, was Benedict geschrieben hat war, gar keine "Patterns of japanese Culture", sondern die von dem Staat unterstützte Ideologie schlechthin.(...) Wozu war dann denn die Geheimpolizei?"

    9. Zusammenfassung

    Aus diesem Vergleich kristallisierten sich die Unterschiede im Verständnis des sozialen Raumes sowie die Analogien in der Vorgehensweise beider Autoren. Das Forschungsobjekt und auch der Ausgangspunkt beider Autoren waren gleich. Für beide stand die Frage nach den Gründen für die Andersartigkeit der Japaner am Anfang. Auf der methodischen Ebene findet bei beiden Autoren eher eine Einordnung und Angleichung des Fremden als ein Vergleich statt. Im Ergebnis kamen sie jedoch zu signifikant unterschiedlichen Interpretationen. Wenn Benedict versucht, ihre Frage anhand kultureller Muster zu beantworten, versucht Buruma, die Gründe in den politischen Verhältnissen zu finden. Sein wichtiger Hinweis auf die Schwierigkeit der Polarisierung von Schuld und Schande bleibt auf halbem Wege stehen, da er den Begriff der Schande dem der Schuld unterordnet, ohne jedoch die kulturelle Projektion des Schuldbegriffes zu reflektieren.
    Zu Benedicts Kategorisierung der japanischen Gesellschaft als Schamkultur ist zu sagen, daß sie nur dann zuverlässig wäre, wenn der Begriff "shame" als ein Kontrast zu "guilt" im damaligen Japan existiert hätte. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden. Benedict untersuchte bestimmte Merkmale im Rahmen einer Schicht in den USA. Ein Hinweis auf die Begrenzung der Untersuchung auf japanische Soldaten oder japanische Kriegsgefangene könnte dem Buch wissenschaftlichen Wert verleihen. Wenn allerdings japanische Denkweisen oder "the Patterns of japanese Culture" evident gemacht werden sollen, sollte das Verhältnis zwischen dem partiellen Teil und dem Ganzen klar dargestellt werden. Benedict überträgt ein partielles Phänomen auf das Ganze.

    Trotz vielfältiger Materialien bei Buruma und der Beschäftigung mit der Sprache bei Benedict gelingt es beiden nur annähernd der japanischen Perspektive gerecht zu werden. Burumas journalistischer Ansatz und die Kriegssituation zu der Zeit von Benedicts Untersuchung könnten ausschlaggebend für diesen Mangel sein.

  7. Rezeption in Deutschland und Japan
  8. In diesem Kapitel soll es um die Rezeption des Buches anhand der Rezensionen in Japan und Deutschland gehen. Die verschiedenen Rezensionen sollen jedoch zu keinem Kultur- oder Ländervergleich führen, sondern sollen lediglich als eine mögliche Tendenz innerhalb einer politischen Grenze bzw. eines Landes verstanden werden. Eine mögliche Tendenz heißt, daß sie nicht das Ganze darstellen können, sondern nur eine Möglichkeit des gesamten Komplexes. Politische Grenzen habe ich aus zwei Gründen ausgewählt. 1. Die Rezensionen erschienen und die RezensentInnen leben innerhalb politischer Grenzen. 2. Buruma hat sein Diskursuniversmus innerhalb politischer Grenzen fixiert. Aus diesen Gründen weise ich im Voraus auf die Beschränkung der Aussagekräftigkeit des Rezeptionsvergleichs hin.

    Zur Untersuchung der Rezeptionen in den Ländern sammelte ich Rezensionen aus Zeitungen, Zeitschriften und dem Internet. Die Rezensionen sind zwar quantitativ unproportionell, es können dennoch Tendenzen dargestellt werden.
    Bei der Analyse der Rezensionen verfolge ich folgende Fragen:
    1. Handelt es sich um eine kritische, positive oder neutrale Würdigung?
    2. Wie wird die Methode Burumas bewertet?
    3. Wie wird Burumas Widerlegungsversuch der Benedictschen These verstanden?
    4. Wie ist die Selbstreflektion der RezensentInnen in Bezug auf Vergangenheitsbewältigung?

    1. Deutschland
    2. Aus Deutschland habe ich neun Rezensionen erhalten. Von den neun Rezensionen gingen drei Rezensionen sehr kritisch sowohl mit Burumas journalistischer Methode als auch mit der gesamten historischen Darstellung um. Sie stimmten vor allem in dem Punkt überein, daß die Auswahl der Themen willkürlich und die Vergleiche, die keinen deutlichen Maßstab enthielten, "reichlich schief" seien. Die drei RezensentInnen versuchen, mit anderen historischen Perspektiven Burumas Perspektive zu widerlegen.
      Drei von den neun Rezensionen stellten Burumas Methode und These besonders positiv dar. In diesen Rezensionen werden die Unterschiede der Vergangenheitsbewältigung in Deutschland und Japan betont. Burumas enorme politische Kenntnisse werden hervorgehoben. Sein Vorgehen sei "so scharfsichtig, so klar und fundiert, daß es einem schier die Sprache verschlangen will".
      Die anderen drei Rezensionen haben das Buch sachlich zusammengefaßt und dargestellt.
      Fünf von den neun Rezensionen erwähnen die These Benedicts, jedoch außer einer Rezension von einem Japanologe Gerhard Krebs erwähnt niemand Burumas Widerlegungsversuch extra. Kritische Fragen an die Vergangenheitsbewältigung in Deutschland fehlen, außer bei Gerhard Krebs, vollständig.

      Diese vorgeführte Kategorisierung verdeutlicht, daß die Rezensionen in Deutschland recht plurale Meinungen vertreten. Über dies zeigen die Rezensionen eine Korrelation zwischen der zeitlichen Entwicklung und der kritischen Würdigung. Je zeitlich distanzierter vom Erscheinungsjahr, desto skeptischer wurden die Rezensionen. Diese Entwicklung könnte der Entwicklung des Leseprozesses entsprechen. Beim ersten Lesen besticht Burumas Stil, die Vielfalt der besprochenen Dokumente, die Farbigkeit der Schilderungen. Erst bei längerer Reflektion über das Thema werden die Grenzen dieses Vorgehens deutlich. Immer mehr tritt die Frage in den Vordergrund: Wie aussagekräftig und übertragbar sind diese Detailbeobachtungen?

    3. Japan

    Aus Japan liegen mir insgesamt drei Rezension und ein Artikel über Vergangenheitsbewältigung in dem das Buch Burumas erwähnt wird, vor. Aus diesen vier Rezensionen ergeben sich drei eindeutige Anmerkungen.
    1. Keine kritischen Fragen an die Methode Burumas.
    2. Keine Erwähnung von Burumas Auseinandersetzung mit der Benedictschen These.
    3. Die Rezensionen kritisieren die unreife Vergangenheitsbewältigung in Japan.

    Drei von den vier Rezensionen halten das Buch für eine lehrreiche und erstklassige Reportage. Ein Rezensent schreibt, daß die von Buruma geschilderte "gefährliche Situation", die das Volk zu gefährlichen Menschen umgewandelt hätte, auch heute existiere. Diese Aussage deutet an, daß sich die Politik in Japan in einer von Buruma als gefährlich bezeichneten Situation befinde.

    Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die RezensentInnen die Kritik an der unreifen Haltung der japanischen Regierung im Bezug auf Vergangenheitsbewältigung mit der Aufforderung zur Verbesserung verbinden.

    *

    Die aufgeführten Rezensionen können nicht als repräsentativ für die gesamte Rezeption in zwei Ländern betrachtet werden. Dennoch können zwei unterschiedliche Tendenzen abgelesen werden.

    1. In den deutschen Rezensionen ist, wegen der besseren Zahlen der Rezensionen, ein Diskussionsübergang von unkritischer zu kritischer Würdigung nach Zeitentwicklung ablesbar, während in Japan eine Bejahung des Buches vorherrscht.

    2. In den deutschen Rezensionen gab es kaum Selbstkritik in Bezug auf die Vergangenheitsbewältigung in Deutschland, während die Rezensionen in Japan einhellig Kritik an der japanischen Politik üben.

    Eine Zusammenfassung dieser beschränkten Untersuchungsmaterialien ergibt, daß die Rezeption in Deutschland kaum einen festen länderspezifischen Charakter aufzeigt, während in Japan das Buch sehr positiv und suggestiv aufgenommen wurde. Abgesehen von den Rezensionen könnte eine Hypothese aufgestellt werden, daß das Buch zwei Auswirkungen hätte. Erstens könnte die Vergangenheitsbewältigung in Deutschland durch Burumas Darstellung als ausreichend und abschließbar verstanden werden. Zweitens könnte die von Buruma angedeutete Unterentwicklung der japanischen Vergangenheitsbewältigung eine Welle von Selbstkritik bei den japanischen LeserInnen hervorrufen.

  9. Schlußfolgerung

Burumas Schilderungen seiner Erfahrungen in beiden Ländern sind informativ und lebendig geschrieben. In dieser Hinsicht kann das Buch als eine Anregung zur Selbstreflektion und zur Selbstinitiation von Erinnerungen dienen. Aus den vorangegangenen Ausführungen ergibt sich jedoch ebenfalls, daß Burumas These angesichts der prekären Probleme eines Kultur- oder Ländervergleichs mit Aufmerksamkeit zu genießen ist. Der Widerlegungsversuch der Benedictschen These brachte zwar einen Perspektivwechsel von "Kultur" zur "Politik" mit sich, dies aber immer noch innerhalb eines westlichen Horizonts. Das Vergleichen sollte idealerweise nicht durch einen Perspektivwechsel innerhalb eines Horizontes, sondern durch einen zwischen zwei Horizonten stattfinden. Diese in Anlehnung an Matthes und Shimada entwickelte Analyse erhält ihre Gültigkeit im Rahmen eines Kulturvergleiches. Kultur verstanden als symbolische Dimension des sozialen Lebens macht eine Trennung von Kultur und Politik nicht möglich. Dies schlägt Buruma jedoch vor. Streng genommen würde er sein Vorgehen wahrscheinlich nicht als Kulturvergleich bezeichnen. Im Zuge der Globalisierung westlicher Politik- und Lebensformen könnte seine Entwicklungsskala und damit seine Vergleichsoption "politisch mündiges Verhalten" reale Gültigkeit beanspruchen. Der Problematik von Politik- oder Kulturvergleich mit all ihren historischen und ideologischen Konnotationen konnte in diesem Zusammenhang jedoch nicht näher nachgegangen werden. Eine weitere noch ungeklärte Frage ist die, nach dem Zusammenhang von Mikro- und Makrostrukturen. Kann von einem Gefühl der Schuld oder auch der Scham auf der politischen oder sozialstrukturellen Ebene generalisierend geredet werden? Diese Frage muß weiteren Untersuchungen vorbehalten bleiben.

Burumas Analyse ist ein erster Schritt auf dem Weg zum Verständnis dieses komplexen Themas. Der Vergleich eines journalistischen Textes mit wissenschaftlichen Theorien darf das Genre des Textes nicht außer acht lassen. Burumas Darstellung bietet vielfältige Details und Einblicke in die Entwicklungen in Japan und Deutschland seit dem zweiten Weltkrieg. Seine Beschreibungen sind informativ und unterhaltsam. Dies sind Aspekte, die einen guten journalistischen Text ausmachen. Seine Thesen sollten jedoch nicht das letzte Wort zu dem Thema sein. Wenn das Buch dazu führen würde, daß sich WissenschaftlerInnen verschiedener Länder mit dem Thema befassen würden, wäre dies eine erfreuliche Konsequenz.

Anhang

Literaturverzeichnis

Benedict, Ruth: The Chrysanthemum and the Sword. Patterns of japanese Culture. London 1967

Buruma, I. übersetzt von Binder, Klaus u. Gaines, Jeremy: Erbschaft der Schuld, Vergangenheitsbewältigung in Deutschland und Japan, München 1994

Buruma, I. übersetzt von Ishii Shinpei: Sensô no Kioku (Erinnerung an Krieg), nihonjin to doitsujin (Japaner und Deutsche), Tokyo 1994

Buruma, Ian: The Wages of Guilt, Memories of War in Germany and Japan, New York 1994

Kern, Horst: Kulturvergleich -wie und warum?, Bemerkungen anläßlich des von Joachim Matthes herausgegebenen Bandes "Zwischen den Kulturen?", in,: Soziologische Revue 18. Jg. 1995, S.3-9

Matthes, Joachim: The Operation Called "Vergleichen", in: Zwischen den Kulturen?, Die Sozialwissenschaften vor dem Problem des Kulturvergleichs, Soziale Welt Sonderband 8, Göttingen 1992, S. 75-99

Modell, Judith: Ruth Benedict, Patterns of a Life, London 1984

Müller, Hans-Peter: Nicht länger nur Kitt der Gesellschaft, Die Soziologie vor der Kultur -Kulturalisierung der Sozialwissenschaften?, in: Frankfurter Rundschau, 15.11.1994, Nr. 266, S.22

Shimada, Shingo: Grenzgänge und Fremdgänge, Japan und Europa im Kulturvergleich, Frankfurt 1994

Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft, 5., rev. Auflage, Studienausgabe, Tübingen 1980, S.1-30

Watsuji Tetsurô: Ruth Benedict "kiku to katana" no ataerumono -kagakutekikachi ni kansuru gimon (Der Ertrag von Benedicts Werk "The Chrysanthemum and the Sword" -Frage an den wissenschaftlichen Wert), in: Minzokugakukenkyû (Ethnologische Forschung), Tokyo 1950, S.23-27

Kurze Darstellung der Rezensionen in Deutschland, Japan und USA (Die Rezensionen sind zeitlich geordnet.)

Rezensionen in Deutschland:

  1. Giordano, Ralph, 1994: Sich im anderen erkennen, Wie gingen und gehen Japan und Deutschland mit ihrer historischen Schuld um? Ian Burumas großartiges Buch, in: taz, 10.9.94:
    Sehr begeisterte Darstellung. Keine kritischen Fragen an Burumas Methode. Der Rezensent legt den Schwerpunkt auf Japan. In Übereinstimmung mit Bururma wird Hiroshima als Überbetonung der Stellungnahme der Opfer in Japan hervorgehoben. Keine Überlegung zu Burumas Widerlegungsversuch der Benedictschen These. Keine Selbstreflektion.
  2. Winder, Christoph, 1994: Gefangene der Geschichte, Die Bewältigung historischer Schuld im Vergleich zweier Länder, in: Der Standard / Album Messe, 30.9.94:
    Neutrale Darstellung. Die jornalistische Herangehensweise an das Thema wird positiv bewertet. Keine Aussagen zu Benedict Burumas Bekenntnis zum Instrument zum politischen betont.
  3. Weißdorn, Jack, 1994: Schuld und Scham, Ian Buruma untersuchte die Vergangenheitsbewältigung in Deutschland und Japan, in: Welt, 4.10.94:
    Eine positive Würdigung. Der Rezensent stellt die These Benedicts richtig dar, Burumas Widerlegungsversuch jedoch nicht.
  4. Wildt, Michael, 1994: Kultur der Schuld oder der Schande?, Zwei Studien über ein schwieriges Thema: "Vergangenheitsbewältigung" in Deutschland und Japan, in: Die Zeit, 4.11.94:
    Neutrale Darstellung. Der Unterschied zwischen Auschwitz und Nanking wird jedoch nicht beachtet. Der Rezensent versteht Burumas Widerlegungsversuch der Benedictschen These im Bezug auf "Kultur der Schuld" als eine Argumentation, die darauf hinausläuft, daß sowohl in Deutschland als auch in Japan die Vergangenheitsbewältigung, die aus dem Schuldgefühl erzeugt wird, nicht gelungen sei. Der Rezensent vergleicht Buruma mit einem anderen Autor Ulrich Brochhagen, der über das Problem wissenschaftlich anhand der Politikgeschichte schreibt. Keine Selbstreflektion.
  5. Knittel, Siegfried, 1994: Die Stunde Null ist immer eine Fiktion, Ian Burumas "Erbschaft der Schuld, Vergangenheitsbewältigung in Deutschland und Japan", in: Frankfurter Rundschau, 12.11.94:
    Neutrale Darstellung. Der Rezensent erwähnt, daß Burumas Buch keine theoretische Abhandlung sei. Der Rezensent reflektiert auf die Vergangenheitsbewältigung in Deutschland und bewertet diese im Vergleich zu Japan als vollständiger. Burumas Widerlegungsversuch der Benedictschen These wird als solcher nicht wahrgenommen.
  6. Schmitt, Uwe, 1994: Trauerarbeit, Trauerspiele, Jan Burumas Versuch über "Vergangenheitsbewältigung" in Deutschland und Japan, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.11.94 (Der Tippfehler im Namen des Autors ist original):
    Sehr kritisch dargestellt. Buruma hätte schlechten Stil, zeichne ein ungerechtes Japanbild, gelange zu schnell zu Wertungen dabei aber zu keinem Ergebnis. Burumas Widerlegungsversuch der Benedictschen These wird nicht erwähnt. Eine Selbstreflektion auf die Vergangenheitsbewältigung findet nicht statt..
  7. Mosler, Peter, 1994: Riesige Zunge tastet rastlos nach schmerzendem Zahn, Der Niederländer Ian Buruma beschreibt, wie sich Deutsche und Japaner ihrer Vergangenheit gestellt haben, in: Der Tagesspiegel, 27.12.94:
    Positive Würdigung. Differenzen zwischen Deutschland und Japan werden hervorgehoben. Keine Erwähnung von Burumas Widerlegungsversuch der Benedictschen These. Keine Selbstreflektion.
  8. Löw, Konrad, 1995: Von der Last des richtigen Erinnerns, Kein leichter Vergleich: Wer tut sich 50 Jahre nach Kriegsende schwerer in der Vergangenheit: Deutsche oder Japaner?, in: Rheinischer Merkur, 20.1.95:
    Starke Kritik an der Systematik und Bewertung Burumas. Der Rezensent kritisiert besonders die Verallgemeinerungen, Rücksichtslosigkeit in Bezug zur Geschichte und verteidigt den Papst. Keine Erwähnung von Burumas Widerlegungsversuch der Benedictschen These. Keine Selbstreflektion.
  9. Krebs, Gerhard, 1995: Buchbesprechung, in: Das Rundschreiben der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens (OAG), Sep. 1995, S.32-38:
    Kritische Würdigung. Detaillierte Darstellung und historische Belege zur Kritik an Buruma. Starke Selbstreflektion gegenüber der Vergangenheitsbewältigung in Deutschland. Der Rezensent bewertet Burumas Widerlegungsversuch der Benedictschen These als wohltuend. Burumas Vorgehensweise enthalte viele Verzerrungen.

 

Rezensionen in Japan:

  1. Aoki, Toshio, 1995: kiken na jôkyô tadoru dai ikkyû no rupo (eine der gefährlichen Situation nachgehende erstklassige Reportage), in: Asahi Shinbun, 5.2.95:
    Sehr positive Würdigung. Der Rezensent würdigt die Methode Burumas als erstklassige Reportage. Von Buruma postulierte Prämisse, daß gefährliche Situationen die Menschen bestimmen, übernimmt der Rezensent und beschreibt, daß es solche gefährlichen Situationen heutzutage noch gibt. Keine Erwähnung der Benedictschen These.
  2. Fujiwara, Kiichi, 1995: Imagining the Past, Remembering the Future, in: Social Science Japan No.3, in: www-admin@iss.u-tokyo.ac.jp, April 1995:
    Kritische Würdigung im Rahmen der Interpretation Hiroshimas. Der Rezensent geht davon aus, daß die Vergangenheit eigentlich vorgestellt werde, während die Zukunft erinnernd erscheint. Aus dieser These sei die Existenz von Hiroshima für den Rezensenten schlechter als die von Buruma postulierte These der Überpräsentierung des Eigenenopfers, da Hiroshima die Zukunft aus der Vorstellung der Vergangenheit in eine Richtung fixiert. Der Rezensent kritisiert die japanische Regierung. Keine Erwähnung der Benedictschen These.
  3. Kawanabe, Hiroya, 1995: Kawanabe Hiroya ga yomu (Kawanabe Hiroya liest), in: Sankei Shinbun, 13.6.95:
    Sehr positive Würdigung. Positive Darstellung der Methode Burumas. Der Rezensent schreibt, daß die japanische Regierung bis vor kurzem keine Entschuldigung geleistet habe. Der Rezensent betrachtet das Buch als ein sehr belehrendes Buch. Er versteht Benedicts These als Ausgangspunkt Burumas.
  4. Wakatsuki, Midori, 1995: Rezension, in: culis@ll.chiba-u.ac.jp, Juni 1995 (Ohne Titel):
    Positive Darstellung. Die Rezensentin betont die "gefährliche Situation", in die die Deutschen und Japaner geraten seien. Keine Erwähnung des Widerlegungsversuch der Benedictschen These und der Methode Burumas.

 

 

 

Rezensionen in USA:

  1. Craig, A. Gordon, 1994: Von der Unfähigkeit zu trauern, Ian Buruma zur "Erbschaft der Schuld" in Deutschland und Japan, in: New York Review of Books, Juli. 1994: Gekürzte Fassung, abgedruckt in: Süddeutsche Zeitung, 20.9.94:
    Positive Darstellung. Der Rezensent stellt keine Fragen an die Methode Burumas. Burumas Widerlegungsversuch der Benedictschen These wird nicht erwähnt. Als Nicht-Angehöriger der betroffenen Länder ist der Rezensent skeptisch gegenüber den heutigen Erscheinungen in denselben. Keine Selbstreflektion.
  2. Unbekannt, 1994: Germans repent, Japanese forget, Remembering the second world war, in: The Economist, 2.7.94:
    Neutrale Darstellung aber kritische Würdigung der Methode Burumas. Keine Argumentation bezüglich Burumas Widerlegungsversuch der Benedictschen These. Der Rezensent prognostiziert eine positive Entwicklung.