#!/usr/bin/perl print qq§Content-Type: text/html
§;
Proseminar
Ezra Pound und T. S. Eliot
Sommersemester 1991
Kursleiter: Dr. K. Bartenschlager
Darstellung von Kommunikationsproblemen
in der Lyrik T. S. Eliots
(Seminararbeit)
15. Oktober 1991
Bearbeiter: Alexander Huber
2. Sem. MA: EL (NDL, TW)
Email: alhuber@cip.fak14.uni-muenchen.de
WWW: http://www.fak14.uni-muenchen.de/~alhuber/
Die Darstellung von Kommunikation oder vielmehr die Darstellung ihres Scheiterns nimmt eine zentrale Stellung in der modernen Dichtung ein. Das Interesse an der Problematik zwischenmenschlicher Kommunikation ist ein Phänomen der modernen Literatur im allgemeinen. Diese Arbeit will das Interesse T. S. Eliots an diesem Problem erläutern und die Darstellung von Kommunikationsproblemen in seiner Lyrik beschreiben.
Wir verstehen die ,,zwischenmenschliche Kommunikation [...] als eine Tätigkeit [...], die in ein System anderer menschlicher Tätigkeiten eingefügt ist, die sich in einer sozialen Situation abspielt, und die von dieser sozialen Situation ihre Funktion erhält.``[+] Die herausragende Stellung, die die Kommunikation im zwischenmenschlichen Umgang, sowie im größeren Ganzen als gesellschaftskonstituierend einnimmt, macht deutlich, daß in dieser Arbeit eine exakte Beschränkung des Themas vorgenommen werden muß:
Die Arbeit will in diesem ersten Abschnitt sowohl zeigen, welche Einflüsse
Eliot in seiner Philosophie und Ansicht von Sprache und Kommunikation
geprägt haben, als auch welche Merkmale die Kommunikation ausmachen und
was zum Gelingen derselben nötig, bzw. zu ihrem Scheitern führen
kann.[+] Letzterer Punkt wird während der gesamten
Analsye der Textstellen immer wieder aufgenommen und gemäß dem Thema der
Arbeit ausgebaut und weiterentwickelt.
Im zweiten Abschnitt soll dann konkret, an aussagekräftigen Textstellen,
die Anbahnung, und das Aufeinandertreffen von Kommunikation und die dabei
auftretenden Fehlentwicklungen, die Kommunikationsprobleme, gezeigt und die
Hintergründe aus der Sicht der Kommunikationsforschung und der Eliots
erläutert werden.
Die beiden Menschen die Eliot in seiner Philosophie und seiner Dichtkunst am entscheidensten beeinflußt haben, sind der britische Philosoph F. H. Bradley (1846-1924) und der französische Dichter Jules Laforgue (1860-1887), deren Werke Eliot schon frühzeitig las. Ohne die Kenntnis ihres Einflußes auf Eliot, sind seine Vorstellungen über die Möglichkeit und Bedeutung von Kommunikation nicht in ausreichendem Maße erschließbar.
Die Vorstellungen dieser beiden Einflüsse formten sich in Eliot zu einem Ganzen. Die Grundvorstellung ist dabei folgende:
The idea of Laforgue's poetry and the style of Bradley's philosophy point to the same thing: a world of mind is an enclosure continually reverted to in the utter privacy of the self. For the philosopher, such a world is always threatening to become merely a linguistic trap; for the poet, such a world is a place of profound pessimism where the only human posture is an ironic view of one's self.[+]Es gibt danach also eine bestimmte Sicht der Dinge in jedem einzelnen Menschen, d. h. es gibt so viele verschiedene Standpunkte wie es Menschen gibt. Diese verschiedenen Sichtweisen sind dabei im jeweiligen Selbst eingeschlossen, also nicht austauschbar oder kommunizierbar.[+]
Gerade dieses ,,Gefangensein`` in einem auf das Ich konzentrierten Aktionsradius, die völlige Subjektivität des einzelnen also, macht aber die Sprache selbst, als dominantes menschliches Ausdrucksmittel, für allgemeinverständliche oder in irgendeiner Form bindende Aussagen unbrauchbar:
Being itself subjectivized, language can communicate, ultimately, with no one but its user. All human potential and the world itself are locked within the confines of the word, and language reveals the agonizingly private nature of each experience and, hence, each individual.[+]Die ausführliche Beschäftigung Eliots mit dem Ich, und das Verständnis von Sprache als rein subjektives, gerade nicht mehr gesellschaftskonstituierendes, Ausdrucksmittel zeigt, daß Eliot das Scheitern von Kommunikation in einer Welt begründet sieht, die vom ``subjective ego'' dominiert ist.[+]
Für Eliot sind dies keineswegs nur philosophische Betrachtungen oder Gedankenspiele. Denn wirklich interessant wird die Betrachtung, wenn man das Individuum wieder verläßt, und den Blick auf das größere Ganze wirft. Dann wird neben dem Interesse Eliots an der Sache auch das ganze apokalyptische Ausmaß dieser Problematik deutlich:
One person's failure to communicate himself can be accepted and even overcome, and the quandary over subject-object [i. e. ego-world] can be relegated to the remote place of philosophical discourse. But when the subjective self has to function in the midst of a community, or society, and when the dilemma posed by a philosophy like Bradley's is understood to have social consequences, then the failure of language to heal the separation between the self and its surroundings becomes the failure of a society to realize its communal ideas; the intimate, private ironies of the Laforguean persona are evidences of a tragic world peopled with myriads of isolated souls.[+]Eliots Problem ist es, die verschiedenen ``points of view'' in einer Welt zu vereinen. Anders als sein philosophischer Ziehvater Bradley, verneint Eliot zwar nicht die Existenz anderer Ichs, aber die Möglichkeit, daß diese jemals wieder eine gemeinsame Welt bilden können.[+]
Wir wollen einige Theorien der Kommunikationsforschung, soweit dies in diesem Einführungsteil ohne Textbeispiele möglich ist, mit Eliots Vorstellungen verbinden, um zu verwertbaren Ansätzen für die textbezogene Untersuchung zu kommen.[+]
Wir zitieren dazu aus der Forschung:
Die Fähigkeit zu kommunikativer Tätigkeit ist keine persönliche Eigenschaft des Einzelnen, keine angeborene Kapazität, sondern muß im sozialen Prozeß, in der Auseinandersetzung mit der Umwelt und bei ihrer Aneignung erworben werden.[+]Vor dem Hintergrund von Eliots Philosophie ein kontroverser Einstieg in die Materie. Es stellt sich nämlich die Frage, ob nach Eliot dieser soziale Prozeß, diese Auseinandersetzung mit und ein Verstehen in der Umwelt, geschweige denn ihre Aneignung, überhaupt möglich ist. Ist dies nicht der Fall, so kann die Fähigkeit zu kommunikativer Tätigkeit nicht erworben und natürlich auch nicht sinnvoll, im Sinne einer Erfolgsaussicht auf Verständigung, praktiziert werden.[U]nderstanding as an ability is a practice-in-the-world and not an activity of the inner life on inner life primitives. [...] [U]nderstanding is an extrinsic rather than an intrinsic ability[+]
Fassen wir nun die kommunikative Tätigkeit in ein Regelschema, das uns die spätere Argumentation zu vereinfachen helfen soll. Wir wenden dabei die Strukturmerkmale jeder menschlichen Tätigkeit auf die zwischenmenschliche Kommunikation an und gliedern sie in vier Phasen:[+]
Eliots Verwendung des dramatic monologue als Ausdrucksmittel seiner personae, wird Bestandteil der textbezogenen Untersuchung im zweiten Teil sein.[+] In diesen Monologen reflektiert eine Figur meist über ihr Leben oder ein eben erlebtes Ereignis, und gewährt dabei Einblick in ihre Gedankenwelt.
Während im Dialog der Gesprächspartner nicht nur anwesend ist, sondern beim nächsten Wechsel selbst zum Sprecher wird, tendiert der Monolog dazu einen stummen Gesprächspartner zu erfinden, selbst da wo ein Gesprächspartner anwesend ist. Jede Art der sprachlichen Kommunikation nimmt also eine der beiden Formen ,,Monolog`` oder ,,Dialog`` an.[+] Dabei ist ,,die Existenz von >>Sender<< und >>Empfänger<< [...] rein funktional und nicht personal zu verstehen, denn beide Rollen können [wie im dramatic monologue] von einer einzigen Person realisiert werden.``[+]
Wir mißverstehen ,,geglückte Kommunikation`` nicht als die allmähliche Annäherung und schließliche Übereinstimmung der Standpunkte der Sprecher. Vielmehr muß der personale Bezug - das Sich-Verstehen im andern - der Funktion des Mitteilens - dem Sich-Verstehen in der Sache - übergeordnet sein.[+]
Als ,,Definition`` für ,,geglückte Kommunikation`` können wir uns der Meinung anschließen, daß:
if communication succeeds, speaker and hearer must assign the same meaning to the speaker's words. [...] [T]he speaker must intend the hearer to interpret his words in the way the speaker intends, and he must have adequate reason to believe that the hearer will succeed in interpreting him as he intends.[+]Zusätzlich ist es nötig, daß ,,der Adressat den Entwurf des anderen sanktioniert und ihn wiederum als Voraussetzung seiner eigenen Identitätsprojektion nutzt``[+], denn ,,eigentlich [entscheidet] der >>Empfänger<< darüber [...], was er von den Äußerungen des >>Senders<< als >>Nachricht<< betrachtet, und [...] davon [hängt] der Erfolg der kommunikativen Tätigkeit - im Sinne des >>Senders<< - ab [...].``[+]
Die menschliche Sprache ,,ist nicht das einzige Medium zwischenmenschlicher Kommunikation[+] [...]. Neben ihr werden andere Arten von Zeichen verwendet, die aus dem paralinguistischen und extraverbalen Bereich stammen. Sie sind nicht alternativ, sondern stellen eine notwendige Ergänzung der sprachlichen Zeichen dar.``[+] Dies sind einerseits extraverbale Zeichen (Mimik, Gestik, Körpersprache, räumliche Bewegung, etc.), und andererseits paralinguistische Zeichen (Intonation, Tonstärke, Tempo, etc.). Beide Aspekte werden in die Untersuchung einfließen.
Kommunikationsprobleme sind bei Eliot nicht primär auf Störfaktoren, wie sie die Kommunikationsforschung benennt[+], zurückzuführen, sondern haben, wie bereits in Abschnitt 1.2 ausgeführt, meist philosophische Überzeugungen als Urheber, nämlich die Unfähigkeit des subjective ego sich anderen subjective egos verständlich zu machen und mitzuteilen. Doch dazu stellt die Forschung fest, daß ``no matter what the singularity of my discourse may be, my words could not be solipsistic[+], in the sense [...] that they would only be understood by me, without ceasing to be words.''[+] Zusammengenommen schließen diese beiden Erkenntnisse bereits jegliche Form von Kommunikation bei Eliot von vorne herein aus. Die Sprache, als das dominante menschliche Kommunikationsmedium, ist für die Kommunikation nicht länger zu gebrauchen, da die gesprochenen Worte des subjective ego aufhören Worte zu sein. Ist Kommunikation also schon vor Beginn zum Scheitern verurteilt, ist sie undenkbar?
Die letzten beiden Einleitungsabschnitte sollten ein gewisses Vorwissen für die nun folgenden Betrachtungen im zweiten Teil dieser Arbeit liefern. Alle weiterführenden Beobachtungen und Detailfragen werden auf den einleitenden Punkten aufbauen und diese ergänzen. Die Argumentation des zweiten Teils wird immer wieder Bezug auf die Einleitung nehmen.
Wir versuchen einerseits Hinweise für die Anbahnung von Problemen bei der Kommunikation zu finden, und andererseits konkret die Probleme bzw. das Scheitern der Kommunikation zu beschreiben, wobei wir die Aufteilung der Kommunikation in vier Phasen, wie wir sie in unserem Regelschema durchgeführt haben, im Hinterkopf behalten.
Mann und Frau sind in den ,,Kommunikationssituationen`` Eliots weder gleichberechtigte noch gleichgestellte Partner, ihnen sind jeweils bestimmte Rollen zugedacht:
Eliot stellt die Gesellschaft als stets um die Wahrung des ,,guten Scheins`` nach außen bemüht dar. Die Dekadenz der ``drawing room atmosphere'' erlaubt keine Extravaganzen, keine Störung des ruhig und unablässig fließenden Stroms belanglosen, gesellschaftlichen Smalltalks und sonstiger gesellschaftlicher Rituale, wie das pseudo-intellektuelle ,,Stehempfangs-Gerede`` über Kunst, bei dem nicht Kommunikation angestrebt wird, sondern das Mitreden. Eliot kommentiert das Ritual auf zynische Weise im Love Song (Z. 13/14 u. 35/36):
In the room the women come and goJeder ist bemüht die anderen ja nicht durch eine falsche Frage oder ein zu lautes Wort aus ihrem Dornröschenschlaf zu reißen, die Aufgabe der absoluten Kontrolle, nur für eine Sekunde, wäre fatal. Die gemeinsame Trance der Etikette ist das oberste Gebot, ein falsches Wort würde alles zerstören.
Talking of Michelangelo
Das ``face'' ist der Mittelpunkt der Gesellschaft, die Festlegung am Gehabe die Sitte, die Hervorhebung des Scheins vor das Sein heiliges Gebot. Noch vor der ,,Planungsphase`` unseres Schemas also, steht das Aufsetzen der Maske, welches aber selbst wieder aus dem Wissen der Bedingungen, unter denen die Kommunikation abläuft, entstanden ist. Das Fassen eines Gedankens und die Entwicklung desselben ist, wie in unserem idealtypischen Modell beschrieben, nur nach Analyse der Gesprächssituation möglich, welche eben das Tragen der Maske und das Spielen seiner Rolle in der Gesellschaft erfordert. Alles was den Schein durchdringen oder in irgendeiner Form kompromitierend sein könnte, oder die Gemeinschaftstrance stört, ist tabu. Die Maske, die jeder, nicht freiwillig, sondern unter dem Gemeinschaftszwang, tragen muß, und die Unantastbarkeit des Ichs gewährleisten soll, bereitet auch Prufrock im Love Song vor (Z. 26/27 u. 34):
There will be time, there will be timePrufrock kennt die Motive und Ziele der ,,kommunikativen Tätigkeit`` der Gesellschaft nur zu gut, und schließt sie auch in seine Überlegungen ein, so daß sein Zaudern daraus zu erklären ist. Das ``face'' dient der inneren Abwehr vor Gefahren, etwa vor kompromitierenden Themen, oder vor überraschenden ,,Aufdringlichkeiten`` wie im Portrait durch die Lady.
To prepare a face to meet the faces that you meet; [...]
Before the taking of a toast and tea.
Wir wollen die These aufstellen, daß die Angst neben dem Problem des mind entrapped in its own ego-centred circle das Hauptproblem bei der Kommunikation ist, bzw. verhindert, daß es zu solcher kommt: Angst vor dem ,,Sich auf etwas einlassen``, Angst davor das Falsche im falschen Moment zu sagen, und damit etwas zu riskieren, was ohne Kommunikation erhalten bliebe, Angst vor Entscheidungen, Angst vor dem bloßen Zuhören, und Angst vor Abhängigkeit.
Prufrock aus dem Love Song ist eine Figur, die vor allem durch ihre Unentschlossenheit, aus Angst das ``universe'' zu stören (Z. 45/46), stumm in einem dramatic monologue mit sich hadert. Diese Form des ,,Sprechens`` ist die einzige, die einen Diskurs, wenn auch nur mit sich selbst, ermöglicht, ohne anzuecken und ohne die ``tobacco trance'' (Portrait, Z. 36 u. 113) der Gesellschaft zu stören. Prufrocks ,,Auflehnung`` gegen die Gesellschaft und gegen das was sie aus ihm gemacht hat, findet in seinen Gedanken statt, er verläßt vielleicht niemals wirklich die vier ,,Wände`` seines eigenen Kopfes.
Prufrocks Zögern jedoch ist bereits der erste Schritt zum Scheitern. Stört er die Banalität des Gesellschaftslebens, so glaubt er sich Blicken ausgeliefert, die deswegen so gefährlich sind, weil sie nach außen nichts verraten, weil es Blicke des Inneren sind. Er denkt, man werde ihn an unzulänglichen Äußerlichkeiten aufziehen und fühlt sich deswegen unsicher, Kritik anzumelden (Prufrock, Z. 41 u. 44). Jedoch zeichnet sich bereits hier ab, daß Prufrock es nicht ernst meint und scheitern wird, denn die Frage, ob er es wagen soll (>Do I dare?< and >Do I dare?< Z. 38) deutet den Verlauf des weiteren Geschehens an: Er zögert die Entscheidung hinaus.[+]
Dieses Zögern sollte uns nach dem Vorwissen aus der Einleitung auch nicht überraschen. Was ist es anderes, als das Wissen eines subjective ego, daß er seine Ansicht den anderen nicht verständlich machen kann. Wie bereits in der Einleitung gefragt, woher soll Prufrock den festen Glauben nehmen, der ,,Empfänger`` könne etwas verstehen, was er selbst nicht formulieren kann? Er kann ihn nirgendwoher mit absoluter Sicherheit bekommen. Da das Thema aber zu heikel ist, es in Kommunikation auszudiskutieren, da eventuell nötige Korrekturen bei der Ausführung und Richtigstellungen nicht möglich sind, wenn der Empfänger keine Reaktion zeigt, bleibt für Prufrock nur eine Lösung: Schweigen. Er bestätigt die einleitende These, daß Sprache ein rein subjektives Ausdrucksmittel ist und das Ego daher auch nur mit sich selbst wirklich kommunizieren kann. Prufrock stellt verzweifelt fest (Z. 104):
It is impossible to say just what I mean!
Prufrock ist die Gesellschaften leid, er beklagt die Monotonie und den flüchtigen Tratsch, während alles so friedvoll vor sich hin dämmert. Sein Witz ist dabei schon Zeichen der Einsicht der Unmöglichkeit von Kommunikation und seines eigenen Versagens.[+] (Z. 51 bzw. 73/74):
I have measured out my life with coffee spoons;Nach dieser Selbsteinsicht erscheint Prufrock plötzlich weniger unter Druck zu stehen, etwas sagen zu wollen und müssen.[+]
und er wünscht sich auf den Meeresboden versetzt:
I should have been a pair of ragged claws
Scuttling across the floors of silent seas.
Prufrock stellt sich viele Fragen, ob und wie er Kommunikation wohl erreichen könnte, ohne jedoch die Antworten zu kennen (Z. 61, 69 u. 87):
And how should I presume?Dies sind allesamt ängstliche Fragen, entstanden aus dem Gefühl der Bedrohung durch die Potenz der Dame der Gesellschaft, die allein darüber entscheidet wer was ist, und dies durch eine ``formulated phrase'' kundtut (Z. 56).[+] Prufrock benennt die Gefahr in einem erotischen Bild (Z. 56-59):
And how should I begin?
And would it have been worth it, after all[?]
The eyes that fix you in a formulated phrase,Die extraverbalen Zeichen, die Prufrock aus der Mimik der Frau zieht, machen seine Furcht deutlich.[+] Durch das an die Wand genagelt sein, verliert seine wohl präparierte Maske ihre Schutzfunktion. Er wäre den Blicken und den negativen Gedanken ausgeliefert. Er kann nicht für die Richtigstellung von Gesagtem sorgen und sich nicht wehren, da er mit vernichtenden Blicken gestraft wird, nicht aber mit Worten, gegen die er sich verteidigen könnte. Der personale Bezug ist tatsächlich dem ,,Sich verstehen müssen um jeden Preis`` untergeordnet. Dies sind alles Faktoren die seinen Willen schwächen.[+]
And when I am formulated, sprawling on a pin,
When I am pinned and wriggling on the wall,
Then how should I begin
Prufrocks zentrales Problem, genährt aus Eliots Philosophie, ist die Furcht vor dem Auseinanderklaffen von Form und Inhalt des sprachlichen Zeichens. Er kann sich nicht darauf verlassen, daß er so verstanden wird, wie er verstanden werden will. Diese Unsicherheit zerstört das Vertrauen in Sprache und in das Individuum, das Sprache zum Zweck wirklicher Kommunikation benutzt.
Prufrock hat die Gefahren der Öffnung erkannt, und stellt sie dem gegenüber, was er durch seine Öffnung erreichen könnte. Eine Rechnung, die für ihn nicht aufgeht, wenn alle anderen ihre schützende Masken behalten. Nur eine kollektive Demaskierung der Ichs könnte eine Basis für reale Kommunikation, im Sinne der Sprecherabsicht und einer Antwort die auf das Gesprochene eingeht, sein. Dies allein aber wäre nur ein Makel der Gesellschaft, der eventuell (etwa im kleineren Rahmen) durchbrochen werden könnte. Eliots, nahe dem solipsism stehende, Philosophie jedoch läßt eine solche Hoffnung nicht zu, denn die Hemmschwelle der Angst vor dem Mißverständnis, das nicht behoben werden kann ist zu groß.[+] Prufrock führt sich die Gefahr sehr anschaulich vor Augen, indem er sich neben dem vielleicht anwesenden ,,realen`` Gesprächspartner einen weiteren sprechenden Gesprächspartner erschafft, der ihm das antwortet, was er glaubt, daß der ,,reale`` Gesprächspartner ihm auf seine Gedanken, spräche er sie aus, antworten würde. Es besteht für Prufrock ständig die Gefahr des Verlusts bereits hergestellten Vertrauens (Prufrock, Z. 106-110):
Would it have been worth while
If one, settling a pillow or throwing off a shawl,
And turning toward the window, sould say:
>That is not it at all,
That is not what I meant, at all.<
Die ältere Lady aus dem Portrait bekommt die Angst vor Öffnung zu spüren. Sie versucht sich einem, offenbar jüngeren, Mann zu öffnen und gibt dabei sich selbst preis, liefert sich der Verletzbarkeit aus. Die Lady, eingesperrt in ihrem drawing room mit einer `` atmosphere of Juliet's tomb'' (Z. 6), die sich selbst als ``one about to reach her journey's end'' (Z. 67) beschreibt, versucht aus der Trostlosigkeit der Gesellschaft und ihrer eigenen Einsamkeit, die sich in der Zentralphrase (Z. 68 u. 108)
I shall sit here, serving tea to friendsausdrückt, zu entfliehen, indem sie die echte Freundschaft und wenigstens einen wahren Freund sucht, und sich dem jungen Mann als solche anbietet. Das ist die Zielvorstellung der kommunikativen Tätigkeit der Lady. Die Situation ist ähnlich der im Prufrock: der Mann antwortet im dramatic monologue nur sich selbst, durch die Schaffung einer realen Situation jedoch hat das Portrait eine zusätzliche dramatische Qualität, die die Ironie eines Prufrock kaum aufkommen läßt. Sie gewährleistet, daß sowohl die inneren, wie auch die äußeren Konflikte deutlich werden.
Der junge Mann reagiert befremdet, versucht über die Annäherung hinwegzulächelen, nippt verlegen an der Teetasse, um keine Antwort auf den Vorschlag der Lady, Freunde zu werden, geben zu müssen (Z. 50/51). Beide kennen sich offenbar nicht sonderlich gut. Nach unserem Schema ist daher nach dem Gebot der Planung der Kommunikation, Kontaktkommunikation angebracht. Die Lady stellt diese auch durch ihre Rede über die Kürze der Jugend und des Lebens, und wie wertvoll gute Freunde seien (Z. 45-49 bzw. 19-28), her. Doch erscheint dem jungen Mann der Übergang von der Allgemeinheit zur konkreten Situation der Lady zu überraschend, die damit verbundenen Konsequenzen verlangten von ihm Bindung. Der junge Mann tritt die Flucht an (Z. 69/70), es zeichnet sich aber erster Zweifel bei ihm ab:
I take may hat: how can I make a cowardly amendsFeigheit als Grund für das Scheitern von Kommunikation wird hier explizit genannt.[+]
For what she has said to me?
Bei einem späteren Abschiedsbesuch bei der Lady, überkommt den Mann ein tiefer Selbstzweifel an der Richtigkeit seines Handelns. Das Schuldgefühl des Mannes, der das Verlangen der Frau nach echter Kommunikation und Freundschaft in einem zweiten Frühling vor dem Ende (Z. 52-55), nicht erwidert hat, steigert sich, als die Lady im dramatischen Höhepunkt des Gedichts, von Enttäuschung gezeichnet, sagt (Z. 93 u. 96/98):
>Perhaps you can write to me.< [...]Als Finale bleibt neben Reue nur Trostlosigkeit. Das Scheitern der Kommunikation zieht bei Eliot das Scheitern von Freundschaft und das Scheitern von Liebe nach sich, es bedeutet nicht zuletzt Scheitern am Leben.[+] Die Selbstzweifel des jungen Mannes am Schluß sind Ausdruck dieser Einsicht, und des Zweifels an der Richtigkeit seines Ablehnens (Z. 114, 116, 119 u. 124):
>I have been wondering frequently of late [...]
Why we have not developed into friends.<
[W]hat if she should die some afternoon, [...]
Should die and leave me sitting pen in hand [...]
Not knowing what to feel or if I understand [...]
And should I have the right to smile?
Die Funktionsweise der Gesellschaft, wie Eliot sie sieht, wurde bereits formuliert. Das Risiko, die Gesellschaft durch unangebrachte Worte aus der gemeinsamen Trance aufzurütteln, ist für Prufrock größer als es auf den ersten Blick vielleicht erscheint. Er riskiert dadurch nicht nur eine Bloßstellung vor der Gesellschaft oder seiner, in seinen Augen bedrohlich anmutenden Lady, der er eigentlich seinen Liebesgesang vortragen will, sondern auch sich selbst. Prufrock ist Teil der Gesellschaft, er ist einer von ihnen, er unterscheidet sich äußerlich, da er schweigt, durch nichts von allen anderen, lediglich innerlich mag er ein Einzelfall sein. Dies herauszufinden, den richtigen Ansprechpartner für sein Denken zu finden, ist jedoch wegen der möglichen Risiken unmöglich. Das Risiko ist das Gerede über jemandem. Die Kommunikation mit jemandem dagegen bleibt unerreichbar.
Der Vergleich mit Lazarus (Z. 94/95)[+] oder dem Fool (Z. 119), durch den er sich vom zaudernden Hamlet (Z. 111), schon in der Liste der dramatis personae als meist weit entfernt von Hauptpersonen stehend, distanziert, sollen zeigen, daß Prufrock fest entschlossen ist, sein Anliegen vorzubringen, beweisen jedoch nur das Gegenteil und Prufrock stellt dies auch fest (Z. 120):
I grow old ... I grow old ...Selbst die Hoffung und Erlösung signalisierenden ``mermaids'' (Z. 124) singen nur ``each to each''. Prufrock stellt enttäuscht fest, daß sie wohl nicht für ihn singen werden (Z. 125)[+]. Er vergleicht das Dasein der Gesellschaft in ihrem Dornröschenschlaf, mit dem Leben der Meerjungfrauen tief in Höhlen am Meeresgrund, und kommt mit einem bissigen Kommentar zur Einsicht, daß Veränderung und das Aufrütteln der Menschen aus ihrer Trance nur alles zerstören würde. Denn diese Ordnung kann nur solange friedlich und unberührt existieren, (Z. 131)
Till human voices wake us, and we drown.
Die Lady aus dem Portrait bringt diese existentielle Angst durch ihr Verdammtsein, ,,Freunden`` Tee zu servieren, als ihre einzige Daseinsgrundlage zum Ausdruck. Prufrocks Einsicht der Unmöglichkeit der Veränderung wurde im vorigen Teilabschnitt dargelegt.
Das Waste Land projiziert nun die Gedankenwelt Prufrocks auf eine ganze Bevölkerung. Der Blick verläßt das Individuum, und wendet sich dem größeren Ganzen zu. Eliot schildert eine Welt, bevölkert von Prufrocks, grau in grau als leblose Masse (Z. 61-65).[+] Wirkliche Kommunikation erfordert jedoch das Individuum.
Kommunikation wird im Waste Land pervertiert. Sie entsteht nicht mehr aus Bedürfnissen oder Wünschen, sie muß erzwungen werden. Die Schachpartie im zweiten Teil des Waste Land dient als Vermittler, als Medium, ohne das Kommunikation nicht mehr entstehen kann (Z. 137/138):
And we shall play a game of chess,Der lautstarke Ausbruch der ``she'' (Z. 111-134), ist der verzweifelte Schrei nach Veränderung, nach einem Ende der Monotonie, des Schweigens, der Kommunikationslosigkeit (Z. 112):
The ivory men make company between us
Speak to me. Why do you never speak? Speak.Das Gegenüber kommentiert in Gedanken, nicht in Worten.[+] Ihr Verlangen bleibt unbeantwortet, die Verzweiflung und Trostlosigkeit wird sichtbar (Z. 131, 133/134):
What shall I do now? What shall I do? [...]Die Antwort vervollständigt nur noch das Bild. Ohne die Kommunikation als Mittel der Verständigung bleibt nichts als (Z. 139):
[...] What shall we do tomorrow?
>What shall we ever do?<
Pressing lidless eyes and waiting for a knock upon the door.
Die Trostlosigkeit einer Welt ohne Kommunikation, die dadurch auch ihre Fähigkeit zu gegenseitigem Vertrauen und Liebe einbüßt, ist ein Zentralthema Eliots. Die Leidenschaftslosigkeit im Waste Land mag gleichermaßen Ursache und Resultat des Verlusts von Kommunikation sein. Die Flüchtigkeit und Unverbindlichkeit der lieblosen Affären wird am Bild der ``nymphs'' und ihren Großstadtyuppies angedeutet und später in einer Szene dargestellt.
Liebe und Sex sind bei Eliot nicht mehr eine Form der zwischenmenschlichen Kommunikation, sondern ein Ersatz dafür.[+] Die ,,Sex``-Szene im dritten Teil (Z. 238-257) schildert das Geschehen im Sinne eines Vollzugs, nicht als gegenseitiges Geben und Nehmen. Die Szene ist nicht mehr als ein, den Tieren abgeschautes, Bespringen und Verlassen (Z. 240/241):
Flushed and decided, he assaults at once;Die Frau als Objekt,[+] die es über sich ergehen läßt, und dem Akt gleichgültig gegenübersteht, wie ihr ,,Liebhaber``, der nicht die Frau, sondern nur den Körper will. Die Kommunikationslosigkeit als Verursacher geistiger und emotionaler Leere (Z. 252/253):
Exploring hands encounter no defence;
Her brain allows one half-formed thought to pass:Eliot sieht die Gefühlskälte, und eine Wüste im Kopf als letzte Stufe in der Endzeitvision, die das Waste Land zeichnet.
>Well now that's done: and I'm glad it's over.<
Die Arbeit hat versucht zu zeigen, wie Eliot Kommunikation in seiner Dichtung sieht und darstellt. Insgesamt gesehen, zeichnet Eliot ein finsteres Bild einer Welt ohne Kommunikation in Sinne der Verständigung, also der gegenseitigen Akzeptanz und des Verstehens und Eingehens auf das Gesprochene. Erinnern wir uns an ein Zitat aus der Einleitung:
[...] [F]or the poet, such a world is a place of profound pessimism where the only human posture is an ironic view of the self.[+]Die ironische Sicht ist da, sie zieht das Problem jedoch nicht in die Lächerlichkeit, sondern verstärkt die Trostlosigkeit einer Welt, die von ``myriads of isolated souls'' bevölkert wird. Eliot selbst aber beschreibt seine Sicht am einfachsten und treffendsten (Portrait, Z. 101):
[W]e are really in the dark.
This document was generated using the LaTeX2HTML translator Version 96.1-h (September 30, 1996) Copyright © 1993, 1994, 1995, 1996, Nikos Drakos, Computer Based Learning Unit, University of Leeds.
The command line arguments were:
latex2html -split 0 -ascii_mode -html_version 3.1
poel.tex.
The translation was initiated by Alexander Huber on Wed Nov 13 17:42:05 MET 1996