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Die antike Atomistik ist eine konsequente und in sich abgeschlossene
Metaphysik einer materialistisch-pyhsikalistischen Grundhaltung, die mit
Leukipp beginnt und über Demokrit und Epikur in Lukrez gipfelt. Die
Brandbreite ihrer spekulativen Erklärungskraft geht über den
Aufbau der Materie hinaus, sie umfasst alle Naturvorgänge, den Kosmos,
den menschlichen Geist und die Seele, ohne nicht aber auch aufklärerische
Forderungen an den Menschen zu stellen.
Die Grundthese ist, daß es zweierlei gäbe, kleinste Partikel
der Materie, die keinen leeren Raum mehr in sich tragen, sowie den leeren
Raum selbst. Der Aufbau des Seienden aus diesen Partikeln in ihrem Verhältnis
zum Raum, deren Bindungen wie Bewegungen, realisiert die Welt als ein Spiel
aus Zufall und nicht-vernunftgeleiteter Notwendigkeit.
Bei Lukrez findet diese Ansicht in seinem Lehrgedicht De Rerum Natura
eine Art Höhepunkt, in der er die Thesen der Atomistik abhandelt,
mit Naturfrömmigkeit färbt, und den Menschen zu einer Auseinandersetzung
mit seiner Existenz provoziert.
Es ist der materialistische Ansatz, das Ziel eines physikalistischen
Weltbildes, das Naturwissenschaftler wie Philosophen gleichermaßen
fasziniert. Die Reduktion der Komplexität auf einfachste materielle
Einheiten ist eine sehr effiziente, für unseren Intellekt höchst
attraktive, bisweilen freilich auch naiv anmutende Vorgehensweise. Diese
Vision, nennen wir sie materialistisch, physikalistisch oder reduktionistisch,
ist eine große Herausforderung an den menschlichen Verstand, von
der Antike bis in die Gegenwart. Die Aufgabe dieser Arbeit soll es sein,
diesen Ansatz, wie er bei Lukrez formuliert wurde, mit den Problemen, Fragen
und Hypothesen der Philosophie des Geistes von heute zu vergleichen. Diese
Philosophie des Geistes ist die moderne Aufnahme eines Problems, das sich
mit Seele, Geist, Bewußtsein, schlichtweg dem Mentalen, auseinandersetzt,
seiner Ontologie, und seiner möglichen oder unmöglichen Reduktion
auf physikalische Vorgänge. Lukrez liefert uns hierzu interessante
Gedankengänge, die prinzipielle Aspekte und Argumente der gegenwärtigen
Diskussion vorwegnehmen.
1 Einführung
1.1 Die Lukrez'sche Atomistik.
Für die antiken Atomisten ist unsere Welt letztlich aus kleinsten,
unteilbaren Teilchen aufgebaut, den Atomen, die sich im leeren Raum zu
bewegen vermögen1. Lukrez definiert das Atom wie folgt:
"Also die Grundelemente sind einfach stets und solide,
Da sie mit winzigsten Teilchen zwar eng aneinander geschlossen,
Doch nicht entstanden sind aus einzelner Teilchen Verbindung,
Sondern durch Einheit mächtig, die ewiges Leben verbürget.
Davon läßt die Natur nichts abtun oder vermindern;
Denn sie muß ja die Keime zu künft'gen Geburten bewahren."2
Ein Atom ist folglich etwas Kompaktes, eine Fülle, etwas, das keinerlei
Leere, keinen freien Raum mehr in sich enthält, zwischen dem noch
Bewegung stattfinden könnte. Dem Wesen nach ist diese Welt materiell,
eine, wie Lukrez annimmt, unendliche Anzahl von Atomen kann sich in einem
ewigwährenden Kosmos in vielfacher Weise zu Strukturen finden3. Gegenstände,
wie wir sie wahrnehmen entstehen somit durch den Zusammenbau dieser Atome.
Durch die Unendlichkeit von Raum und Zeit, der unendlichen Menge an Atomen
gibt es eine Notwendigkeit, aus der Ordnung entstünde. Diese Notwendigkeit
begründet sich durch die Unendlichkeit ist daher nicht vernunftgeleitet.
Atome sind keine einheitlichen kugeligen Gebilde, sondern sie zeigen ein
Formenreichtum, der der Mannigfaltigkeit und Komplexität der Welt
gerecht sein soll. So gibt es Atome, die Haken, Ösen oder Spitzen
aufweisen, und sich an Größe und Schwere unterscheiden4.
1Lukrez, 1957 I, 419-429; siehe auch I, 483-488
2 Lukrez 1957 I, 609-614
3 Lukrez, 1957, Einleitung von Georg Klaus, S. 10-11
4 Lukrez, 1957 II, 333-380; II, 478-521
5 Lukrez, 1957 II, 62-88; II, 184-250
6 Lukrez, 1957 II, 216-250
Bewegungen gibt es für Lukrez dreierlei: die Fallbewegung, die
Stoßbewegung und sowie kleine Abweichungen vom Fall der Atome5. Letztere
Bewegung geschieht zufällig, und stellt einen gewissen Freiheitsgrad,
ein kreatives Element der Unbestimmtheit in der Welt dar6. Zu der Notwendigkeit,
die sich in der Unendlichkeit begründet, gesellt sich so noch der
ontologische Zufall hinzu.
Die reduktionistische Vision in Lukrez’ De Rerum Natura beschränkt sich nicht darauf, die objektiv wahrnehmbaren Körper dieser Welt auf ein materielles Fundament zu stützen, sondern sie will alles umfassen, auch den menschlichen Geist und die Seele, sowie deren beider Verhältnis zum sichtbaren Leib7.
7 Lukrez, 1957; Einleitung von Georg Klaus, S. 14
1.2 Das Leib-Seele Problem.
Unsere tägliche Auseinandersetzung mit der Welt und mit uns selbst
vermittelt uns eine Art Gefühl zweier Welten, der einer physischen
und der einer nicht-physischen, mentalen. Diese Erfahrung führt zu
dem Problem, das sich als Leib-Seele oder Körper-Geist Problem ansprechen
läßt, in der gegenwärtigen theoretischen Diskussion auch
Philosophie des Geistes genannt. Während körperliche Phänomene
sich in Raum und Zeit vollziehen und naturgesetzlich-kausal ablaufen, scheint
eine solche Zuordnung bei mentalen Vorgängen prima facie nicht möglich.
Das Leib-Seele Problem hat diesen „intuitiven Dualismus"8 an der Wirklichkeit
zu prüfen, entweder einen ontologischen Dualismus auf philosophisches
Fundament zu stellen, zu zeigen, daß physisches und nicht-physisches
Aspekte einer Wirklichkeit sind, oder aber einen Dualismus durch einen
Monismus, beispielsweise im Rahmen einer physikalistischen Reduktion, zu
ersetzen.
Peter Bieri beschreibt das grundlegende traditionelle Problem der Leib-Seele
Diskussion durch folgende drei Thesen, von denen nur jeweils zwei miteinander
kompatibel sind:
(1) Mentale Phänomene sind nicht-physische Phänomene.
(2) Mentale Phänomene sind im Bereich physischer Phänomene
kausal wirksam.
(3) Der Bereich physischer Phänomene ist kausal geschlossen.9
Satz (1) impliziert einen Dualismus, Satz (2) die mentale Verursachung
und Satz (3) die Grundlage der Naturwissenschaften, dh. primär der
Physik. Wie wir noch in Abschnitt 2.2 sehen werden, ist Satz (2) für
Lukrez (und andere Materialisten) nicht denkbar. Die Verknüpfung von
Satz (1) und (3) zu Prämissen ist die Grundlage materialistischer
Ansätze.
8Der Begriff stammt von Peter Bieri, 1997, S. 2
9 Peter Bieri, 1997, S.5
2 Die Welt des Mentalen.
2.1 Geist und Seele.
Das dritte Buch in Lukrez’ De Rerum Natura beschäftigt sich mit
dem Geist, der Seele sowie deren beider Verhältnis zum Körper.
Uns soll dabei zunächst einmal eine Charakterisierung der Begrifflichkeit
von Geist und Seele beschäftigen. Für Lukrez sind Geist und Seele,
wie alles andere Seiende der Welt, aus Atomen aufgebaut und damit rein
materieller Natur10. Geist ist für Lukrez ein anderes Wort für
Verstand11, die Beschreibung intellektueller Fähigkeiten, während
die Seele Empfindungen moniert12. Eine solche Einteilung in intellektuelle
und erlebnishafte Ereignisse wird auch in der heutigen Philosophie des
Geistes vorgenommen13. Unter intellektuelle Ereignisse fallen dabei Denken,
Intelligenz, Rationalität, Erkenntnis, Gedächtnis, Repräsentation
und Sprache, während die erlebnishaften Ereignisse Emotionen, Fühlen,
Wünsche, Intution, Schmerz usw. umfassen. Je nach Gewichtung konzentriert
sich eine philosophische Analyse mehr auf das eine oder auf das andere.
Tatsächlich scheinen diese beiden Phänomene nicht die gleiche
mentale Ebene einzunehmen, so finde ich es plausibler, daß ein Supercomputer
denken könnte denn daß er Schmerz empfände.
Die Atome, die bei Lukrez Geist und Seele aufbauen, müssten klein
und glatt sein, da geistige wie seelische Vorgänge rasch ablaufen
können14. Sie bilden Bestandteile des Menschen und können daher
grundsätzlich räumlich bestimmt werden. Der Ort des Verstandes
ist im Herzen zu suchen15, die Seele verteilt sich über den Körper16.
Die Lokalisierung des Geistes im Herzen war falsch, denn wir wissen heute,
daß dem Gehirn eine bedeutende Rolle zukommt. Das Prinzip der Reduktion
des Mentalen als Teil des Körperlichen aber bleibt, und findet sich
heute bei einer Vielzahl von Neurobiologen wieder.
10 Lukrez, 1957 III, 178-230
11 Lukrez, 1957 III, 93
12 Lukrez, 1957 III, 289-321
13 Zoglauer, S. 11; Zoglauer verweist auch auf C.I. Lewis, 1956, Mind
on the World Order, New York: Dover.
14 Lukrez, 1957 III, 229-230 und III, 425-429
15 Lukrez, 1957 III, 615-623 spricht hier recht vage von Brust, bei
II, 270-271 im Zusammenhang mit dem Sitz der Willensfreiheit im Geist vom
Herzen.
16 Lukrez, 1957 III, 784-805 mit einer klaren Ablehnung jedes Harmonie-Gedankens,
seine Festlegung auf den Sitz der Seele ist aber relativ unklar. Die Lokalisierung
der Seele ist wohl quer über den Körper, aber in Form von einzelnen
Anhäufungen zu verstehen.
Francis Crick, der Entdecker der DNA Doppelhelix-Struktur, meint, das
bewußte visuelle Erleben auf den V1 Cortex17 kartieren zu können
und die Willensfreiheit im Sulcus cinguli18 vorzufinden. Neurologische
Erkrankungen, Läsionen sowie physiologische Ablationen deuten in der
Tat darauf hin, daß viele oder alle nicht-körperlichen Vorgänge
Korrelate in gewissen Gehirnabschnitten aufweisen19.
Die materielle Basis von Geist und Seele als Teil des Körpers
erlaubt eine mechanistische Sicht der mentalen Funktion im Sinne eines
naturalistischen Lösungsvorschlags des Leib-Seele Problems. Mehr noch
vermag Lukrez aber auch die Entstehung bzw. Entwicklung von Geist und Seele
erklären, denn als Teil des Körpers ist sie strukturell wie der
Körper selbst, dh. eine Anordnung von Atomen entstanden durch Zufall
und Notwendigkeit. In seinem fünften Buch beschreibt Lukrez genauer
die Entstehung der Pflanzen- und Tierwelt20, beschreibt Mißgeburten21,
die zugrunde gehen, und spricht vom Überleben der stärkeren und
nützlicheren Tiere22. Wir finden hier das Prinzip von Reproduktion
(Überproduktion), Variation und Selektion, das später als Darwinismus
zur Grundlage evolutionären Denkens wurde23. Lukrez deutet hier bereits
eine evolutionäre Philosophie des Geistes an, einen naturalistischen
Ansatz über die Herkunft von Vernunft und Empfindung, wie sie zB.
einen integrativen Bestandteil des Gedankengebäudes der evolutionären
Erkenntnistheorie darstellt24. Wie er bei der Sprachentwicklung erläutert,
sind die geistigen Fähigkeiten (Begriffsbildung) ein Resultat materieller
Bedürfnisse25.
17 Crick, 1997 S. 307-309
18 Crick, 1997 S. 328
19 Ich empfehle für eine erste einführende Übersicht
Thompson, 1996, S. 17-33.
20 Lukrez, 1957 V, 783-836
21 Lukrez, 1957 V, 837-854
22 Lukrez, 1957 V, 855-877
23 Eine naturalistische ontologische Bearbeitung findet sich bei Riedl,
1976.
24 Für eine umfassende Darlegung siehe Vollmer, 1990, insbesondere
S. 138-157 zu Sprache und Denken.
25 Lukrez, 1957 V, 1028-1040
26 Lukrez, 1957 III, 65-99
Über den genaueren Aufbau der Seele äußert sich Lukrez
dahingehend, daß er vier Bestandteile der Seele annimmt: den Hauch,
Warmes, Luft und ein viertes, das er nicht benennt und mit der Sinnesreizung
in Verbindung setzt26.
Nicht alle Atome sind funktionell gleich, und daher auch nicht für
das Leben gleichwertig. So sieht Lukrez in denen, die zu Luft und Wärme
beitragen, eine besondere Bedeutung, denn sie vergehen beim Sterben auch
als erste27. Neurowissenschaftlich ist einer Wertung durchaus zuzustimmen.
Die körperlichen Korrelate, die Komponenten der geistig-seelischen
Vorgänge haben unterschiedliche Funktionen, und die vegetativen Funktionen
sind fundamentaler als die intellektuellen. Bei Lukrez ist aber der Geist
wichtiger als die Seele, und er dürfte hier Lebensfunktionen wie Atmung
dem Geiste zugerechnet haben, während die Seele die Funktion einer
Art peripheren Nervensystems zukommt. Für ihn ist die denkende Kraft,
die die alles beherrscht. So kann es einen intakten Geist mit verminderter
Seelenwirkung geben, nicht aber umgekehrt28.
Als materielle Einheit und Teil des Körpers aber ist klar, daß
Geist und Seele letzlich beide mit dem Tode vergehen29. Die Sterblichkeit
des Menschen als Einheit, das Vergehen menschlichen Denkens und Fühlens,
ist der zentrale Punkt Lukrez, um eine Gesinnung und Gemütshaltung
des Menschen zu fordern, die Gottes- und Todesfurcht überwinden soll30.
2.2 Das Verhältnis von körperlicher und mentaler Welt.
Das Problem der Interaktion von physischen und nicht-physischen Vorgängen
stellt sich bei einem radikalen Materialisten nicht. Im Rahmen eines materialistisch-reduktionistischem
Forschungsprogramms gilt es, nicht-physische Vorgänge als physische
beschreibbar zu machen und durch letztere völlig zu ersetzen. Diese
Methodik findet sich auch bei Lukrez. Geist und Seele sind, wie zuvor geschildert,
atomaren Aufbaus und damit materielle Strukturen. Die Argumentation Lukrezens
ist dabei höchst bedeutend, da sie auch in der heutigen Philosophie
des Geistes wie auch im sensus communis zur Anwendung kommt. Lukrez erkennt,
daß es eine starke Beziehung zwischen Leib und Seele geben muß.
27 Lukrez, 1957 III, 230-257
28 Lukrez, 1957 III, 396-416
29 Lukrez, 1957 III, 417-424
30 Lukrez, 1957 III, 831-931
So beschreibt er, wie Leib und Seele oft gleichzeitig leiden31, und
daß, wie wir heute sagen würden, physikalische oder chemische
Einwirkungen auf die Seele stattfinden können, die diese verändern.
Lukrez nennt beispielsweise die Wirkung des Weins32. Die Seele ist etwas
Beeinflußbares, etwas Wandelbares, was Lukrez als klares Argument
gegen die Unsterblichkeit der Seele ansieht33. Er beschreibt, wie Leib
und Seele gleichsam gemeinsam altern, schwächer werden und absterben34.
Daher ist für ihn klar, daß ein Zerfall des Körpers auch
einen Zerfall der Seele (gleichwie des Geistes) beinhaltet35. Es ist sehr
wichtig, gerade wegen der Verbreitung und Trageweite des Arguments, darauf
hinzuweisen, hier zwischen Empirie und Metaphysik zu differenzieren. Der
Zusammenhang zwischen Körperlichem und Mentalem, der sich hier zeigt,
ist eine Korrelation. Diese Korrelation als Kausalität zu interpretieren,
ist metaphysisch.
31 Lukrez, 1957 III, 459-475
32 Lukrez, 1957 III, 476-486
33 Lukrez, 1957 III, 806-828
34 Lukrez, 1957 III, 442-458
35 ebd.
36 Lukrez, 1957 II, 84-88
37 bei Lukrez, 1957 vor allem III, 775-828; eine Übersicht der
modernen Diskussion bei Zoglauer, S.189-222.
Wenn wir nochmals auf das Problem der Lokalisierbarkeit des Mentalen zurückkommen, und diese mit einer Wechselwirkungshypothese von physischen und mentalen Prozessen verbinden, dann ergibt sich ein entscheidendes philosophisches Problem, welches auch Lukrez sah. Der Geist und die Seele sind empirisch örtlich gebunden, und wir würden diesen Ort dann als den ansehen, an dem die entsprechende Interaktion stattfände. Wenn aber Mentales, nennen wir als Beispiel den Schmerz an sich oder Trauer, etwas Nicht-Räumliches ist, wie kann dieses Nicht-Räumliche an einem bestimmten Ort, im Gehirn, in einem Leibe oder sonstwo in der physikalischen Welt in Wechselwirkung treten. Wie überhaupt, so ist weiters zu fragen, kann etwas Nicht-Physikalisches mit Physikalischem in Beziehung treten? Lukrez hat angenommen, daß Stoßbewegungen die physikalischen Vorgänge ausmachen, dh. kausal relevant sind36. Die Bewegung eines Atoms stößt ein anderes an, und ruft so in diesem Bewegung hervor. Seine Skepsis an einer nicht-physischen Verursachung, in der Philosophie des Geistes mentale Verursachung genannt, ist auch in der gegenwärtigen Diskussion dominierend37. Gerade an dem Wechselwirkungsproblem scheint der Cartesische Dualismus zu scheitern, denn er vermag uns nicht verständlich machen, wie zwei Substanzen, eine res extensa und eine res cogitans, letztendlich zu zwei Welten gehörend, zusammenpassen und kommunizieren. Deshalb ist für Lukrez wie auch für viele Neurowissenschaftler und Philosophen heute nur eine Einheit von Leib und Seele, von Körper und Geist, vorstellbar. Eine solche Einheit kann zweierlei bedeuten: wir reduzieren die eine Entität auf die andere oder wir postulieren eine höhere, die sich gleichsam aus der dialektischen Synthese beider ergibt. Letzteres ist, aus erkenntnistheroetischen Limitierungen, kaum diskutiert. Das Reduktionsproblem aber beherrscht die Debatte38.
38 Übersicht bei Bieri, S. 31-35
39 Lukrez, 1957 Einleitung von Georg Klaus, S. 12
40 Lukrez, 1957 II, 730-756; II, 842-943
41 ebd.
2.3 Der reduktionistische Ansatz.
Reduktionismus strebt die Erklärung komplexer Vorgänge und
Phänomene durch einfachere an, zumindest aber die quantitative Herabsetzung
der zu berücksichtigenden Substanzen, dh. einen Monismus. Es ist wohl
ein Tribut an die Erfolgsgeschichte der Naturwissenschaften sowie die Attraktivität
objektiver Beschreibungen, daß gegenwärtig eine materialistischen
Reduktion einer idealistischen vorgezogen wird. Dies mag auch damit zu
tun haben, daß der erkenntnistheoretische Wert materialistischer
Auffassungen höher eingeschätzt wird. Auch die antiken Atomisten
verfolgten das Ziel einer materialistischen Reduktion. Wie in dem Abschnitt
zuvor erläutert, ist ein physikalischer Vorgang nur durch eine physikalische
Verursachung befriedigend vorstellbar. Die kausale Geschlossenheit der
physikalischen Welt, die wir postulieren, erfordert einen Physikalismus,
dh. die Physik wird zur (prinzipiellen) Universalwissenschaft. Diesen Ansatz
finden wir bei Lukrez vor39. Das Hauptproblem dieses Bestrebens aber ist
es, daß es keine zufriedenstellende Erklärung dafür gibt,
wie mentale Ereignisse physikalisch zu beschreiben sind. Ich möchte
hierbei etwas ansprechen, daß wir auch bei Lukrez vorfinden, das
Problem der sekundären Qualitäten40. Es gibt zweierlei Eigenschaften,
die die den Dingen objektiv zukommen, zB. Masse oder Form und Eigenschaften,
die nur subjektiv erfassbar sind, zB. die Empfindung der Farbe Rot. Lukrez
spricht in diesem Zusammenhang Atomen per se Eigenschaften wie Farbe, Wärme
oder Empfindung ab41.
In der gleichen Weise, wie wir zur Zeit keine Ahnung haben, wie wir
die Farbe Rot objektiv beschreiben sollten, scheitern wir auch daran, das
psychologische Vokabular durch ein physikalisches zu ersetzen. Die ist
der schwache Punkt des Materialismus, und daran letztendlich scheiterte
der logischer Behaviorismus42.
42 Bieri, S.31-35
43 Lukrez, 1957 II, 885-943 widmet sich zwar der Entstehung der Empfindung,
diese Beschreibung ist aber allgemein gehalten.
44 Zoglauer, S. 145-152 bietet hierzu eine Darstellung.
Die Wahrnehmungstheorie bei Lukrez ist höchst naiv, hatte er noch
keine Ahnung von der Widerspiegelung, und hat heute keinerlei Bedeutung.
Eine Theorie von der Reizung der Sinne bis zur Handlung des Menschen ist
bei Lukrez ein Vorgang atomarer Stöße. Auch die innere Empfindung
erklärt er nicht43. Tatsächlich ist eine physikalische Theorie
inneren Erlebens auch derzeit nicht vorhanden, und es ist höchst fraglich,
ob eine solche je präsentiert werden kann. Aus diesem Grunde wird
der Reduktion auch Kritik zuteil, und es wird ihr eine Theorie emergenter
Eigenschaften entgegegestellt44. Eine solche Theorie postuliert die Irreduzibilität
mentaler auf phyikalische Vorgänge, und meint, daß mit dem inneren
Erleben und dem Bewußtsein Eigenschaften entstanden sind, die neuartiges
und a priori unverhersehbares in der Welt darstellen. Erkenntnistheoretisch
ist der Emergentismus mangelhaft, entspricht aber vielleicht den komplexeren
Verhältnissen des Problems. Alternativ dazu könnte eine Identitätstheorie
zwischen Reduktionismus und Emergentismus vermitteln, da diese mentale
Eigenschaften als einen anderen Aspekt derselben physikalischen Eigenschaften
ansehen würde. Dies aber impliziert, gleichsam zwei Wahrheiten eines
Vorgangs zu akzeptieren.
3 Speziellere Probleme einer Lukrez'schen Philosophie des Geistes.
3.1 Supervenienz und Personalität.
Neurowissenschaften lehren uns, daß mentale Prozesse ihre physiologisch-biologische
Entsprechung haben45. Solch eine Entsprechung beinhaltet neuronale Aktivitäten
und Genexpression, dh. eine Korrelation mit physikalisch-chemsichen Vorgängen.
Aus einer solchen Korrelation, möchte man sie streng, dh. gleichsam
naturgesetzlich verstehen, kann man die Supervenienz-Hypothese ableiten.
Jaegwon Kim definiert die Geist-Körper Supervenienz wie folgt:
Das Mentale superveniert insofern auf dem Physikalischem, als sich
beliebige zwei Dinge (Objekte, Ereignisse, Organismen, Personen, etc.),
die in allen physikalischen Eigenschaften gleich sind, hinsichtlich ihrer
mentalen Eigenschaften nicht unterscheiden können. Das heißt:
Physikalische Ununterscheidbarkeit beinhaltet auch psychologische Ununterscheidbarkeit46.
Die Frage, die wir uns stellen ist, wie Lukrez wohl das Supervenienz-Problem
gesehen haben möge. Als Reduktionist und Materialist, so nehmen wir
zunächst an, sieht er in mentalen Eigenschaften physikalisch-materielle,
dh. bei Lukrez atomare Bewegungseigenschaften. Es wäre daher naheliegend,
in Lukrez einen starken Anhänger der Supervenienz zu sehen. Gerade
aber an diesem entscheidenden Punkt finden wir in seinem Denken einen Widerspruch.
Lukrez schreibt:
Selbst wenn die Zeit nach unserem Tod die gesamten Atome
Unseres Daseins wieder vereinigte so, wie sie jetzt sind,
Und wir das Lebenslicht zum anderen Male erblickten,
Würde dieses Ereignis mitnichten uns irgend berühren,
Da an das frühere Leben uns fehlte die Wiedererinnerung47.
Lukrez verknüpft hier die Personalität des Menschen mit dem
Gedächtnis an diese Person, vertritt hier aber eine Ansicht über
das Gedächtnis, das gleichsam eines kontinuierlichen Bandes bedarf.
Wenn wir Gedächtnis auch als materielles Phänomen ansehen sollen,
als eine Anordnung und Bewegung von Atomen, so ist nicht ersichtlich, warum
nicht dasselbe Gedächtnis in einer unendlichen Weltenfolge wiederkehren
sollte.
45 Im Grunde Stoff jedes halbwegs guten Neurobiologie Lehrbuchs; Thompson,
1996 S. 17-33 beschreibt die funktionelle Anatomie, S. 303-320 konkrete
Bezüge zu Geisteskrankheit, Depression etc.
46 Kim, 1998 S.11
47 Lukrez, 1957 III, 847-851
Die Konsequenz des Lukrez'schen Unendlichkeitsbegriffs wäre es, eine ewige Wiedergeburt, einen Wiederaufbau der Person anzunehmen. Es stellt sich daher die Frage, woher dieser, mit seinem sonstigen Denken höchst widersinnigen Begriff der Einmaligkeit der Person kommen mag. Da Lukrez viel daran liegt, die Furcht vor einer ewigen Existenz zu nehmen, er ja explizit polemisch den Vorteil der Sterblichkeit postuliert48 ist diese Annahme der Einmaligkeit unserer kurzen Existenz für sein ganzes Denken, seine Forderung an eine entspanntere Lebensführung wesentlich. Doch gerade seine Kontradiktion zur Supervenienz, seine nicht-physikalistische Position zur menschlichen Identität, macht es mir unmöglich, ihn als konsequenten Materialisten anzusehen.
48 Lukrez, 1957 Einleitung von Georg Klaus, S. 17.
49 Lukrez, 1957 II, 216-250
50 ebd.
51 Lukrez, 1957 II, 261-262
52 Lukrez, 1957 II, 283-285; II, 292-294
3.2 Die Willensfreiheit.
Im Lukrez'schen Konzept der Atome und ihrer Bewegungen ist ein ontologischer
Zufall postuliert, der kleinste Abweichungen von der Fallbewegung der Atome
impliziert49. Diese Abweichungen bewirken in weiterer Folge Stöße
und Verbindungen, die Komplexität, Struktur und Funktionalität
realisieren50. Lukrez benutzt diesen Zufall auch, um die Freiheit menschlichen
Willens atomistisch zu charakterisieren. Im zweiten Buch widmet er ein
Kapitel der Willensfreiheit, die für ihn wesentlich und unleugbar
ist, so schreibt er: "Denn unzweifelhaft bietet zu diesen Dingen den Anstoß/
Jedem sein eigener Wille, ihm folgt die Bewegung der Glieder "51. Der Wille,
den er als Teil des Geistes ansieht (und daher auch auf das Herz lokalisiert),
stellt ein grundsätzliches Problem für eine lückenlose Kausalkette
dar. Diesen Widersprucht löst er dahingehend auf, daß er hier
die zufällige Abweichung der Atome vom Fall (und Stoß) anwendet:
Ebenso mußt du daher auch bei den Atomen gestehen,
Daß noch ein anderer Grund zur Bewegung, außer den Stößen
Und dem gewichte, besteht, woraus die uns eigene Kraft stammt.
(...)
Dies ist der Lotabweichung der Urelemente zu danken,
Die so klein sie auch ist, durch den Ort und die Zeit nicht
beschränkt wird52.
Wir würden diesen Punkt wohl als merkwürdig betrachten, als
physikalische Inkonsequenz einer ansonsten puren deterministisch-mechanistischen
Betrachtungsweise, gäbe es nicht die Ergebnisse der Quantentheorie,
und deren Kopenhagener Deutung. Im Bereich kleinster Teilchen, der Mikrophysik,
gibt es die grundsätzliche Unbestimmbarkeit von Ort und Impuls, dh.
der räumliche Aufenthalt eines Teilchens und seine Bewegung können
nicht beliebig genau bestimmt werden, ja ist ontologisch nicht genau festgelegt.
Aus dieser Interpretation der Heisenbergschen Unschärferelation
ergibt sich ein physikalisch existierender Zufall, der einen mikrophysikalischen
Indeterminismus bedingt. Dieser Sachverhalt aber hängt an einer ganz
speziellen Deutung der quantenphysikalischen Verhältnisse und ist
empirisch nicht nachweisbar (denn es könnte eine "verborgene Variable"53
geben). Immerhin aber scheint Lukrezens ontologischer Zufall mit der modernen
Physik kompatibel54.
Ein Einfluß eines möglichen ontologischen Zufalls auf den
menschlichen Geist beinhaltet, daß ein mikrophysikalischer Indeterminismus
signifikante neuronale Wirkung zeigt. Eine solche Relevanz der Quantenereignisse
auf kognitive Prozesse ist nicht gezeigt, zumindest aber durchaus vorstellbar.
Der naturwissenschaftliche Streit hierzu ist nicht geklärt, wir können
aber ohnehin philosophisch negieren, daß ein mikrophysikalischer
Indeterminismus überhaupt kohärent mit Willensfreiheit wäre.
Werden unsere Entscheidungen nämlich von Zufallsereignissen bestimmt,
sind die Ursachen unserer Kognition und unseres Verhaltens zufälliger
Natur, sind wir gleichsam zu Zufallsgeneratoren degradiert. Wir würden
einen Zufallsgenerator aber nur schwerlich als frei bezeichnen wollen,
denn Freiheit des Willens erfordert die Annahme einer Entscheidung aus
vernünftigen Gründen, dh. eine intellektuelle Komponente55. Lukrezens
Willensfreiheit ist also mit einer Willensfreiheit, wie wir sie traditionell
sehen wollten, unvereinbar.
53 Albert, Einstein, zitiert bei Walter, 1998 S. 45.
54 ebd.
55 Definition der Willensfreiheit bei Walter, 1998, S. 93
3.3 Die Welt als spirituelles Phänomen.
In diesem Kapitel wollen wir der Frage nachgehen, ob Lukrez überhaupt
eine rein materielle Weltsicht, frei von jeder Geistigkeit, aufgestellt
hat bzw. grundsätzlich aufstellbar ist. Wir wollen dabei Geistigkeit
in allgemeinster Form verstehen, als Mathematik, als Naturgesetz, als irgendetwas
in dieser Welt, das Information darstellt, Anweisung oder Gesetz, das seine
Begründung nicht in sich selbst trägt.
Lukrez zerlegt die Welt in Atome und deren Bewegungen im Raum56. Die
Unendlichkeit von Raum, Zeit und Materie (Zahl der Atome) impliziert eine
nicht-teleologische Notwendigkeit, mit der Ordnung entsteht. Auf unterster
Ebene gibt es also nur Fülle und Leere. Da Bewegungen seit ewigen
Zeiten bestehen, wird keine erste Ursache für eine solche bedurft.
Bewegungen gibt es für Lukrez durch den Fall, den Stoß und den
Zufall57. Es ist für Lukrez entscheident, daß Bewegungen nur
materielle Ereignisse darstellen können58, dh. er negiert die Verursachung
durch etwas Geistiges und argumentiert so gegen eine, wie wir heute sagen,
mentale Substanz. Gestehen wir ihm zu, daß auch der ontologische
Zufall physikalisch ist und nicht gegen dieses Prinzip verstößt
(und das ist keineswegs unbezweifelbar), so verbleibt immer noch die Frage
nach der (materiellen) Ursache für die Fallbewegung. Woher "weiß"
das Atom, wo oben und unten ist? Wieso hat der unendliche Raum eine Richtung?
Das Gewicht der Atome, so denkt Lukrez (und von einer Newotnschen Gravitation
der gegenseitigen Anziehung konnte er noch nichts wissen), bewirke den
Fall nach unten. Ein Fall in eine bestimmte Richtung aber bedeutet, daß
dieses für ihn ja unendliche Universum eine Richtung hat, eine Fallrichtung
und damit Asymmetrie. Wo immer wir aber einen Symmetriebruch annehmen,
haben wir es mit Ordnung zu tun59. Daher kommt Lukrezens Materialismus
nicht ohne eine Ordnung a priori aus, die diese Welt regelt. Wir haben
es also bei Lukrez mit einer Welt zu tun, die nicht nur aus Zufall und
Notwendigkeit (Unendlichkeit) ihren Bestand moniert, sondern die auch zumindest
eine Gesetzlichkeit, eine, so würde ich meinen, Geistigkeit aufweist.
56 Lukrez, 1957 Einleitung von Georg Klaus, S. 11-12
57 Lukrez, 1957 II, 62-82; II 184-250
58 ebd.
59 Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik.
Freilich, wir wissen auch, daß Lukrez auch ohne den Fall nach
unten auskäme, und daß die Frage nach der Geistligkeit neu zu
stellen wäre. In der Tat würde ich zustimmen, daß ein ewig
existierendes Universum aus Zufall und Notwendigkeit es zumindest denkmöglich
macht, es völlig immanent darzustellen und es das Auslangen ohne einen
Symmetriebruch a priori finden könnte. Naturgesetzlichkeit wäre
dann nur eine Wirklichkeit unter unendlich vielen und jede Geistigkeit
als Produkt nicht-vernunftgeleitete Notwendigkeit grundsätzlich vorstellbar.
Tatsächlich aber stehen wir heute vor einem kosmologischen Modell,
das unserem Universum einen Anfang zubilligt, einen Urknall als Übergang
zum Sein60. Die Möglichkeit, daß in unserer Welt Ordnung ensteht,
ist zeitlich limitiert. Denn selbst wenn das Universum für alle Zeiten
existierte, dh. einen Anfang aber kein Ende hat, so würde durch die
Expansion die Materie irgendwann ausdiluiert und komplexere Ordnung unmöglich.
Daher kann Lukrezens Argument der nicht-vernunftgebundenen Notwendigkeit
begründet durch Unendlichkeit nicht weiterhelfen. Für eine moderne
systemimmanente Weltsicht ist Lukrezens Denken überholt. Wir müssen
eine Ordnung ohne Vernunft anders begründen. Eine Möglichkeit
wäre, Lukrezens Vorstellung der unendlich vielen Welten über
unser Universum hinaus auf unedlich viele Welten zu extrapolieren.
Ein Problem aber bleibt bestehen. Lukrezens, und mit ihm die meisten
anderen antiken Denker haben das Nichts negiert61. Es war für ihn
unvorstellbar, daß aus Nichts etwas entstünde. Wir stehen heute
vor der Vorstellung, daß ein Urknall den Beginn der Welt eingeleitet
haben soll. Und sind damit vor dem Problem gestellt, daß ein Nichts,
wollen wir es postulieren, zumindest die Möglichkeit des (komplexen)
Seins in sich trägt, denn es gibt ja zumindest eine Welt. Und diese
Möglichkeit wäre auch wieder eine Art Gesetzlichkeit, eine Geistigkeit,
vielleicht die höchste Form des Geistes, Gott.
60 Die Urknalltheorie ist durch eine Reihe von Befunden belegt, wie
die Expansion des Universums (Rotverschiebung) und die kosmische Hintergrundstrahlung
und kann mit gutem Gewissen als die vorherrschende Hypothese bezeichnet
werden.
61 Lukrez, 1957 I, 150-264
4 Zusammenfassung
Eine Analyse Lukrezens Ansichten zum Leib-Seele Problem, sein materialistisch-reduktionistischer
Ansatz unter dem Aspekt einer Philosophie des Geistes hat gezeigt, daß
Ansätze und Argumente des antiken Philosophen nach wie vor die Diskussionen
bestimmen. So ist beispielsweise das Problem der Korrelation physikalisch-chemischer
Vorgänge bzw. Einwirkungen auf eine unsterbliche Seele oder die Unvereinbarkeit
einer mentalen Verursachung mit einer abgeschlossenen physikalistischen
Weltsicht von höchster theoretischen Brisanz.
Bei der genaueren Betrachtung des Identitätsproblems fiel auf,
daß Lukrez gegen das Prinzip der Supervenienz verstößt,
einer notwendigen Voraussetzung radikal-materialistischer Positionen. Dieser
Widerspruch ist daher relevant für eine Interpretation der antiken
Atomistik als physikalistisches Modell.
Die Untersuchung der Lukrez'schen Vorstellung von Willensfreiheit hat
gezeigt, daß diese mit der Quantentheorie des 20. Jahrhunderts kompatibel
ist, allerdings keine menschliche Freiheit im traditionellen Sinne bedeutet.
Eine Ausweitung des Begriffs Geist auf eine kosmologische Geistigkeit,
eine Art Weltvernunft, angewendet auf Lukrezens Fallbewegung der Atome
führte zu dem Ergebnis, daß Lukrez nicht ohne eine Ordnung,
die sich gleichsam selbst begründete, auskam. Auch erfordert unser
gegenwärtiges Modell des Universums eine neue Argumentation für
eine nicht-vernunftgeleitete Notwendigkeit.
5 Literaturverzeichnis
Bieri, Peter. 1997. Analytische Philosophie des Geistes. 3. Auflage.
Beltz Athenäum Weinheim.
Crick, Francis. 1997. Was die Seele wirklich ist. Rowohlt Verlag Heinbek
bei Hamburg.
Kim, Jaegwon. 1998. Philosophie des Geistes. Springer Verlag Wien,
New York.
Lukrez. 1957. Über die Natur der Dinge. Aus dem Lateinischen
übersetzt von Hermann Diels. Philosophische Bücherei Band 12.
Aufbau-Verlag Berlin.
Riedl, Rupert. 1976. Die Startegie der Genesis. Piper Verlag Wien.
Thompson, Richard F. 1996. Das Gehirn. Sonderausgabe Lehmann Köln.
Vollmer, Gerhard. 1990. Evolutionäre Erkenntnistheorie. S. Hirzel
Wissenschaftliche Verlagsbuchgesellschaft Stuttgart.
Walter, Henrik. 1998. Neurophilosophie der Willensfreiheit. Paderborn
u.a. Schöningh.