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Inhaltsverzeichnis

 

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Bildverzeichnis

Vorwort

Einleitung

Teil 1: Interdisziplinäre Überlegungen zu Tod und Sterben

1.1. Historisch - Philosophische Aspekte des Todes

1.1.1. Historisch - philosophische Erklärungen der griechischen Antike

1.1.2. Historisch - philosophische Erklärungen der römischen Antike

1.1.3. Der Tod im Mittelalter und der frühen Neuzeit

1.1.4. Moderne Gedanken zum Tod


1.2. Theologisch - Christliche Aspekte des Todes

1.2.1. Das Todesverständnis des AT

1.2.2. Das Todesverständnis des NT


1.3. Psychologische Aspekte von Tod und Sterben


1.4. Soziologische Aspekte von Tod und Sterben

1.4.1. Die Frage nach einer Thanatosoziologie

1.4.2. Der gesellschaftliche Umgang mit Sterben und Tod

1.4.2.1. Der verbotene Tod

1.4.2.2. Der akzeptierte Tod


1.5. Tod und Sterben in der sozialarbeiterischen Praxis

Teil 2: Entstehung und Entwicklung des Todeskonzeptes bei Kindern

2.1. Die kognitive Entwicklung des kindlichen Sterblichkeitswissens

2.1.1. Das Kind bis zu fünf Jahren

2.1.2. Das Kind von sechs und sieben Jahren

2.1.3. Das Kind von acht und neun Jahren

2.1.4. Das Kind von zehn bis vierzehn Jahren


2.2. Der emotionale Faktor des kindlichen Todesverständnisses


2.3. Das kindliche Trauerverhalten


2.4. Pädagogische Überlegungen zur Entwicklung des kindlichen Todeskonzeptes

2.4.1. Die Rolle der Eltern

2.4.2. Die Rolle des Kindergartens

2.4.3. Die Rolle der Schule

2.4.4. Die Bedeutung von Massenmedien


Exkurs: Das schwerkranke Kind

 

Teil 3: Praxis der kindlichen todeskonzepte: Projektarbeit des Hospizvereins Wattenscheid e. V.

 

Teil 4: Das Thema "Tod und Sterben" in der Kinderliteratur

4.1. Die Bedeutung der Literatur für die Sterbeerziehung


4.2. Tod und Sterben in Kindermärchen

4.3. Ausgewählte Kinderliteratur

4.3.1. Antoine de Saint - Exupéry: Der kleine Prinz

4.3.2. Marit Kaldhol: Abschied von Rune

4.3.3. Sigrid Zeevaert: Max, mein Bruder

4.3.4. Astrid Lindgren: Die Brüder Löwenherz

4.3.5. Astrid Lindgren: Mio, mein Mio

4.3.6. Peter Härtling: Alter John

4.3.7. Elfie Donnelly: Servus Opa, sagte ich leise

4.3.8. Daniela Tausch - Flammer: Wenn Kinder nach dem Tod fragen


Exkurs: Tod und Sterben in der irischen Sagenwelt

 

Teil 5: Resümee und Reflexion

 

Anhang

Literaturverzeichnis

Versicherung

Abkürzungsverzeichnis

 

a. M. am Main

AT Altes Testament
bzw. beziehungsweise
ca. circa
d. h. das heißt
etc. et cetera
e. V. eingetragener Verein
f. folgende (Seite)
ff. folgende (Seiten)
GG Grundgesetz
Hrsg. Herausgeberin / Herausgeber
i. B. im Breisgau
n. Chr. nach Christus

Nr. Nummer
NT Neues Testament
o. ä. oder ähnliches / oder ähnliche
Prof. Professor
s. siehe
S. Seite
SGB VIII Sozialgesetzbuch VIII (Kinder- und Jugendhilferecht)

SGB XI Sozialgesetzbuch XI (Pflegeversicherung)
u. a. unter anderem / und andere
u. ä. und ähnliches / und ähnliche
usw. und so weiter
v. a. vor allem
v. Chr. vor Christus
vgl. vergleiche

z. B. zum Beispiel
z. T. zum Teil
z. Z. zur Zeit

Vorwort

Warum beschäftigt man sich (in einer Diplomarbeit eines Sozialarbeiters) mit dem Thema "Kinder und Tod" ?

Diese Frage stellten mir in den vergangenen Monaten nicht nur viele Bekannte, sondern auch ich mir selbst. Nun kann ich sie zwar rein rational beantworten, indem ich von meiner über zweijährigen Tätigkeit bei Prof. Rest berichte, durch die ich in spannender Weise immer wieder mit Grenzproblemen der Geisteswissenschaften konfrontiert worden bin. Allerdings habe ich die Literaturrecherchen, Bibliographien, Annotierungen, Gesprächsauswertungen, Aktenstudien etc. kaum als "Arbeit" empfunden, sondern vielmehr als Bereicherung.

Sie haben mich immer wieder mit mir selbst und meinen Vorstellungen v. a. zum Thema "Tod" konfrontiert, diese beeinflußt oder revidiert und mich nur selten unberührt gelassen. Fragen kamen auf, über die ich zuvor nie oder nur selten nachgedacht habe, und so war stets meine persönliche Auseinandersetzung gefragt. Diese Diplomarbeit mit ihrer Thematik ist daher das gewachsene Ergebnis dieser Beschäftigung mit dem Thema Tod / Sterben / Trauer. Sie soll persönlich sein und sie soll persönlich ansprechen.

Sie soll sensibilisieren für die Fragen, die uns Kinder mit der ihnen eigenen Naivität stellen, die uns erschrecken, weil wir sie selbst nicht zulassen oder uns den Antworten nicht stellen können oder wollen. Uns alle begleiten unsere in der Kindheit erworbenen Konzepte, Bilder und Vorstellungen über den Tod bis eben dorthin, sofern man sich nicht an einer Stelle im Leben (wie z. B. anläßlich dieser Diplomarbeit) noch einmal intensiv mit ihnen befaßt hat.

Eine Auseinandersetzung mit den kindlichen Todeskonzepten ist somit eine Auseinandersetzung mit den Todeskonzepten unserer Gesellschaft. Einer Gesellschaft, die beim Wort "Tod" zusammenschreckt und das Sterben in die Anonymität von Krankenhäusern oder Pflegeheimen verdrängt. (Auf die Bedeutung von ambulanten oder stationären Hospizen möchte ich an dieser Stelle nicht näher eingehen.) In dem, was Kinder dazu vermittelt bekommen, spiegeln sich zwangsläufig all die Tabuisierungen und verdrängten Ängste wider, aber auch die Probleme, die entstehen, wenn die traditionellen Wertvorstellungen einer Gesellschaft erodieren.

Den Tod als Teil des Lebens zu akzeptieren und keine Ängste, sondern Hoffnungen zu wecken, das sollte Ziel in der Entwicklung kindlicher Todeskonzepte sein. Als Sozialarbeiter sollte man sich nicht nur privat für diese Thematik interessieren, bietet sie doch für eine im Aufbruch befindliche Profession die Möglichkeit, einen neuen Schwerpunkt und eine neue Position zu besetzen, wissenschaftliche Konzeptionen zu erarbeiten und somit der "Patchwork-identität" der Sozialarbeit ein neues, wichtiges Mosaikstück hinzuzufügen . Insofern verstehe ich diese Diplomarbeit auch als einen Beitrag zu mehr Wissenschaftlichkeit und Professionalität in der Sozialen Arbeit.

An dieser Stelle sei allen gedankt, die mir mit Rat und Tat, mit Verständnis und Interesse zur Seite standen; sie haben in welcher Form auch immer, sei es in Gesprächen oder durch Hinweise, durch Hilfestellung und kritischer Analyse meiner Arbeit dazu beigetragen , daß sie in vorliegender Form entstehen konnte: Anja Stockhausen, Andreas Kolodziej, meine Eltern und meine Schwester, Hannelore Stockhausen, Heinz Gockel, Christian Jenicek, Norbert Philipp, Marianne Oberhaus, Franco Rest und alle weiteren, die sich mit mir und diesem Thema beschäftigt haben.

 

Einleitung

 

Im Rahmen der vorliegenden Diplomarbeit werde ich mich auseinandersetzen mit kindlichen Vorstellungen über Sterben und Tod und der Entwicklung dieser Vorstellungen in ihren Bezügen zu gesellschaftlichen, sozialen und entwicklungspsychologischen Einflüssen besondere Beachtung schenken. Die Ausführungen über kindliche Todeskonzepte beschränken sich im wesentlichen auf Aussagen über Kinder unseres Kulturkreises, die keinen Ausnahmesituationen wie Krankheit oder Krieg ausgesetzt sind. Unter Tod und Sterben verstehe ich das Lebensende im biologisch - medizinischen Sinne. Die medizinisch-ethische Frage, ab welchem Zeitpunkt ein Mensch als tot zu gelten hat, ist hierbei von keiner besonderen Bedeutung.

Das Interesse dieser Arbeit richtet sich somit nicht auf die kindlichen Vorstellungen über den tatsächlichen biologischen Ablauf des Sterbeprozesses, sondern auf ihre Vorstellungen und Empfindungen, mit denen sie den Begriff "Tod" mit Inhalt füllen. Dies ist gleichzeitig die Definition der Begriffe "kindliches Todeskonzept" bzw. "-verständnis". Der Tod ist für ein Kind zunächst lediglich ein Begriff, der aufgrund fehlender Erfahrungen sehr unscharf ist. Da Erfahrungen ein wesentlicher Bestandteil der Begriffsbildung sind, werden sie im Geiste kategorisiert und zu einem Konzept, d. h. zu einem Plan oder Entwurf von der Erfahrungswelt und ihrer Zusammenhänge, zusammengefaßt. Abhängig von der gebildeten Hierarchie logischer und unscharfer Begriffe entwickelt sich das "Wissen von der Welt". Unter den genannten Begriffen sind folglich die Entwürfe, die sich Kinder auf der Basis ihrer Erfahrungen von dem Phänomen Tod machen, zu verstehen. D iese Entwürfe bzw. Konzepte sind, ebenso wie das aus ihnen resultierende Wissen, von der Erfahrungswelt des Kindes abhängig. Es gibt folglich kein universelles Todeskonzept bei Kindern, wie man aufgrund der Themenstellung meinen könnte, sondern höchst unterschiedliche Entwicklungslinien. Die vorliegende Arbeit wird ich die wichtigsten Gemeinsamkeiten dieser Entwicklungen aufzeigen.

Kinder im Sinne dieser Arbeit sind, in Anlehnung an die gesetzliche und somit als gesellschaftsfähig geltende Definition, alle Menschen, die "noch nicht 14 Jahre alt" sind. Eine pauschale Altersuntergrenze will ich nicht setzen; dennoch ist die Betrachtung der Entwicklung des kindlichen Todeskonzeptes abhängig von der Sprachentwicklung. Mit ihr lernt ein Kind, Begriffe und Phänomene zu benennen und sich eine Vorstellung über ihren Inhalt zu machen.

Sterbeerziehung ist daher als diejenige pädagogische Arbeit, die zur inhaltlichen Bestimmung des Begriffes Tod bei Kindern führt. Sie beinhaltet Aussagen, Verhalten, Umgang und Erfahrungsaustausch hinsichtlich Sterben und Tod in der Interaktion zwischen Erwachsenen und Kindern.

Als Grundlage für die Ausführungen über kindliche Einstellungen und deren Entwicklung dienten v. a. entwicklungspsychologische Quellen und empirische Forschungsergebnisse. Da ich selbst keine empirische Erhebung angelegt habe, stützen sich meine Ausführungen im wesentlichen auf die entsprechenden Ergebnisse anderer Autoren. Ergänzt wird dies durch Erfahrungen aus der Praxis, die der Hospizverein Wattenscheid e. V. gesammelt und weitergegeben hat.

Der inhaltliche Aufbau der Arbeit ist in fünf Teile gegliedert:

Zum Sprachgebrauch sei abschließend angemerkt, daß mir der z. T. diskriminierende Charakter der Sprache bekannt ist. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit habe ich jedoch weitestgehend auf die Benutzung sowohl femininer als auch maskuliner Begriffe verzichtet; das daraus resultierende Ungleichgewicht ist mir durchaus bewußt, doch hat unser Sprachgebrauch leider noch keine adäquate Lösung des Problems geschaffen.

Teil 1:

Interdisziplinäre Überlegungen zu Tod und Sterben

 

 

 

 

Bild 1: Der Ruf des Todes. Lithographie von Käthe Kollwitz, Blatt 8 der Folge "Tod", 1934 / 35

1.1. Historisch - Philosophische Aspekte des Todes

 

1.1.1. Historisch - Philosophische Erklärungen der griechischen Antike

In der griechischen Antike hat es zu verschiedenen Zeiten unterschiedliche Antworten zu den Fragen nach dem Tod gegeben. Die Angst vor dem Tod herrschte im 8. - 6. Jahrhundert v. Chr. vor; geprägt wurde dies durch das homerische Epos und die Vorstellung, die Toten müßten als leblose Wesen ein ruheloses Schattendasein führen. Da es keine Verbindung mehr zu den Lebenden gäbe und sich die Seelen der Toten vor einem gnadenlosen Richter (Minos, Aikos und Rhadamanthys) zu verantworten hätten , fürchteten viele Menschen den Tod, "der keineswegs als friedlicher Schlaf oder als Durchgangsstufe zu einem glücklichen Leben aufgefaßt wurde", sondern dem "vielmehr etwas Bedrückendes und Furchterregendes" anhaftete.

Die philosophischen Auseinandersetzungen mit dem Tod hatten in den folgenden Jahrhunderten demnach zumeist das Ziel, dem Tod seinen Schrecken und den Menschen die Angst zu nehmen. Sowohl bei Pythagoras (572 - 497 v. Chr.) als auch bei Sokrates (469 - 399 v. Chr.) findet sich die Zweiteilung in Körper und Seele, wobei der Leib als Hülle für das Diesseits dient. Die Seele aber wird entweder im Kreislauf der Geburten gereinigt (Pythagoras), um mit dem Göttlichen wiedervereinigt zu werden, oder sie geht an einen anderen, jenseitigen Ort über (Sokrates). Unabhängig davon, ob die Seele nach dem Tod den Körper verläßt oder der Tod gar nur ein traumloser Schlaf sei, gibt es aus Sicht Sokrates’ keinen Grund, den Tod zu fürchten, da es demgegenüber die Hoffnung gäbe, daß der Tod besser sei als das Leben . Pythagoras als Vertreter der orphischen Lehre sah die Seele göttlichen Ursprungs gar gefangen im diesseitigen Körper, vo n dem sie erst im Tod wieder befreit wird.

Platon ( 427 - 347 v. Chr.), ein Schüler von Sokrates, unternahm den Versuch, die unterschiedlichen Todesvorstellungen in einer schlüssigen Systematik zu

vereinen. Die Zweiteilung in einen vergänglichen Körper als Sitz des Bösen und der Begierde und in eine unzerstörbare Seele göttlichen Ursprungs, die in diesem Leib gefangen ist, ist konstitutiv für Platons Philosophie. Das Leben des Menschen sei nur eine Vorbereitung auf die Vollendung durch die Befreiung der Seele in der Welt des Göttlichen, so daß für Platon der Tod ein erstrebenswertes Ziel ist. Platon "verstand den Tod als Befreier, als Erlöser des Menschen" .

Sein Schüler Aristoteles dagegen überwindet den Leib - Seele - Dualismus, indem er den Menschen als geschlossenes Ganzes in der untrennbaren Verbindung von Körper und Seele versteht. Daher ist auch ein Überleben der Seele nach dem Tod des menschlichen Körpers nicht vorstellbar, sondern lediglich der Geist bzw. der reine Verstand kann als göttliches Element unsterblich sein. Der Tod ist demnach nichts weiter als ein notwendiges Übel der menschlichen Existenz.

Epikur (341 - 271 v. Chr.) reagiert ebenfalls auf den platonischen Dualismus; für ihn hat der Tod weder für die Lebenden noch für die Toten eine Bedeutung, denn "Seele und Körper vergehen ... also zur gleichen Zeit, damit war alle Furcht vor Drangsal und Leid der Seele nach dem Tode als unbegründet bewiesen" . Die Seele stellt sich Epikur als runde, feuerartige Atome in der menschlichen Brust vor, die gleichzeitig mit dem Körper im Tod zerfallen.

Im Weltbild der Stoiker (4. Jahrhundert v. Chr.) gab es eine enge Verbindung zwischen den Menschen und dem göttlichen Prinzip, so daß die Welt von universalen Gesetzen regiert wird. Die menschliche Seele ist Teil des göttlichen Lebensatems und kann daher niemals vergehen; in der frühen Philosophie der Stoiker glaubte man an periodisch auftretende Weltenbrände, nach denen die Seelen in neuen Körpern wiederkehren würden. Später verwarf man diese Lehre von der persönlichen Unsterblichkeit und den Weltenbränden und vertrat die Ansicht, "die Seele des Verstorbenen steige aus dem Körper in die höchsten Regionen des Himmels auf, wo sie sich nach einiger Verweildauer in ihre Bestandteile auflöse. Seele und Körper werden als freischwebende Energien verstanden, die nach dem Tod wieder ins All zurückkehren und von Gott aufgenommen werden."

Die Auseinandersetzung mit dem Problem des Todes bedeutete für die griechischen Philosophen der Antike die Suche nach dem Sinn des Todes und damit auch nach dem Sinn des Lebens. Ihre Antworten reichten von der völligen Verdrängung des Todesgedankens (Epikur) über den Dualismus bei Platon, der das diesseitige Leben als Vorbereitung für eine jenseitige Existenz sah, bis zu der Annahme der Stoiker, es gäbe eine Wiedergeburt der unsterblichen Seele. Einige Elemente dieser Todesvorstellungen sind später übernommen worden und haben selbst heute noch Bedeutung. So findet sich z. B. der Leib - Seele - Dualismus in der christlichen Theologie wieder; die Verdrängung des Todesgedankens Epikurs wiederholt sich in der heutigen, rational denkenden Welt, die sich ebenfalls nur schwer vorstellen kann, Körper und Seele würden nicht gleichzeitig im Tod vergehen. Und hinsichtlich der späteren Vorstellung der Stoiker über das Aufsteigen der Seel e in den Himmel und die spätere Vereinigung mit dem Göttlichen ist ebenso eine deutliche Parallele zu einem Bild der christlichen Lehre erkennbar ("Der Herr Jesus nun wurde ... in den Himmel emporgehoben und setzte sich zur Rechten Gottes." Evangelium nach Markus 16, 19). Somit wird der große Einfluß der philosophischen Überlegungen zum Tod in der griechischen Antike bis heute erkennbar.

 

1.1.2. Historisch-Philosophische Erklärungen der römischen
Antike

Nicht nur in der griechischen, sondern auch in der römischen Antike setzten sich die Philosophen mit dem Tod auseinander. Aufgrund der zeitlichen Verzögerung zu den Überlegungen der griechischen Philosophen ist deren Einfluß auf die römischen Todesvorstellungen erklärbar. M. Tullius Cicero (106 - 43 v. Chr.) z. B. glaubte wie Platon an die Unsterblichkeit der Seele. Nach dem Tod seiner Tochter ging es ihm vor allem darum, die positiven Seiten des Todes deutlich zu machen, und die Sorge der Menschen über den Tod und ein mögliches Weiterleben über diesen Zeitpunkt hinaus erschien ihm "als der sicherste Beweis, daß die Natur stillschweigend für die Unsterblichkeit der Seele eintritt" .

L. Annaeus Seneca (55 v. Chr. - 40 n. Chr.) bemühte sich ebenfalls um die Überwindung der Todesfurcht, wobei er ausschließlich die Beschäftigung mit der Philosophie als angemessene Lösung erachtete. Lediglich die Philosophie mache dem Menschen deutlich, daß er so leben müsse, daß er in der Stunde des Todes keinen Teil seines Lebens bedauern oder bereuen müsse, sondern sein Leben gelebt habe, als sei er ‘sich nur geliehen’. Seine Lebensweisheit lautete demzufolge: "Denke stets an den Tod, um ihn nicht zu fürchten."

Marc Aurel (121 - 180), römischer Kaiser und Philosoph, schließlich führte diesen Gedanken weiter, indem er postulierte, das ständige Denken an den Tod und an die eigene Vergänglichkeit führe zu einer vernünftigen und moralischen Lebensgestaltung, insbesondere wenn jeder bedächte, daß seine nächste Handlung seine letzte sein könnte. Für Marc Aurel war die Vergänglichkeit aller Dinge, einschließlich der Menschheit, und die Unbeständigkeit irdischer Dinge ein wesentliches historisches Gesetz. Allerdings war auch Marc Aurel, trotz dieses starken Bewußtseins des Übergangscharakters aller Dinge, nicht frei von Todesfurcht und "ruft zwar die Götter um Hilfe an, ist sich aber nicht sicher, ob es sie gibt" .

Trotz dieser Einstellungen zum Tod, die ein bewußtes Hinleben auf den Tod andeuten, und auch entgegen der Verehrung der Grabstätten, gab es eine strikte Trennung zwischen Lebenden und Toten. Man legte Wert auf eine deutliche räumliche Trennung der Stätten der Toten von den Stätten der Lebenden, weniger aus hygienischen Gründen denn aus der Überzeugung, die Toten könnten wiederkehren, die Lebenden belästigen oder deren Stätten verunreinigen. Daher legten die Römer ihre Friedhöfe immer außerhalb der Städte an den Ausfallstraßen an.

In Rom war dies dementsprechend die Via Appia (vgl. Bild 1), die ausgehend vom Circus Maximus Richtung Süden aus der Stadt führte. Dort wurden die Verstorbenen zu Grabe getragen, denn trotz der Angst vor einer Rückkehr der Toten, "sollte doch jeder Tote seine eigene Grabstätte haben, bezeichnet mitdem Namen, die Identität über den Tod hinaus bezeugend und die Erinnerung an den Toten bewahrend" .

 

Bild 2: Via Appia

 

 

Es bleibt also auch für die römische Antike festzustellen, daß die These, die Einstellungen zum Problem des Todes reflektierten auch stets die Einstellungen zum Leben, durchaus zu verifizieren ist. Denn trotz der Akzeptanz des Todes als Teil des Lebens und der Pflege der Erinnerung an die Verstorbenen, blieb die römische Gesellschaft auf das diesseitige Leben konzentriert. Charakteristisch ist hierfür insbesondere das Denken Marc Aurels, der zwar versuchte, sich mit seiner persönlichen Vergänglichkeit zu arrangieren und daraus verhaltensnormierende Konsequenzen für sein Leben zieht, sich jedoch nicht von der Furcht über das ungewisse Schicksal nach dem Tod freimachen konnte.

 

  

1.1.3. Der Tod im Mittelalter und in der frühen Neuzeit

Bis zum Beginn des Mittelalters sind die Gräber in die Städte hineinverlagert worden. Grund hierfür war die Christianisierung Europas, in deren Zug die Friedhöfe Teil der Kirchen wurden, die wiederum den Mittelpunkt jeder Ortschaft darstellten. "Die Lebenden sollten sich der Gestorbenen erinnern, ihrer im Gebet gedenken und sich vor Augen führen, daß auch sie selbst zu Staub würden. Aus der strikten Trennung der Antike war eine Koexistenz von Lebenden und Toten geworden." Dabei gab es aber sehr wohl Unterschiede zwischen armen und reichen Gestorbenen, denn die Mehrzahl wurde in Gemeinschaftsgräbern, den sogenannten "Armengräbern", ohne Sarg und nur in ein Leichentuch gehüllt zusammengeschichtet. War eines dieser Massengräber gefüllt, wurde an einer anderen Stelle in den Gruftgewölben der Kirche ein anderes Grab geöffnet, und die dort befindlichen Gebeine brachte man in die Beinhäuser. Dieses Schicksal ereil te zwar auch die Überreste der Wohlhabenden, doch waren sie zuvor unterhalb der Bodenfliesen in der Kirche begraben worden.

Geistesgeschichtlich bleibt für das Mittelalter festzuhalten, daß es einen großen Einfluß der Kirchen gab und hinsichtlich der Beschäftigung mit dem Tod christliche Bilder und Vorstellungen dominierten. Im Zentrum stand dabei das Jüngste Gericht, vor dem sich jeder Mensch am Ende der Welt verantworten muß. "Man glaubte an ein Jenseits des Todes, das sich nicht zwangsläufig bis in die grenzenlose Ewigkeit erstreckte, sondern einen verzögerten Grenzbereich zwischen dem Tod und dem Ende der Zeiten bildete." Dabei wird über die persönliche Biographie gerichtet; die Kirche verstand es über Jahrhunderte hinweg, die Angst der Menschen vor dem Jüngsten Gericht und der Möglichkeit, in das ewige Feuer verdammt zu werden, auszunutzen. Als Beispiel seien hierfür die Kreuzzüge genannt, die für die Menschen der Zeit "Heilige Kriege" waren und von deren Teilnahme sie sich die Befreiung von Sünden und das Ewige L eben versprachen, wenn sie ihr irdisches Leben lassen sollten.

Während z. B. die Kreuzfahrer in dem Bewußtsein starben, am Ende der Zeit vor Gott treten zu können, um das ewige Leben zu empfangen, fürchteten die mittelalterlichen Menschen vor allem den plötzlichen Tod, der sie mit ihren ungebüßten Sünden in die ewige Verdammnis reißen würde - "eine Angst, die besonders in Zeiten plötzlich hereinbrechender Pestepedemien geschürt wurde" .

Zum Umgang mit den Sterbenden bleibt anzumerken, daß der Tod als etwas Alltägliches gesehen wurde; das Sterben fand zumeist daheim unter Anwesenheit der Familie bzw. der Freunde statt, wobei sich die Bräuche zu diesem Anlaß im Laufe der Jahrhunderte leicht modifizierten. Insgesamt gewinnt der Tod im Verlauf des Mittelalters an Bedeutung, wie sich z. B. in den (kirchlichen) Künsten der Zeit zeigt. Im Übergang zur Neuzeit allerdings wird er zunehmend als Bruch im Leben der Menschen gesehen; es entwickelt sich ein Bewußtsein, ein "Lebender auf Abruf" zu sein.

Zu Beginn der Renaissance im 15. Jahrhundert wenden sich die Menschen vom Mittelalter und seinen Geisteshaltungen, insbesondere der Beherrschung durch die Kirche, ab. Vielmehr widmet man sich wieder den Zeugnissen der antiken Vergangenheit. Wie aus den bisherigen Ausführungen hervorgeht, gab es z. B. einen wesentlichen Unterschied im Zeitverständnis antiker und mittelalterlicher Gesellschaften. Während man in der (griechischen) Antike von einem Kreislauf der Dinge ausging und somit ein zirkuläres Zeitverständnis hatte, gab es im Mittelalter durch die christliche Lehre vom Jüngsten Gericht ein lineares Zeitverständnis.

Wie schon die griechischen und römischen Philosophen, u. a. Platon und Seneca, wenden sich die Menschen wieder stärker dem Diesseits zu, und die Einstellung zum Tod verändert sich demzufolge: Der Tod soll warten. Durch intensive Nutzung der gelebten Zeit, durch Mitgestaltung der sich verändernden Welt entgehen die Menschen dem Schrecken des Todes, da sie sich nicht auf eine Glückseligkeit im Jenseits vertrösten. Somit verliert der Tod und die Beschäftigung mit ihm an Bedeutung und es entwickelt sich eine bis heute gewahrte Distanz zum Tod.

 

1.1.4. Moderne Gedanken zum Tod

Mit dem neuzeitlichen, heliozentrischen Weltbild und der Aufklärung beginnen die Menschen, sich stärker von der Bevormundung der Kirche in geistesgeschichtlichen Fragen zu lösen. Vielmehr entwickeln sich neue, vernunftgesteuerte Wissenschaften, deren Ziel es ist, die Natur mit mathematischer Vernunft objektiv zu beschreiben. Somit verliert der Tod im Verständnis dieser Zeit allmählich seinen metaphysischen Charakter und "schien nicht mehr zu sein als ein unvermeidlicher und unangenehmer Unglücksfall der Natur, man machte sich am besten nicht zu viele Gedanken darüber. Im Geiste der Aufklärung vertrauten die Philosophen mit Überschwang und Inbrunst auf die Kraft der Vernunft: ... Glückseligkeit war schon in diesem Leben erreichbar ... , und was den Tod anging, so gehörte das Wissen, wie man richtig stirbt, die ‘ars moriendi’ also, einfach mit zur Lebenskunst des aufgeklärten Weltbürgers."

Die Möglichkeit, die Natur über vernunftgesteuerte, wissenschaftliche Erkenntnisse beherrschbar zu machen, faszinierte nicht nur die Naturwissenschaftler, sondern auch die Philosophen. Descartes z. B. interessierte sich ausdrücklich für medizinische Möglichkeiten der Lebensverlängerung, die ihm durch intensive Kenntnis des menschlichen Körpers realisierbar schien. Als er schließlich erkennen mußte, daß diese Hoffnung illusorisch war, kam er zwecks Überwindung der Todesfurcht zumindest zu der Überzeugung, die Seele würde den Körper unversehrt überleben.

Ähnliche Vorstellungen zeigen sich auch bei den deutschen Philosophen Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900) und Artur Schopenhauer (1788 - 1860). Schopenhauer äußerte die Forderung, sich den Willen zum Untertan des Intellekts zu machen und somit letztlich die Natur zu beherrschen. Der Begriff der Seele wird bei Schopenhauer mit dem Begriff des Willens (vgl. Freud: "Trieb") als Urgrund der menschlichen Existenz gefüllt und ersetzt. Nietzsche wiederum hält den Willen zur Überwindung der herrschenden Dekadenz ("Nihilismus") für unabdinglich und sieht die ewige Wiederkehr als Motor der Geschichte. Er knüpft dabei an die antiken Vorstellungen der griechischen Philosophen an. Die Gedanken dieser beiden Philosophen zur Gesellschaft und zum Tod finden sich in Thomas Manns Roman "Buddenbrooks" wieder: "Was war der Tod ? Die Antwort darauf erschien ihm nicht in armen und wichtigtuerischen Worten: ... Der Tod war ein Glück, so tief, daß er nur i n begnadeten Augenblicken, wie diesem, zu ermessen war. Er war die Rückkunft von einem unsäglichen peinlichen Irrgang, die Korrektur eines schweren Fehlers, die Befreiung von den widrigsten Banden und Schranken - einen beklagenswerten Unglücksfall machte er wieder gut. Ende und Auflösung ? Dreimal erbarmungswürdig jeder, der diese nichtigen Begriffe als Schrecknisse empfand ! Was würde enden und sich auflösen ? Dieser sein Leib ..."

Diese Ablehnung des beklagenswerten Diesseits zeigt auf, wie bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts Menschen zum einen bereit waren, ihr eigenes Leben zu opfern und zum anderen der Tod verfügbarer gemacht worden ist .

Will man moderne geistesgeschichtliche Haltungen zum Tod betrachten, bleibt zusammenfassend festzuhalten, daß sich "Einstellungen zum Tod ... nicht oder nur höchst selten schlagartig (ändern). Zeitgenossen nehmen sie kaum an sich selber und an ihrer Umgebung wahr:" Im Laufe der Jahrhunderte gab es selten einschneidende Veränderungen in der Haltung der Menschen und Philosophen zum Tod, sondern meist nur Modifizierungen. Historisch - philosophisch sind zwei wesentliche Strömungen zu unterscheiden: die antiken Auseinandersetzungen mit dem Problem des Todes, die zu Beginn der Renaissance eine Wiedergeburt erlebten und bis in die heutige Zeit Einfluß nehmen, und die christlichen Antworten auf die Fragen nach dem "Wie" und dem "Danach" des Todes, deren größter Einfluß historisch im Mittelalter anzusiedeln ist, aber auch bis in die heutige Zeit vielen Menschen Trost und Hoffnung in ihrer Furcht vor der Ungewißheit angesichts des Todes spenden .

Zusammenfassend zeigen somit beide Strömungen ein unterschiedliches Zeitverständnis und haben die heutigen Einstellungen zu Tod und Sterben maßgeblich beeinflußt; zu deren Verständnis ist die Kenntnis über diese historischen Entwicklungslinien für unerläßlich. Im folgenden Kapitel werde ich mich noch einmal intensiver den theologischen Todeskonzepten widmen und anschließend an eine Analyse bestimmter psychologischer Aspekte von Tod und Sterben (s. Kapitel 1.3.) die modernen Todeskonzepte bzw. die heutigen Einstellungen zu Tod und Sterben untersuchen (s. Kapitel 1.4.). Dabei sollen sowohl die bisherigen Erkenntnisse als auch mögliche soziologische Ergebnisse eine Rolle spielen.

1.2. Theologisch - Christliche Aspekte des Todes

 

1.2.1. Der Tod im Verständnis des Alten Testaments

Im AT spielt der Tod keine zentrale Rolle, sondern wird als vorgegebener Teil des Lebens hingenommen. Der Tod des Menschen wird gleichgesetzt mit der Rückkehr zu seinem Schöpfungsursprung: "Du lässest die Menschen zum Staube zurückkehren, sprichst zu ihnen: ‘Kehret zurück ihr Menschenkinder!’ " (Psalm 90, 3) "... nimmst Du ihren Odem hin, so verscheiden sie und werden wieder zu Staub" (Psalm 104, 29), "Fährt sein Odem aus, so kehrt er wieder zur Erde ..." (Psalm 146, 4). Diese Bibelstellen machen eine weitere Auffassung des AT zum Tod deutlich; das Leben ist nicht Eigentum des Menschen, sondern von Gott geliehen. Gott allein entscheidet über Leben und Tod: "Der Herr tötet und macht lebendig, er stößt in die Grube und führt herauf" (1. Samuel 2, 6).

Der alttestamentliche Mensch kann also nur in Beziehung und im Vertrauen zu Gott leben. Er ist abhängig vom Schöpfer und muß sich seiner Sterblichkeit bewußt sein: "Wo lebt der Mann, der den Tod nicht sieht, der seine Seele vor dem Totenreich rettet ?" (Psalm 89, 48) Dennoch bejaht der Israelit das Leben, denn Gott ist lebendig und gibt Leben. Als Segen Gottes wird ein langes erfülltes Leben gesehen, während der frühe, unerwartete Tod als Strafe Gottes verstanden wurde (vgl. Kapitel 1.1.3.). Der gläubige Mensch widersteht dem Tod jedoch nicht, sondern nimmt ihn genauso an wie das Leben. "Das Gute nehmen wir an von Gott, und das Böse sollten wir nicht annehmen ?" (Hiob 2, 10) Er ist sich aber auch bewußt, das sein Verhältnis zu Gott auf das irdische Leben beschränkt ist und mit dem Tod eine Trennung von Gott für den Einzelnen vollzogen wird. "Unter den Toten muß ich wohnen, Erschlagenen gleich, die im Grab liegen, der en du nicht mehr gedenkst und die von deiner Hilfe geschieden sind" (Psalm 88, 6).

Diese Trennung von Gott kann aber bereits vor dem Tod durch Sünde vollzogen werden. Der Tod wird als direkte Folge der Zerstörung des Verhältnisses zu Gott verstanden. "Der Tod ist nicht selbständig, sondern der Macht Gottes untergeordnet." Trost angesichts des Sterbens bietet den Israeliten daher der Glaube in die Güte und Gnade des Herrn. Sie kennen zwar auch ein Totenreich (vgl. u. a. Hiob 7, 9 f.; 10, 21; 26, 6; 28, 22), aber nicht im Sinne eines jenseitigen Lebens. Die Auferstehung der Toten bzw. ihre Form galt vielmehr als umstritten : "Schon zähle ich zu denen, die zur Grube fuhren, ich bin geworden wie ein kraftloser Mann ... Wirst du an den Toten Wunder tun ? Können Schatten auferstehen, dich zu preisen ?" (Psalm 88, 5. 11).

Die Todesvorstellungen des AT spiegeln sich in den Begräbnisriten wider, entsprechen aber zugleich der Zeit (vgl. Kapitel 1.1.2.). Die Toten wurden außerhalb der Siedlungen ohne Särge und Grabinschriften in Totenstädten begraben und Trauerbräuche halfen über die Zeit der Trauer hinweg. Da der Tod als Symbol der Sünde bzw. der Zerstörung der Beziehung zu Gott verstanden wurde, galt der Tote als unrein, so daß Reinigungsriten Teil der Loslösung von den Toten war.

 

1.2.2. Das Todesverständnis des Neuen Testaments

Das Leben und Sterben sowie die Lehren Jesu Christi in der neutestamentlichen Glaubensgeschichte lassen ein neues Verhältnis zum Tod entstehen, das sich im wesentlichen an seiner Person orientiert. Im folgenden sollen die charakteristischen Merkmale zum Verständnis dieses neuen Todesverständnisses erarbeitet werden, ohne das Ziel zu verfolgen, Tod und Sterben exegetisch aufzuarbeiten.

Der anthropologische Hintergrund des NT ist nicht vom griechischen, sondern vom jüdischen Denken beeinflußt, so daß es kein dualistisches (vgl. Kapitel 1.1.1.), sondern ein ganzheitliches, monistisch und schöpfungstheologisch geprägtes Menschenbild gibt. Wie bereits erarbeitet, gibt und nimmt Gott das Leben im AT, während Jesus gegen die Todesmacht durch Heilung von Kranken oder durch die Auferweckung der Toten zum Ewigen Leben kämpft, sich für das Leben entscheidet und so den Tod überwindet. Aber nicht sein Tod allein befreit die gläubigen Christen vom Tod, sondern erst der Glaube an das

Ostergeschehen, an die Auferstehung Jesu Christi durch Gottes Auferweckung verspricht die Überwindung der Todesherrschaft. Diese neue Beziehung zwischen Leben und Tod bildet die Hoffnung für die Glaubenden.

War die Urchristenheit noch davon überzeugt, daß der ganze Mensch die Erlösung durch Christus erfahren wird, führt die Ausbreitung des Christentums später zur Übernahme des dualistischen Menschenbildes der griechischen Philosophie . Außerdem glaubte man nicht mehr an das Ende der Beziehung zu Gott mit dem Eintritt des Todes; Teil des neutestamentalichen Glaubens und Todesverständnisses war die Hoffnung, im Tod dem gleichen liebenden Gott zu begegnen, der schon das diesseitige Leben begleitet hat. "Denn ich bin dessen gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch irgendein anderes Geschöpf uns zu scheiden vermag von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unsrem Herrn." (Römerbrief 8, 38). Der neutestamentliche Gott ist nicht mehr allein ein Gott der Lebenden, sondern auch ein Gott der Toten, und das Sterben und die Auferweckung Jes u Christi sollen den Glaubenden Hoffnung für dessen eigene Auferweckung nach dem Tod sein. "Wenn aber der Geist dessen, der Jesus von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird er, der Christus von den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen durch seinen Geist, der in euch wohnt." (Römerbrief 8, 11)

Das "neue" Leben, auf das der Glaubende nach seinem Tod hofft, darf aber nicht als Verlängerung oder Rückkehr in seine irdische Existenz verstanden werden; "es wird eine wesensidentische, leiblich - geistige Existenz sein, aber mit einer andersartigen Leiblichkeit" . Die Auferweckung bedeutet also Teilhabe am Leben Gottes, nicht nur eine Hoffnung der glaubenden Christen, sondern auch ein Trost angesichts der Unausweichlichkeit des Sterbens. Somit ergaben sich aus dem NT für die christliche Theologie "drei verschiedene Bedeutungen des Begriffes Tod. Einmal wurde damit der physische Tod bezeichnet, das Ende des biologischen Lebens. Zum anderen, als geistiger Tod, das Leben derjenigen Menschen, die außerhalb des christlichen Glaubens stehen. Und schließlich, als mystischer Tod, jene Teilhabe am Göttlichen - noch während dieser irdischen Existenz und trotz des physischen Todes - die Jesus den Menschen ermöglicht hat ... Dieser mystische Tod aber bedeut et den Sieg über den physischen Tod. Die Auferstehung ist nur eine zweite Phase des mystischen Todes, und sie bringt den Menschen das ewige Leben."

Diese neue Hoffnung der Christen auf Auferweckung von den Toten und auf das Ewige Leben spendet glaubenden Menschen seit Jesus Christus Trost angesichts des Todes und gibt ihnen Kraft im diesseitigen Leben . Auch wenn es keine Beweise für diese Hoffnung gibt - sie entzieht sich völlig dem menschlichen Erfahrungsbereich und der menschlichen Vorstellungskraft - so ist der christliche Glaube dennoch das wichtigste Hoffnungsbild der abendländischen Gesellschaft geworden. "Denn für mich ist das Leben Christus und das Sterben ein Gewinn ... indem ich Lust habe, abzuscheiden und bei Christus zu sein" (Philipperbrief 1, 21. 23). Trotz aller fortschreitenden Abkehr in unserer Gesellschaft von Kirche und Christentum, bleibt diese Hoffnung weiterhin in vielen Menschen erhalten, vielleicht nicht immer als christlicher Auferstehungsglaube bezeichnet, aber doch als Teil menschlicher Vorstellungen und Hoffnungen auf kein abruptes Ende durch den Tod. Für das Verständnis kindl icher Todeskonzepte ist dieser Glauben wichtig, da er in unserer abendländischen bzw. christlichen Kultur tief verwurzelt ist.

1.3. Psychologische Aspekte von Tod und

Sterben

 

Bereits in der Auseinandersetzung mit historischen Entwicklungslinien menschlicher Todeskonzepte wird erkennbar, daß diese entweder geprägt sind von Furcht vor dem Tod oder zumindest die Angst vor dem Sterben lindern sollen. Wie die bisherigen Ausführungen zeigen, ist der Motor allen Nachdenkens über das Sterben und den Tod die Furcht vor der Ungewißheit und die Hoffnung auf eine Fortsetzung des Seins.

Zunächst einmal muß grundsätzlich unterschieden werden zwischen Furcht vor dem Tod und Furcht vor dem Sterben. Die Furcht vor dem Sterben bezieht sich weitestgehend auf den biologischen Ablauf des Sterbeprozesses; hier ist historisch betrachtet ein wesentlicher Unterschied der heutigen Zeit zu früheren Jahrhunderten festzustellen. Während die Menschen früher den plötzlichen Tod fürchteten (vgl. Kapitel 1.1.) und den Tod über sich kommen spürten, hoffen heute viele Menschen, eben jenen überraschenden und schnellen Tod zu erleben. Hintergrund ist v. a. der medizinische Fortschritt und die Verlagerung des Sterbens in Krankenhäuser o. ä., in denen Ärzte versuchen, das Leben bis an die Grenze ihres Könnens zu verlängern. Die Furcht vor dem Sterben bedeutet heute für viele Menschen die Angst vor Schmerzen und Qualen, eine Vorstellung, mit der sich die meisten Mitglieder der Konsumgesellschaft, in der alles Posi tive verfügbar scheint, nicht anfreunden können. In einer Gesellschaft, in der wahllos Mittel gegen allerlei Schmerzen verfügbar sind (Stichwort "Selbstmedikation"), niemand ernsthafte gesundheitliche Probleme "ertragen" muß und sich das Gesundheitswesen darum bemüht, den Gesundheitswahn der Öffentlichkeit zu fördern und zu nutzen, sind sowohl das eigene Erleben als auch das "Miterleben" von Schmerzen und Leid unerwünschte Erfahrungen.

Daneben gibt es aber zudem die Furcht vor dem Tod, vor der Ungewißheit über die Zeit nach dem Sterben. Dahinter steht zum einen wohl seit Jahrhunderten die Angst der Menschen, das irdische Leben sei mit dem physischen Tod unweigerlich beendet und würde keinerlei Fortsetzung finden. Der Gedanke an die eigene Endlichkeit läßt viele Menschen erschrecken, nur wenige können sich in ihrer Einstellung zum Leben damit arrangieren, daß dieses eine Leben die einzige Existenz ist, die dem Menschen zur Verfügung steht. Bezogen auf das Thema dieser Diplomarbeit muß man zu dem Schluß kommen, daß jemand, der selbst nur Furcht vor dem Tod und keine ehrlichen Antworten kennengelernt hat, dies auch zwangsläufig entsprechend weitergibt. Solange sich soziale Systeme, in denen Kinder heranwachsen, davor scheuen, den Tod als solchen zu bezeichnen und ehrlich zu der eigenen Unwissenheit und der Furcht davor zu stehen statt ihn mit Euphemismen (ent schlafen, einschlafen, von uns gehen etc.) zu verharmlosen, können Kinder diese Furcht nur übernehmen. Daher sollte noch einmal darauf verwiesen werden, daß "Vorstellungen, die Kinder zu Sterben und Tod entwickeln, ... ein Licht auf entsprechende Sozialisationsprozesse in unserer Gesellschaft werfen (dürften)" .

Zum anderen kann die Todesangst verstanden werden als Reaktion auf die Geburt. Die Geburt des Menschen bedeutet für ihn die Trennung vom warmen, beschützenden Mutterleib; dieser brutale Akt der Loslösung und des Hereinstoßens in eine fremde und kalte Umgebung ist ein Schockerlebnis jedes Menschen, an welches er nur mit Angst zurückdenkt und an das er sich daher nicht erinnern kann. Der Tod, verstanden als "zweite Geburt", wird als ebensolches Schockerlebnis, das mit Gefühlen des Verlustes und eines kampfähnlichen Übergangs ins neue Leben verbunden wird, erwartet. Das sich ausbildende rationale Bewußtsein des Menschen zu Geburt und Tod läßt ihn - angesichts der gespeicherten Erfahrungen mit der Geburt - Angst vor dem Tod entwickeln.

Hinsichtlich der Furcht vor dem Tod und des Umgangs damit möchte ich in der psychologischen Betrachtung die Thesen Sigmund Freuds (1856 - 1939) über die Abwehrmechanismen des Ich aufgreifen. An dieser Stelle soll nicht der Ansatz der Psychoanalyse umfassend erläutert und aufgearbeitet werden, zumal psychodynamische Theorien nur eine Möglichkeit der Erklärung zur Entstehung und Entwicklung von Persönlichkeit sind.

Auch wenn man die Theorien Freuds eher skeptisch betrachtet, so bieten sie doch für die Angst vor dem Tod adäquate Erklärungen. Grundlage der Psychoanalyse ist die Dreiteilung in Ich, Über - Ich und Es. Die unbewußten, triebhaften Anteile der Persönlichkeit stellen das Es dar, in dem sich alle vererbten sexuellen, aggressiven und andere Impulse befinden, die nach Befriedigung streben. Die psychische Energie des Es, das nach dem Lustprinzip handelt, ist unbewußt und steht somit nicht in Verbindung mit der Außenwelt. Es gibt jedoch Impulse und Energien an das Ich weiter, das z. T. bewußt ist und in Verbindung mit der Außenwelt steht. Das Ich, das nach dem Realitätsprinzip arbeitet, übernimmt im wesentlichen die Aufgabe, die Bedürfnisse des Es zu befriedigen und gleichzeitig den Organismus vor Gefahr zu schützen. Im Laufe der Entwicklung der Persönlichkeit eines jeden Menschen

bildet sich nach Freuds Theorie zudem das Über - Ich, das auch als "Gewissen" bezeichnet werden kann. Es enthält die Belehrungen der Sozialisationsinstanzen und der Kultur eines Individuums über Ethik, Moral und Werte, d. h. es gibt vor, wie man sich verhalten sollte. Das Über - Ich funktioniert somit als eine Art internalisierter Repräsentant der Gesellschaft, der versucht, uns zu beeinflussen, so daß wir uns auf sozial akzeptable Weise verhalten.

Die dreiteilige Struktur der Persönlichkeit, in der das Ich an den meisten intrapsychischen Konflikten teilnimmt, da es einen Weg zur Vereinbarung der Impulse des Es und den Forderungen des Über - Ich und den Erfordernissen der Außenwelt finden muß, wird in der folgenden Abbildung noch einmal optisch verdeutlicht.

Die Abbildung macht die drei Bewußtseinsebenen sichtbar, auf denen die psychischen Prozesse ablaufen. Wichtig für die Untersuchung der Todesangst nach diesem Modell der Persönlichkeitsstruktur ist die Feststellung, daß das Es und die entsprechenden natürlichen Anteile der Persönlichkeit im unbewußten Teil zu lokalisieren sind. Demgegenüber wird der bewußte Teil vom Über - Ich und der Außenwelt dominiert.

 

 

Abbildung 1: Beziehungen des Es, Ich und Über - Ich zu den Bewußtseinsebenen


bewußt Ü


B

vorbewußt ICH

E


unbewußt R


I

ES

C

H


 

 

Auf eine weitere ausführliche Erläuterung der Psychoanalyse möchte ich an dieser Stelle, wie bereits erwähnt, verzichten, da diese Kenntnisse ausreichen, um die Abwehrmechanismen des Ich zu verstehen und die Theorien Freuds zu umfangreich sind, als daß sie an dieser Stelle dargestellt werden könnten. Es sei aber darauf hingewiesen, daß die Steuerung des Verhaltens durch Unbewußtes die Quelle größter Kontroversen über Freud war und ist.

Da ich selbst der Psychoanalyse eher skeptisch gegenüberstehe, möchte ich zum Verständnis des Umgangs mit der Todesangst neben der psychodynamischen Theorie Freuds auch den Einfluß sozialer Lernprozesse berücksichtigen. Dabei sei v. a. auf die Arbeiten des Psychologen Albert Bandura zum Beobachtungslernen verwiesen. In Banduras Theorie entwickelt sich die Persönlichkeit nicht nur durch das, was man direkt lernt , sondern auch durch Beobachtung des Verhaltens anderer Personen sowie seinen Folgen und dem Wissen, wie diese Folgen auf einen selbst zutreffen könnten. Bandura hebt hervor, wie einerseits Beobachtungs- und kognitive Prozesse eine Rolle beim Lernen spielen und wie andererseits soziale Verstärkung die weitere Ausführung neuer oder veränderter Verhaltensweisen beeinflussen. Veränderungen im menschlichen Verhalten entstehen durch die Interaktion der drei Faktoren:

Angst vor dem Tod sollte verstanden werden als ein Prozeß, in dem Anteile aus beiden vorgestellten Theorien über Persönlichkeitsentwicklung eine Rolle spielen. Sie ist einerseits das Produkt aus der Projektion der unangenehmen Geburtserfahrungen auf den Tod und den angstproduzierenden Erwartungen, die mit diesem Ereignis verbunden werden. Da sich niemand an seine Geburt erinnern kann, aber die unangenehmen Gefühle dieses Erlebnisses im Unterbewußtsein gespeichert hat, mögen auch nur wenige ohne Angst an den Tod und die Wiederholung der Geburtserfahrungen denken.

Aus lerntheoretischer Sicht sollte festgehalten werden, daß einerseits der Umgang mit dieser Furcht im Laufe des Lebens durch Imitation und Ausbildung eines entsprechenden Denkapparates erlernt wird. Dies stützt die These, Kinder könnten keine angstfreie Einstellung zu Sterben und Tod entwickeln, wenn ihnen ihr soziales Umfeld keine entsprechenden Konzepte vorlebt. Die Angst vor dem Tod ist nicht ausschließlich naturgegeben, sondern wird durch den gesellschaftlichen Umgang mit ihr im Laufe der Zeit verstärkt. Indem der Tod und seine Endgültigkeit nicht vergegenwärtigt, sondern verleugnet werden, indem man ihn mit anderen Begriffen verharmlosen möchte, indem Tod, Vergänglichkeit und Trauer im Widerspruch stehen zur gelebten Realität und der Glauben an die eigene Unsterblichkeit genährt wird , wird der Tod im Laufe der Lebenszeit rasch zu einer furchterregenden Unbekannten. Die teils unbewußte, teils bewußte Furcht vor dem Tod wird somit im Laufe der Jahre fest im Unterbewußtsein der Menschen verankert.

Auch Freud geht davon aus, daß das Kleinkind ursprünglich ohne Todesangst ist, die "als kindliche, umgewandelte Schuldgefühle, die als Bestrafung den Tod nachsichziehen, interpretiert" wird. Mit der Entwicklung des Über - Ichs und der Schuldgefühle und Gewissensangst entwickelt sich auch erst die Todesangst. Diese These kann durchaus kritisch betrachtet werden, doch möchte ich schließlich die Aufmerksamkeit auf die angesprochenen Abwehrmechanismen des Ich lenken.

Nimmt man die Todesangst als Teil des Es, als einen tabuisierten Es - Impuls, so versucht nach Freud das Ich, solche Impulse vom Bewußtsein fernzuhalten und wehrt sie mit bestimmten Mechanismen ab. Im Hinblick auf die Todesangst seien folgende Abwehrmechanismen erwähnt:

Es gibt sicherlich noch weitere psychologische Aspekte von Sterben, Tod und Trauer, die erwähnenswert gewesen wären. Dazu zählen z. B. die Arbeiten Elisabeth Kübler - Ross’ u. a. zu den Sterbephasen oder die Denkmodelle zu einer Psychologie von Tod und Trauer bei Sigmund Freud oder C. G. Jung. Es kann an dieser Stelle jedoch lediglich auf die entsprechende Literatur verwiesen werden, da es mir nicht um eine ausführliche und vollständige Darstellung einer möglichen Psychologie des Todes geht. Vielmehr soll dieses Kapitel dazu beitragen, gesellschaftliche Umgangsformen mit Tod und Sterben zu verstehen. Die Kenntnis der geistesgeschichtlichen Entwicklung der Todeskonzepte und des wichtigsten psychologischen Moments, der Todesangst, hilft nachzuvollziehen, wie sich moderne Todeskonzepte darstellen und welches Bild von Sterben und Tod in der heutigen Zeit an Kinder vermittelt wird. Die Erläuterung dieser Fragestellung wird im folgenden Kapitel thematisier t.

1.4. Soziologische Aspekte von Tod und Sterben

 

1.4.1. Die Frage nach einer Thanatosoziologie

In der Soziologie ist der Forschungsbereich der Thanatosoziologie im Vergleich zu anderen soziologischen Teilbereichen unterentwickelt. Während in anderen Humanwissenschaften der Tod nicht unbedingt als Randproblem bezeichnet werden kann (vgl. Thanatopsychologie), findet er in der Soziologie kaum Beachtung. In der Philosophie z. B. führt die Beschäftigung mit dem Problem des Todes auch zu möglichen Antworten auf die Fragen nach dem Sinn des Lebens. Die Soziologie setzt sich aber nicht zum Ziel, sinnstiftende Antworten auf Fragen der Menschen zu geben, sondern versucht vielmehr den Ursprung, die Entwicklung und die Struktur der menschlichen Gesellschaft zu beschreiben.

Für den Soziologen ist der Tod somit ein eher abstraktes Faktum jenseits von Geschichte u. ä. Soziologische Betrachtungen des Todes finden sich zumeist in der Sozialmedizin als medizinische Soziologie, die u. a. die Mortalität bestimmt. Wesentlich aufschlußreicher sind jedoch qualitative soziologische Ergebnisse, die Auskunft geben über den gesellschaftlichen Umgang mit dem Tod. Der Versuch einer Thanatosoziologie findet sich z. B. in "Tod und Gesellschaft. Eine soziologische Betrachtung von Sterben und Tod" von Klaus Feldmann. Antworten auf die Fragen nach dem gesellschaftlichen Umgang mit dem Tod sind jedoch nur partiell oder rudimentär zu finden, so daß ich im wesentlichen auf die Aussagen anderer Autoren und anderer Wissenschaften zurückgreifen muß. Dabei handelt es sich selten um empirisch ermittelte Ergebnisse zu dieser Fragestellung im Sinne der Soziologie ("Es hat in der Tat den Anschein, als machten sich die heutigen Soziologen f&uum l;r den Tod und das ihm auferlegte Redeverbot das Vorbild des Freudschen Verfahrens im Bereich der Sexualität und der ihr auferlegten Versagungen zu eigen." ), sondern mehr um die Feststellung des Status quo bzw. die Beschreibung der erfahrbaren Wirklichkeit.

Für die Soziologie dürfte es in Zukunft interessant sein, dieses Forschungsfeld weiter zu erschließen und mit den Methoden der empirischen Sozialforschung wissenschaftliche Ergebnisse und Antworten zu ermitteln. Für die Sozialarbeit sollte es genügen, die beschreibbare Wirklichkeit zu kennen und zu verstehen. Dabei sollen die bisherigen Kenntnisse aus anderen Wissenschaften ausreichen zum Verständnis der Entwicklung und der Charakteristika heutiger Todeskonzepte. Diese werde ich nachfolgend so umfassend wie möglich beschreiben; mir ist jedoch bewußt, daß dies dennoch nur eine fragmentarische Darstellung dessen sein kann, was den heutigen gesellschaftlichen Umgang mit dem Tod ausmacht. Auch an dieser Stelle stoße ich einmal mehr an die Grenzen dessen, was in diesem Rahmen darzulegen ist, und muß auf die entsprechende Literatur verweisen.

 

1.4.2. Der gesellschaftliche Umgang mit Sterben und Tod

Die heutigen Einstellungen zum und Konzepte vom Tod sind das Ergebnis der geistesgeschichtlichen, gesellschaftlichen und sozialpsychologischen Entwicklungen der vergangenen Jahre. Die bisherigen Ausführungen dienten dazu, den Hintergrund zu verstehen, auf dem sich die heutigen Todeskonzepte entwickelt haben. Darüber hinaus sollten sie Phänomene (z. B. die Todesangst), Hoffnungen (s. Theologie) sowie Bräuche und Riten erläutern, die heute Grundzüge des gesellschaftlichen Umgangs mit Sterben und Tod ausmachen.

In der Literatur der 80er Jahre findet man nahezu einhellig die These von Philippe Ariès über den "Verbotenen Tod" aufgegriffen. Ohne daß diese These grundlegend abgelehnt wird, kann man in der jüngeren Literatur jedoch zunehmend eine Gegenbewegung feststellen; ich werde daher beide Thesen - auch im Hinblick auf die Soziale Arbeit - darstellen und erläutern.

1.4.2.1. Der verbotene Tod

Mehr und mehr hat sich der gesellschaftliche Umgang mit Sterben und Tod in den vergangenen Jahrzehnten verändert. Während sich in früheren Zeiten die Einstellungen zum Tod meist nur minimal veränderten, sich langsam entwickelten und verschiedene geistesgeschichtliche Haltungen einander beeinflußten (vgl. Kapitel 1.1.), haben sie sich in der Moderne, insbesondere in diesem Jahrhundert derart rasch verändert, daß Philippe Ariès darin eine "brutale Revolution der traditionellen Gefühle und Vorstellungen" sieht. " ... Das ist ein neues, wirklich absolut beispielloses Phänomen. Der früher so gegenwärtige und derart vertraute Tod verliert sich und verschwindet. Er wird schamhaft ausgespart und zum verbotenen Objekt."

Es ist nicht ganz deutlich zu kennzeichnen, welches Phänomen Ursache und welches Folge ist: die Verlagerung des Ortes des Sterbens und die Weigerung der modernen Gesellschaft, den Tod als Teil des Lebens zu akzeptieren. Die wenigsten Menschen sterben heute noch zu Hause ; der Großteil stirbt im Krankenhaus oder z. B. in Altenpflegeheimen , zumeist isoliert in einem einsamen Asyl. Dem biologischen Tod geht meist der soziale Tod voraus. In der jüngeren Geschichte ist somit eine Veränderung des Umgangs mit dem Tod festzustellen, die sich mit einer beginnenden Individualisierung der früheren Öffentlichkeit des Todes zu Beginn dieses Jahrhunderts bis hin zu einer Institutionalisierung des Todes beschreiben läßt. Es ist um den Tod und das Sterben herum ein Dienstleistungsgewerbe mit Pflegeeinrichtungen und -kräften, Bestattungsunternehmen, Friedhofsgärtnereien usw. entstanden, in dem auch die berufliche Sozialarbeit eine Rolle spielt. Sie ist i n Krankenhäusern oder (privaten) Pflegediensten tätig und trägt zur Verwaltung des Sterbens bei.

Philippe Ariès begründet diese Verlagerung des Ortes des Sterbens mit einer gewandelten Einstellung zum Tod. Der Tod wird tabuisiert und löst die Sexualität als früheres gesellschaftliches Tabu ab. Heute seien die Kinder in frühen Jahren bereits über Sexualität aufgeklärt, während sie gleichzeitig fern von Tod und Vergänglichkeit gehalten werden. Dahinter steht das Streben, "nicht mehr

dem Kranken, sondern der Gesellschaft, der Umgebung selbst die Belästigung und die allzu starke, unerträgliche gefühlsmäßige Belastung zu ersparen, wie sie die Widerwärtigkeit des Todeskampfes und die einfache Präsenz des Todes inmitten des vollen Lebens mit sich bringt, denn man hält es für ausgemacht, daß das Leben glücklich ist oder wenigstens den Anschein haben soll."

Konnten die Menschen in früheren Zeiten den Tod noch kommen spüren, sich darauf vorbereiten und von ihrer Umwelt Abschied nehmen, sind heute die Ärzte die neuen Herren über Leben und Tod. Allein von ihnen hängt ab, wann ein Mensch sterben kann und darf, und gäbe es keine medizinischen Grenzen, würden viele Ärzte sicherlich geneigt sein, das menschliche Leben unendlich zu verlängern. Der modernen Apparatemedizin geht es nur in seltenen Fällen um ein menschenwürdiges Sterben, sie bemüht sich vielmehr um einen "acceptable style of facing death" . Sowohl dem Sterbenden als auch seinen Angehörigen wird oftmals die Wahrheit über den kommenden Tod verschwiegen, "Sterben wird verdrängt, Sterbende sterben einen technisierten, fremden Tod" . So soll zudem erreicht werden, daß Gefühle und Gefühlsausbrüche möglichst außerhalb der Institutionen des Todes bleiben, denn "Emotionen sind das, was im K rankenhaus genauso wie überall sonst in der Gesellschaft vermieden werden muß. Das Recht, seine Erschütterung zu zeigen, hat man nur privat, d. h. im Verborgenen." Und selbst im Privaten scheint es inzwischen Grenzen des Erlaubten zu geben, denn Ariès stellt weiter fest: "Allzu augenfälliger Schmerz erweckt nicht Ehrerbietung, sondern Widerwillen: er ist ein Zeichen von geistiger Verwirrung oder von schlechter Erziehung; er ist morbide. Innerhalb des Kreises der Familie ist man noch unschlüssig, ob man sich gehen lassen darf oder nicht, aus Angst die Kinder zu verstören. Das Recht zu weinen hat man nur, wenn einen niemand hört oder sieht: Die einsame und verschämte Trauer ist die einzige Zuflucht ..."

Bei einer Analyse von Todesanzeigen findet man diese Phänomene wieder. Die ersten Todesanzeigen wurden Ende des 18. Jahrhunderts veröffentlicht und gaben ausführlich Auskunft über Krankheitsverlauf, familiäre Situation und

Leid der Familie etc.. Im Laufe des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts wurde der Ton der Anzeigen nüchterner und der Tod wurde zunehmend mit Euphemismen beschrieben (vgl. Kapitel 1.3.); "langsam verschwand der Tod aus dem Blickfeld." Der Rückzug der Trauer um den Toten wurde daran deutlich, daß nicht mehr jedermann über die Todesanzeigen zur Trauerfeier eingeladen wurde, sondern bewußt die nähere Verwandtschaft von der Außenwelt abgeschirmt wurde. Seit etwa 1960 ist es zudem üblich, den Leichnam nicht mehr wie in früheren Zeiten zu Hause, sondern in der Leichenhalle des beauftragten Beerdigungsinstituts aufzubahren.

Durch mangelnde Konfrontation mit dem Tod ist es im Verlauf dieses Jahrhunderts zur Ausbildung folgender Charakteristika im Umgang mit Sterben und Tod gekommen:

Diese Veränderungen haben ganz konkrete Auswirkungen auf das Denken und Fühlen des Sterbenden wie auch der Angehörigen. Der Sterbende selbst scheut sich davor, "Todesängste gegenüber seiner sozialen Umgebung zu äußern, da er das gesellschaftliche Tabu, das Sterben und Tod umgibt, deutlich zu spüren bekommt." Es "wird ihm jedoch oft wenig Hilfe und Unterstützung zuteil. Die Umgebung des Sterbenden reagiert mit Angst, Hilflosigkeit und einem Gefühl der eigenen Bedrohtheit, was dann in zunehmendem Maße einen sozialen Rückzug zur Folge hat."

Doch nicht allein die Sterbenden sind mit diesen Veränderungen und negativen Auswirkungen betroffen. Abgesehen davon, daß Einstellungen zum Tod seit jeher eng verbunden gewesen sind mit den entsprechenden Einstellungen zum Leben, lernen wir darüber hinaus " als Kinder ... nichts über den Tod, da ein allgemeiner Konsens darüber besteht, der Tod sei nichts für Kinder." Damit wird es für die moderne Gesellschaft schwieriger, den Kindern und Jugendlichen einen Sinn für ihr Leben vor dem Tod zu vermitteln. Viele junge Menschen sehen den Sinn nicht mehr allein darin, exzessiv nach materiellen Gütern zu streben. Aber angesichts des Todes müssen sie dennoch die Sprachlosigkeit der Erwachsenen übernehmen; falls sie Antworten hören, sind diese oftmals ein Konglomerat aus euphemistischen Metaphern und Bruchstücken früherer Todeskonzepte - insbesondere aus dem, für viele "moderne" Menschen anachronistischen, christlichen Aufer weckungsglauben. Viele Erwachsene, aber auch junge Menschen sind den oben angeführten Veränderungen ausgesetzt, müssen jedoch im Laufe ihres Lebens die Todesangst, die so alt ist wie der denkende Mensch, bewältigen oder sehen sich ihrer zumindest konfrontiert. Angesichts der Unausweichlichkeit des Todes entwickelt jeder denkende Mensch irgendwann einmal eine Vorstellung von dem, was ihn möglicherweise nach dem Tod erwartet und muß sich dann seine eigene Wirklichkeit, seinen eigenen Glauben davon bilden. Die in den Kapiteln 1.1. und 1.2. erläuterten Konzepte spielen dabei eine mehr oder weniger prägende Rolle.

Ein Ausweg kann allein die eigene und persönliche Auseinandersetzung mit

dem Tod sein, denn sie "ist die unabdingbare Voraussetzung dafür, andern - gerade auch Kindern und Jugendlichen - ‘ helfen ’ zu können, das unausweichliche Ende des Lebens zu verarbeiten und menschenwürdig zu bewältigen." Ziel muß die Abkehr von der Verdrängung und Verleugnung des Todes in der modernen Gesellschaft sein, um Kindern in einer vom kollektiven Tod durch Selbstvernichtung (s. ökologische und militärische Bedrohung) bedrohten Welt den Tod als natürlichen Bestandteil des Lebens erfahrbar zu machen.

Diesem Ziel soll auch diese Diplomarbeit dienen; die Arbeit daran regt zum einen mich persönlich an, all diese geforderten Schritte zu tun, nachzudenken, zu suchen, zu (hinter-) fragen - und z. T. zu finden. Zum anderen soll sie aber auch andere anregen, dies zu tun und daher ist die Darstellung der Gegenbewegung zum "verbotenen Tod" unabdinglich.

1.4.2.2. Der akzeptierte Tod

Der Terminus des "akzeptierten Todes", der die Gegenbewegung zum verbotenen Tod widerspiegelt, ist nicht als Äquivalent zu den früheren Einstellungen zu Tod und Sterben zu verstehen. Vielmehr sollte es darum gehen, den Tod in der modernen Gesellschaft zu bejahen. Dem voran geht die Auseinandersetzung mit dem Tod, denn diese umfaßt eine wertende Auslegung des Lebens und enthält Folgen und Imperative für die Lebensgestaltung . Sie ist notwendig, "um das Sterblichkeitsbewußtsein positiv für ein gutes Leben zu nutzen" und um zu lernen, "unser Leben nicht zu verschwenden. Wir gewinnen eine ungeahnte Freiheit, Gelassenheit und Frieden. Wir lernen, Prioritäten zu setzen und ‘verlieren’ keine Zeit."

Der akzeptierte Tod fordert die Fähigkeit ein, loslassen zu können, zum einen, um den Sterbenden gehen zu lassen, zum anderen, um nach dessen Tod weiterleben zu können. Darüber hinaus erfordert der akzeptierte Tod die Trauerfähigkeit; in ihrer letzten Konsequenz drängt die Trauer aus der Privatheit

heraus und dann muß es Ziel sein, einen Trauernden nicht allein zu lassen. "Liebevoller Umgang, gemeinsam trauern, Formen finden, Gefühle auszudrücken, kreative Ausdrucksmöglichkeiten entwickeln - insgesamt also nicht verdrängen, sondern Tod, Sterben und Trauer wahrnehmen, zulassen und zum ‘Thema’ machen" sind die Prinzipien, nach denen dem Tod begegnet werden sollte. Ihn nicht länger als Gegenstück zum Leben, sondern zur Geburt zu verstehen, ist das Ideal, das hinter diesen Gedanken steckt.

In der neueren Literatur findet man zunehmend Hinweise darauf, daß es eine Veränderung in der Gesellschaft gibt und der Tod wieder in den Alltag der Menschen - über die Darstellung in den Massenmedien hinausgehend - eindringt. Folgende Charakteristika haben sich demnach in der Gesellschaft in den vergangenen Jahren vorsichtig entwickelt:

Außerdem sollte man erwähnen, daß der Tod gerade in den vergangenen Jahren zunehmend im Interesse verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen stand (s. Literaturliste), womit seine Tabuisierung weiter durchbrochen wurde.

Ein wesentlicher Bestandteil des akzeptierten Todes ist die Fähigkeit, das Sterben zu begleiten. Dies erfordert die Auseinandersetzung mit seinen eigenen Todesängsten, die Trauerfähigkeit und die Überwindung der Kommunikationshemmungen unserer Gesellschaft, um miteinander reden zu können, aber vor allem, um dem Sterbenden zuhören zu können.

Die wachsende Bedeutung des akzeptierten Todes in der heutigen Zeit wird an diesem Punkt deutlich; die Zahl der ambulanten und stationären Hospize wächst ebenso wie die Zahl derer, die sich dort ehrenamtlich engagieren möchten. Die finanzielle Förderung der Koordination ihrer Arbeit zeigt, daß dies auch politisch erkannt und für wichtig befunden wird .

Da die berufliche Sozialarbeit in diesem Bereich zunehmend eine Rolle spielen könnte, halte ich neben der privaten vor allem die professionelle Auseinandersetzung mit dieser Thematik für notwendig. Die bisherigen Ausführungen sollen helfen, die heutigen Einstellungen zu Tod und Sterben, ihre Entwicklung und ihre Problematiken zu verstehen, aber auch das Gegenbild zu erkennen und an seiner Förderung gestalterisch teilzunehmen. Dies kann sowohl durch eine intensivere Beschäftigung mit dem Thema als auch durch konkrete aktive Beteiligung geschehen. Dies möchte ich im folgenden Kapitel und in Teil 3 dieser Arbeit deutlicher machen.

1.5. Tod und Sterben in der sozialarbeiterischen Praxis

Bereits im vorangegangenen Kapitel ist angeklungen, daß die professionelle Sozialarbeit in und an der Institutionalisierung des Sterbens und des Todes mitarbeitet.

Nach Peter Lüssi ist Sozialarbeit "das professionelle Lösen sozialer Probleme", deren Merkmale Not, subjektive Belastung und Lösungsschwierigkeiten der Betroffenen sind. Aufgrund der angesprochenen Tabuisierung des Todes agiert die Sozialarbeit innerhalb des Systems des institutionalisierten Todes zumeist in diffizilen Randbereichen, denn Probleme mit dem Sterben, Todesangst, Trauergefühle etc. können durch ihre zunehmende Privatisierung oftmals nicht mehr thematisiert werden. Das soziale Problem des Todes soll es augenscheinlich nicht mehr geben, zumindest lassen die Erkenntnisse über den verbotenen Tod den Schluß zu, die Gesellschaft ist bemüht, die Merkmale dieses Problems als nicht existierend erscheinen zu lassen. Darüber hinaus gibt es für die Sozialarbeit in diesem Bereich kaum Möglichkeiten der Reflexion, da ihr Auftrag meist in der Verwaltung, denn in der Begleitung des Sterbens verstanden wird.

Die berufliche Sozialarbeit bekommt erst durch den akzeptierten Tod wieder eine sinnstiftende Aufgabe; der Tod wird wieder als soziales Problem erkannt, denn die Betroffenen können zunehmend eingestehen und auch artikulieren, daß sie die Situation des Sterbens als persönlich belastende Not erfahren und Schwierigkeiten haben, dieses Problem allein zu lösen. Sozialarbeit in einem ambulanten Hospiz kann z. B. dazu beitragen, daß soziale Netzwerke um die

betroffene Familie herum entstehen oder verstärkt werden, um sie in der Trauer und im Verlust zu stärken. Zudem kann sie die Versorgung des Sterbenden

koordinieren, indem sie seinen Erwartungen, Wünschen und Bedürfnissen entsprechend seine pflegerische und psychosoziale Versorgung organisiert.

Die Person der Sozialarbeiterin / des Sozialarbeiters muß sich jedoch deutlich machen, daß sie mit ihrer eigenen Person immer auch ihr eigenes Handwerkszeug ist. Es bedarf also auch in der beruflichen Sozialarbeit einer stärkeren Auseinandersetzung mit Sterben und Tod, um ein Bewußtsein für die eigene Sterblichkeit und für die Zeit und Qualität des eigenen Lebens zu entwickeln.

Sozialarbeit ist nicht allein Ausdruck, Konsequenz und Spiegelbild gesellschaftlicher Mechanismen, sondern kann (und muß) gesellschaftliche Prozesse auch entscheidend prägen oder initiieren. Der Besetzung des Themas Sterben und Tod durch die Soziale Arbeit könnte daher eine ganz entscheidende Rolle für die Entwicklung des akzeptierten Todes spielen. Tod und Sterben als soziales Problem zu benennen, aber auch zu thematisieren, zu ermutigen, zu stärken usw. müssen die Ziele in diesem Feld sein.

Janusz Korczak (1872 - 1942) hat das Grundrecht des Menschen auf den eigenen Tod und das Recht des Kindes auf Tod benannt; greift man die Vorschläge der International Federation of Social Workers und der International Association of Schools of Social Work aus dem Jahre 1992 zur Strategie der Professionalisierung Sozialer Arbeit auf, die die Soziale Arbeit von ihrem selbstbestimmten Auftrag her als "Human Rights Profession" definieren, bekommt diese Feststellung eine besondere Bedeutung für berufliche Sozialarbeit. Will sich Sozialarbeit in der Zukunft weiter professionalisieren und den beruflich Tätigen eine Identität vermitteln, bedarf es einer erfahrungswissenschaftlichen Theorie menschlicher Bedürfnisse als Begründungsbasis für universalisierbare Werte und zu vergesellschaftende Normen. Beziehend auf Janusz Korczak bietet sich durch die vorliegende Thematik die Möglichkeit, diesen Auftrag anzunehmen.

Teil 2:

Entstehung und Entwicklung des Todeskonzepts bei Kindern

 

 

 

Bild 3: Zeichnung von Ulli, 9 Jahre

2.1. Die Kognitive Entwicklung des Kind- lichen Sterblichkeitswissens

Um die Entwicklung der kindlichen Todesvorstellungen zu erklären, wurde lange Zeit von einer Korrelation zwischen Stadien der Begriffsbildung und kognitiven Reifungsprozessen ausgegangen. So wie der Erwerb von körperlichen Fähigkeiten oder der Erwerb der Sprache (vgl. Jean Piaget) sollten sich auch die Vorstellungen über den Tod nach naturgegebenen und annähernd zu prognostizierenden Stadien entwickeln und ausprägen. Demnach wären bei verschiedenen Kindern eines Alters in etwa die gleichen Konzepte über Tod und Sterben zu erwarten.

Verschiedene empirische Untersuchungen haben diese Erwartung jedoch widerlegt und vielmehr gezeigt, daß "sich die Todesvorstellungen von Kindern gleichen Alters im Hinblick auf ihren Realitätsgehalt teilweise sehr stark voneinander unterscheiden" . Daher haben Faktoren wie Sozialisationseinflüsse und konkrete Erlebnisse mit dem Tod eine stärkere Beachtung in der Darstellung der Entwicklung des kindlichen Sterblichkeitswissens gefunden. In den bisherigen Ausführungen habe ich dies als Prämisse bereits vorausgesetzt; in den nachfolgenden Erläuterungen werden die unterschiedlichen Untersuchungen und Ausführungen zur kognitiven und emotionalen Entwicklung des kindlichen Sterblichkeitswissens zu einem sinnvollen Gesamtbild zusammengeführt werden. Die Schwierigkeit liegt dabei in den unterschiedlichen Forschungsmethoden und -ansätzen, die zu divergierenden Rückschlüssen auf psychische Entwicklung, Geschlechtseigenarten, besondere Umwel teinflüsse sowie auf die Erziehung geführt haben. Darüber hinaus ist eine uneinheitliche Verwendung des Begriffes "Todeskonzept" festzustellen.

In den folgenden Kapiteln geht es mir daher um eine sinnvolle Synthese der existierenden Thesen und Theorien zur Entwicklung des kindlichen Sterblichkeitswissens. Die Altersangaben können hierbei lediglich als Orientierung dienen, da sich Kinder stets individuell und in Abhängigkeit von ihrer Umwelt und ihren konkreten Erfahrungen entwickeln. Eine exorbitante Rolle spielen lebensbedrohlich erkrankte Kinder, deren Entwicklung in besonderer Weise von gesunden Kindern abweicht. Ihnen wende ich mich in einem gesonderten Exkurs zu, wobei zu erwähnen bleibt, daß die Betreuung, Begleitung und Entwicklung des lebensbedrohlich erkrankten Kindes schon allein notwendig und würdig sind, in einer Diplomarbeit thematisiert zu werden.

In diesem Kapitel werde ich im wesentlichen auf entwicklungspsychologische Thesen zur kognitiven Entwicklung des kindlichen Sterblichkeitswissens zurückgreifen, die im Kapitel 2.4. in ihrem Verhältnis zu verschiedenen Sozialisationsinstanzen und deren pädagogischen Einflußmöglichkeiten betrachtet und erläutert werden. Wichtig sind mir in diesem Zusammenhang weniger die universale Gültigkeit der Aussagen über konkrete Altersstufen als die Darstellung des Prozesses der Entwicklung des kindlichen Todeskonzepts. Damit orientiere ich mich an der kindlichen, ergebnisorientierten Denkstruktur.

 

2.1.1. Das Kind bis zu fünf Jahren

Die Schwierigkeit, kognitive Entwicklungen und Einstellungen bei Kindern zu Sterben und Tod zu "messen" bzw. qualitativ zu erfassen, ist insbesondere in den ersten Lebensjahren gegeben. Empirischen Forschungsarbeiten zu diesem Thema lagen durchaus unterschiedliche Forschungsmethoden zugrunde: "Um die Einstellung des Kindes zum Tode und ihre allmähliche Entwicklung zu verfolgen, erscheinen verschiedene Wege möglich: zunächst die direkte Beobachtung des Verhaltens des Kindes in solchen Fällen, in denen es selbst mit dem Tod in Berührung kommt, wo Angehörige sterben oder wo es aus irgendwelchen Gründen sich über den Tod äußert. Zum zweiten kann man klinische Beobachtungen heranziehen, d. h. Fälle, in denen das Kind wegen seiner Todesgedanken oder Todesangst dem Psychiater vorgestellt wird oder wo sich im Verlaufe einer Psychotherapie eine Beschäftigung mit dem Tode ergibt. Und endlich kann man provozierte Äußerung en des Kindes über den Tod verwerten, um Aufschluß über seine Einstellung zu ihm, seine Anschauungen über ihn zu ermitteln. Diese letzte Methode kann ergänzt werden durch die Befragung Erwachsener, wie sie in ihrer Kindheit zum Tode gestanden ha-ben."

Insbesondere in den ersten Lebensjahren ergibt sich jedoch die Schwierigkeit, daß das kindliche Sprach- und Darstellungsvermögen noch sehr stark von dem der Erwachsenen differiert. Z. T. können Kinder daher ihre Gedankenwelt nur unzureichend, mehrdeutig oder aber in der ihnen eigenen Sprache mitteilen, wodurch Fehldeutungen bzw. -interpretationen durch die Erwachsenen erklärbar sind.

In der Regel wird daher festgestellt, Kinder bis zum Alter von drei Jahren hätten kein oder nur wenig Verständnis für die Idee des Todes und würden erst dann langsam mit der Entwicklung einer Vorstellung über den Tod beginnen. Die Begrenzung dieser Vorstellung mag mit mangelnden konkreten Begegnungen mit Sterben und Tod bzw. Trennungen und Verlusten erklärbar sein.

Den Empfindungen hinsichtlich der Geburt kann ein Kind - ebenso wie ein Erwachsener - kaum Ausdruck verleihen, wenngleich es die erste Verlusterfahrung eines Menschen ist. Die Separation vom Mutterleib ist zwar das erste und, im Zusammenhang mit dem Tod und dem Umgang mit ihm, gravierendste Verlusterlebnis (vgl. Kapitel 1.3.), doch hinterläßt es seine Narben im Unterbewußtsein jedes Menschen. Im Bewußtsein von Kindern wie Erwachsenen bleiben vielmehr im weiteren Lebensverlauf erlebte Verluste von nahestehenden Personen.

Die sich entwickelnde Autonomie des Kindes bietet dem Kind zunehmend Möglichkeiten, sich in seiner Welt zu orientieren. Eine mögliche Verwendung des Begriffs "Tod" im Kleinkindalter zeigt daher eine vage Kenntnis seiner Bedeutung an; abhängig von der konkreten "Todeserfahrung" eines Kindes kann es zudem "einer ersten Vorstellung davon Worte (verleihen), daß der Tod mit Trauer oder Leid verbunden ist" .

Das Kleinkindalter ist nach Jean Piaget von sechs Kausalverständnissen geprägt, von denen einige direkte Relevanz für die Entwicklung des kindlichen Todes- bzw. Lebenskonzepts haben :

Das psychologische Kausalverständnis zeigt sich im kindlichen Verhalten z. B. an dem Versuch, sich mit leblosen Dingen wie Steinen oder Teddybären zu unterhalten und zu spielen. Das Kind schreibt auch diesen Dingen Attribute des Lebens zu, womit erkennbar wird, warum das Kind erst im Laufe seiner Entwicklung und des beginnenden Verlustes dieser Kausalverständnisse beginnt, zwischen lebenden und toten Dingen zu unterscheiden. Für das Kind ist alles, was sich bewegen kann, lebendig; tot ist demnach, was oder wer sich nicht mehr bewegen kann. In der kleinkindlichen Vorstellung ist der Tod daher vergleichbar oder gleichbedeutend mit dem Schlaf. "Tod sein ist ein zeitlich begrenzter Zustand, es ist eine Distanzierung, eine Entfernung, Ruhe, Ausruhen, Schlafen."

An dieser Stelle werden die zwei wichtigsten Merkmale des (klein-) kindlichen Todesverständnisses erkennbar: Zum einen glaubt das Kind, der Tod sei ein reversibler Vorgang, d. h. Tote können nach seinem Verständnis auch wieder lebendig werden. So ist z. B. das kindliche Verhalten nach dem Tod und der Bestattung eines geliebten Haustieres zu verstehen, das nach einigen Tagen wieder ausgegraben wird, um zu sehen, ob es wieder laufen kann. Gleichzeitig sollte der Beobachter aber auch die Neugier des Kindes erkennen, die es motiviert, zu erforschen, was mit dem gestorbenen Tier in der Zwischenzeit passiert ist.

Das zweite Merkmal wird durch das magische Denken geprägt, da es den Glauben enthält, alles würde so erfolgen, wie es das Kind wünscht oder denkt. So kann ein unlebendiger Gegenstand wie ein Stein oder ein Ball durch Einfluß des Kindes "lebendig" werden, da er durch Werfen oder Treten in Bewegung gesetzt werden kann. Das Kind gewinnt so den Glauben, "es (habe) Macht über den Tod" . Gleichsam wird das Kind somit in der Konfrontation mit einem Sterbefall von den Eltern erwarten, den Verlust des geliebten Menschen oder des Haustieres rückgängig zu machen; in einem solchen Fall von den Eltern die Grenzen ihrer Macht zu erfahren und emotional zu verarbeiten, kann ein erster Schritt sein, die Endgültigkeit des Todes zu erlernen.

Das finalistische und das moralische Kausalverständnis implizieren, daß ein Kind in frühen Jahren die Erfahrung mit einem Todesfall auf sich zurückbezieht. Dahinter steckt die Annahme, der erlebte Verlust diene einem bestimmten Zweck, z. B. der eigenen Bestrafung, woraus schwere seelische Schäden entstehen können. Dafür sei eine übergeordnete Macht zuständig, die die Geschehnisse lenkt und somit z. B. Wunschvorstellungen des Kindes realisieren könnte.

Für den Erwachsenen sind solche gedanklichen Konstrukte meist nur schwer nachvollziehbar bzw. schlichtweg irrational. Es ist somit wichtig, die kindliche Gedankenwelt zu verstehen und ihre Unterschiede zu der des Erwachsenen zu kennen. Sowohl in der Erziehung des Kindes ganz allgemein, als auch in der Konfrontation mit Sterben und Tod, muß der Erwachsene "einem emotionalen Grundmuster im Verstehen der Kinder folgen, also vor allem an der Entwicklung des kindlichen Gemüts, der Sensibilität und Phantasie, also nicht am intellektuell - realistischen, rationalen Verstehen interessiert sein ... Jede Sterbeerziehung müßte also zuerst emotional, dann intellektuell verlaufen."

Desweiteren unterscheidet sich das Zeitverständnis des Kindes erheblich von dem der Erwachsenen. Das lineare Zeitverständnis, das während der Schulzeit erlernt und verinnerlicht wird, läßt den Menschen sich selbst als endliches Wesen erfahren. Da das Kind sich erst einen Begriff der Zeit, der Dauer, der Unendlichkeit und Endlichkeit, der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft machen muß, um den Tod als definitive und irreversible Trennung erfassen zu können, ist es zudem davon überzeugt, es würde ewig leben und sei unsterblich. Jean Piaget hat die Entwicklung des Zeitbegriffs bei Kindern in drei Stadien unterteilt, die seinen Stadien der allgemeinen Denkentwicklung entsprechen: "In dem präoperatorischen Stadium (2. - 6. Lebensjahr) ist die Denkleistung an konkrete Handlungen und unmittelbare Anschauung gebunden ... Es (das Kind) lebt in der Gegenwart, im Hier und Jetzt, so daß es mit seinem Zeitgefühl vor allem mit dem Jetzt besc häftigt ist ... Mit dem siebten Lebensjahr beginnt nach Piaget das Stadium der konkreten Denkoperation ... so wird das Zeitgefühl mit dem siebten Lebensjahr zwar zunehmend praktischer, detaillierter und folgerichtiger, aber es ist noch an konkrete Vorstellungen gebunden. Das Kind ist sich des Ablaufs der Zeit bewußt, den es aus dem Nacheinander der Ereignisse erschließt ... Nach Piaget beginnt mit dem zwölften Lebensjahr das Stadium der formalen Operationen. In diesem Stadium sind die Denk- leistungen nicht mehr an konkrete Vorstellungen gebunden. Sie sind formal - abstrakt, deduktiv und hypothetisch. Der Zeitbegriff ist nicht mehr anschaulich. Deshalb nennt Piaget ihn auch ‘ operativen Zeitbegriff ’."

Das Zeitverständnis des Kleinkindes ist als zirkulär zu bezeichnen; die Denkstruktur des Kindes ist prozeß- und ergebnisorientiert, d. h. es versucht, Kausalzusammenhänge zu erkennen und nachzuvollziehen. Da es sich jedoch zeitlich nahezu ausschließlich auf die Gegenwart konzentriert und zudem oftmals an bestimmte Tagesabläufe gewöhnt ist, sind Parallelen des kindlichen Zeitverständnisses und Lebenskonzepts zu den Denkmodellen der griechischen Antike (vgl. Kapitel 1.1.1.) unverkennbar. Diese These wird unterstützt durch die Vorstellung des Kindes, Tote könnten wieder lebendig werden bzw. befinden sich lediglich in einem zeitweiligen Zustand der Bewegungslosigkeit. "Eine Langzeitstudie an 600 Kindern hat gezeigt, daß Kinder im Alter von fünf bis sechs Jahren sich vorstellen, Verstorbene würden in der gleichen Form für immer fortbestehen oder möglicherweise in einer anderen Gestalt ins Leben zurückkehren." Das psychologische Kausalverständnis verleitet das Kind somit zu der Annahme, das Leben sei ein Zustand, der gekennzeichnet ist durch die Existenz eines ständigen Todes und Auferstehens.

Der Tod wird im Kleinkindalter durch eine Negativ - Definition charakterisiert, d. h. Tod ist nicht Leben, wobei das Verständnis seitens des Kindes über diese beiden Phänomene lediglich rudimentär ist. Im zunehmenden Alter beginnt das Kind, die Grenzen zwischen Leben und Tod zu erkunden, zu erforschen und zu erfragen (vgl. z. B. das Ausgraben bestatteter Tiere). Mit ca. drei Jahren sucht das Kind zunehmend nach Basiskriterien der Merkmale "tot" und "lebendig". Dies hat zur Folge, daß durch die Beobachtungen des Kindes und/oder die Erläuterungen Erwachsener ein ereignisbezogenes Todesverständnis beim Kind entsteht. Tot ist, wer auf dem Friedhof liegt bzw. beerdigt wurde; vom Tod bedroht ist derjenige, der krank ist, einen Unfall hatte oder alt ist.

Auch wenn Kinder in diesem Alter in ihrer kognitiven Entwicklung noch nicht so weit sind, die Irreversibilität des Todes und die persönliche Betroffenheit in ihrer Bedeutung zu erfassen, so sind sie doch emotional weitaus stärker von der Tatsache des Todes betroffen, als viele Erwachsene annehmen. Zwar ist "totsein etwas Graduelles", denn "es bedeutet das Fehlen von einem oder mehreren Lebensattributen" (Wodurch gleichermaßen Neugierde und Aversionen geweckt werden.), doch empfinden Kinder durchaus mehr oder weniger intensive Emotionen angesichts des Todes. Dies hängt vornehmlich mit der Parallelisierung von Tod und Trennung zusammen; Trennung ist für ein Kleinkind aufgrund der völligen Abhängigkeit von Menschen, die es versorgen, zumeist eine lebensbedrohliche Situation. In das Bewußtsein ruft das Kind sich immer schmerzliche Verluste oder Trennungen von geliebten Personen, Gegenständen, räumlichen Umgebungen, die in seiner Erfahrun g jedoch meist zeitlich begrenzt waren.

Mit der Reifung der intellektuellen Leistungsfähigkeit entwickelt sich parallel die Vorstellung vom Tod; im Kleinkindalter können die drei Abgrenzungskriterien des Todes nach Marie Nagy - Irreversibilität (der Tod ist unwiderruflich), Universalität (der Tod betrifft alle Menschen) und Inevitabilität (der Tod ist unvermeidlich) - weder emotional noch kognitiv erfaßt werden.

Es wäre aber falsch anzunehmen, Kinder bis zum Alter von fünf Jahren seien von der Thematik des Todes in keiner Weise betroffen. Es gibt viele Möglichkeiten für Kinder, mit dem Tod in Berührung zu kommen: durch konkrete Konfrontation, in der Beobachtung, im Gespräch, im Spiel. Die Bedeutung ihrer Umwelt für diese ersten Erfahrungen werde ich noch gesondert aufgreifen; dennoch sollte festgehalten werden, wie sehr Kinder emotional mit Tod bzw. Trennung verbunden sind. Gerade diese Emotionen sind es, die es den Erwachsenen erschweren, mit Kindern dieses Alters über Tod und Sterben zu sprechen. Einerseits spiegeln sich ihre eigenen Ängste und Gefühle wider, andererseits wollen sie das Kind vor all dem Negativen, das gemeinhin mit dem Tod verbunden wird, beschützen. Doch "die Kinder, die sich am meisten um das Problem des Todes kümmern, sind die kleineren Kinder" .

 

2.1.2. Das Kind von sechs und sieben Jahren

Nach der kognitiven Entwicklungstheorie Jean Piagets markiert das 5. bis 7. Lebensjahr den Übergang von der präoperationalen Phase zu derjenigen der konkreten Operationen. Das konkret - operatorische Denken versetzt das Kind in die Lage, Objekte in eine sinnvolle Ordnung zueinander zu setzen, d. h. zu systematisieren, sie von mehreren Standpunkten aus zu betrachten, d. h. zu dezentrieren und eine Handlung - im Bewußtsein darüber, daß es dieselbe Handlung ist - in beiden Durchlaufrichtungen auszuführen, d. h. die Reversibilität zu erfahren.

Die affektive Besetzung des Bedeutungszusammenhangs "Tod" wird im Alter von fünf und sechs Jahren verstärkt, da die Assoziationen mit Tod und Sterben negativer geprägt sind. Ursache sind hierfür einerseits mögliche persönliche Erfahrungen des Kindes. Andererseits bleibt trotz größerer Autonomie als im Kleinkindalter die Angst vor dem Verlust der Eltern erhalten. Hinzu kommt die Erkenntnis über weitere Merkmale des Todes als lediglich das der Bewegungsunfähigkeit; das Kind lernt, daß Tote weder atmen, noch essen, noch fühlen etc. Auch assoziiert es nicht allein Alter, sondern v. a. Krankheit und Krankenhaus mit dem Tod. Dies dürfte jedoch lediglich ein Charakteristikum der modernen abendländischen Kultur und ihrer Institutionalisierung des Todes sein (vgl. Kapitel 1.4.2.1.).

Da das Kind sich noch nicht vollständig von den Kausalverständnissen nach Piaget gelöst hat, sind noch immer nicht all seine gedanklichen Konstrukte für die Erwachsenen nachvollziehbar. Das moralische Kausalverständnis, nach dem die Geschehnisse moralischen Gesetzen folgen, ist, neben dem entsprechenden Erlernen von seiner Umwelt, verantwortlich für eine Personifizierung des Todes als "schwarzer Mann", "Teufel", "Sensenmann", "Skelett" oder "Knochenmann", die sich in Kinderbildern immer wieder finden. Für Kinder im Alter von fünf bis neun Jahren fand Marie Nagy heraus, "daß ein Drittel der Kinder in dieser Altersgruppe den Tod personifizierten ... Sie brachten ihn in Verbindung mit Dunkelheit und Nacht. Der Tod war nicht unvermeidbar; nur solche sterben, welche der ‘ Schwarze Mann ’ fängt und wegträgt. Jeder, der fliehen kann, flieht." "Die Personifizierung und die Ursachenfrage hängen eng mit einem gewissen Maß an logische m Denken zusammen, welches wohl erst um das fünfte Lebensjahr so weit entwickelt ist, daß es bereit ist, Bedingungen, Ursachen und Voraussetzungen von etwas zu erforschen."

Dies zeigt, daß Kinder ungefähr ab dem sechsten Lebensjahr zwar beginnen, die Endgültigkeit des Todes zu akzeptieren, doch dauert es lange, bis sie erfassen, daß er auch für sie unvermeidbar ist. "Der Tod (wird) jedoch noch immer als Prozeß gesehen, der außerhalb einem selbst liegt und dem man sich unter gewissen Umständen (Jugend, List, Stärke) entziehen kann." Sie fürchten den Tod daher weniger für sich selbst, denn für ihre Eltern oder andere geliebte Personen.

Erich Stern stellt wie andere Autoren fest, daß "sich mit dem Tod auch jetzt keine Vorstellung, die der Wirklichkeit entspräche" , verbindet. Vielmehr habe das Kind "noch bis zum sechsten, oft bis zum achten Jahre, vielfach aber auch noch darüber hinaus ... im allgemeinen kein Bewußtsein von der Tragik des Todes. Es weiß nicht, daß der Tod etwas Unvermeidliches und etwas Definitives ist, es weiß nicht, daß der Tote nicht mehr in das Leben der Menschen eingreifen kann."

Es sollte jedoch festgehalten werden, daß sich in der Zeit zwischen dem sechsten und siebten Lebensjahr eine wesentliche Veränderung in der Welt des Kindes vollzieht. Verbunden mit der kognitiven Entwicklung führt der einsetzende Schulbesuch zu einer Annäherung an gedankliche Strukturen der Erwachsenen. Das Zusammenspiel natürlicher Entwicklungsprozesse und der schulischen Ausbildung bewirken zudem eine Veränderung des kindlichen Zeitverständnisses, das sich immer mehr dem linearen Zeitverständnis der Erwachsenen nähert. Somit erkennt das Kind zunehmend den Unterschied zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und ihrer Abhängigkeiten voneinander.

"Der wichtigste Wendepunkt um das siebte / achte Lebensjahr entspricht den zentralen Geschehnissen im kognitiven System der Piagetschen Entwicklungspsychologie: nach einem Stadium egozentrischer, rein psychologischer Motivierung (es geschieht etwas, weil man es will), das von einem Stadium purer Finalität gefolgt ist (alles ist auf einen bestimmten Zweck hin ausgerichtet), erwirbt sich das Kind um das siebte und achte Lebensjahr die ersten Kenntnisse statistischer Kausalität, d. h. von Zufall und Wahrscheinlichkeit ... Erst nach diesem Schritt besteht überhaupt die intellektuelle Möglichkeit einer Erweiterung des Todeskonzepts zu objektiveren Formen." Folglich beginnt in diesem Alter das Erkennen eines der Abgrenzungskriterien des Todes, der Irreversibilität.

 

2.1.3. Das Kind von acht und neun Jahren

In diesem Alter nähert sich das Kind in seinem Verständnis vom Tod allmählich den Vorstellungen Erwachsener an. Das Interesse des Kindes richtet sich in diesem Alter zunehmend auf die Frage des "Wie" des Sterbens und der Suche nach dem, was nach dem Tod kommt. Dies setzt jedoch zunächst einmal voraus, daß das Kind die Unumkehrbarkeit des Todes erkannt und akzeptiert hat. Sofern es den Tod noch für einen reversiblen Vorgang hält, im Hinblick auf den Tod also noch kein lineares Zeitverständnis entwickelt hat, wird sich die Frage nach den Geschehnissen, die auf den Tod folgen, noch nicht ergeben.

Abhängig von den persönlichen Erlebnissen eines jeden Kindes, seiner Erziehung, seinen Beobachtungen etc. können einzelne Entwicklungsschritte selbstverständlich durchaus eher oder später einsetzen. Doch in der Mehrzahl der Untersuchungen ließen sich für das Alter ab dem achten Lebensjahr die entscheidenden Schritte zur Revision bzw. Veränderung des kindlichen Todesverständnisses in Richtung des erwachsenen Todeskonzeptes lokalisieren.

In der Literatur heißt es zumeist, das Kind entwickele "eine zunehmend realistischere Auffassung vom Tod" . Dieser Aussage stehe ich persönlich eher kritisch gegenüber, da sie impliziert, die Einstellungen zum und Konzepte vom Tod der Erwachsenen entsprächen der Realität. Dem kann man lediglich hinsichtlich der Abgrenzungskriterien des Todes, die ca. ab dem achten Lebensjahr vom Kind internalisiert werden, zustimmen. In ihrer kognitiven Entwicklung ist die Mehrzahl der Kinder zunehmend in der Lage, die Universalität und Inevitabilität anzunehmen. "Sein Blick richtet sich jetzt direkt auf den Tod, nicht nur auf die Peripherie, das heißt Särge, Gräber. (Das Kind) nimmt jetzt ganz realistisch hin, daß es eines Tages, wenn es älter ist, sterben wird." Kinder haben in diesem Alter bereits deutlich kulturell - symbolische Aspekte des Todes wie Begräbnis, Sarg, Trauerkleidung etc. ausgearbeitet und Interesse für Todesursache n gezeigt.

Betrachtet man jedoch die emotionalen Faktoren des kindlichen Todesverständnisses (s. Kapitel 2.2.), zeigen sich noch einige Unterschiede zu den vermeintlich "realistischen" Einstellungen. In der Beschäftigung mit Kindern ist es notwendig, zu akzeptieren, daß man die Welt des Kindes als Realität des Kindes annimmt. Da Erwachsene zumeist an der Endgültigkeit bzw. Beendigung eines Prozesses interessiert und orientiert sind (vgl. Beispiel des Dammbaus), setzen sie ihre eigenen Vorstellungen zum Maßstab der Bewertung der Realität. Kinder haben dagegen noch höchst eigene Vorstellungen und Erklärungsmuster für die Welt, in der sie leben. Erwachsene sollten also weniger versuchen, dem Kind kognitive und emotionale Konstrukte aufzuoktroyieren, sondern die kindliche Realität als eine Form der Sichtweise ihrer Welt akzeptieren. Dazu gehört in der Beschäftigung mit dem Tod das Eingeständnis gegenüber dem Kind, nicht alle Fra gen beantworten zu können und seinen Emotionen ohne Vorbehalt zu begegnen.

Denn auch bei den Kindern wächst im zunehmenden Alter die Angst vor dem Tod, zumal die Tragik des Todes deutlich begriffen wird. Daher rückt "das Interesse für das Geschehen nach dem Tode ... bei den Acht- bis Neunjährigen zunehmend mehr in den Vordergrund ... Der Gedanke, daß der Körper mit dem Tod zerfällt, der ... in diesem Alter präsent ist, ist für das Kind nicht annehmbar. Es ist unerträglich für das Kind, wirkt aber nicht zerstörend, da Kinder in dieser Altersstufe gleichzeitig einen Gedanken an die Unsterblichkeit oder endlose Seelenwanderung entwickeln, und zwar unabhängig von der Religionszugehörigkeit." Nachdem das Kind begreifen muß, daß seine Annahme, es könne sich dem Tod entziehen, nicht länger haltbar ist, entwickelt es somit ein neues schützendes Konzept, um die Tragik des Todes erträglicher zu machen. Da dieses gedankliche Gebilde sowohl in der Philosophie (vgl. Kapitel 1.1.) als auch in der Religion (vgl. Reinkarnationslehre im Buddhismus / Hinduismus) vorzufinden ist, ist es durchaus legitim, schon von einem sehr "realitischen" Verständnis vom Tod bei Kindern in diesem Alter zu sprechen.

 

2.1.4. Das Kind von zehn bis vierzehn Jahren

Ab dem zehnten Lebensjahr nähert sich das Todesverständnis des Kindes sehr stark dem der Erwachsenen und gleicht sich zunehmend an. Die Einsicht in das Wesen und den Bedeutungsumfang des Todes sei nach Meinung der meisten Autoren erst in diesem Alter zu erwarten, "da erst im Alter von 11 Jahren Denkoperationen unabhängig vom Gegenstand als abstraktes Denken mit den damit verbundenen synthetischen Realitätserfahrungen möglich sind" .

Kinder in dieser Altersstufe betrachten den Tod zunehmend als Vorgang mit den Merkmalen Irreversibilität, Universalität und Inevitabilität. In ihren Erklärungen und Schutzmechanismen befinden sie sich noch in einer Zwischenphase zwischen Kindheit (vgl. z. B. Unsterblichkeitsgedanke) und Jugendphase, in der sie sich endgültig den Vorstellungen Erwachsener anpassen werden. "Das Kind weiß jetzt fast immer, daß der Tod die definitive Trennung bedeutet, daß er unwiderruflich ist, Trennung und Liebesverlust werden als schmerzlich empfunden. Die Angst vor dem Tod und vor dem Sterben ist allen Kindern dieser Altersstufe bekannt, aber viele weisen sie von sich, indem sie sich sagen, der Tod liege sehr fern, er betreffe sie nicht, er gehe nur die ‘Alten’ an. Auch auf dieser Altersstufe wird der Tod noch oft unter dem Bilde des ‘Sensenmannes’ oder des ‘Knochenmannes’ vorgestellt."

In dieser Zwischenphase, "wenn die Rollen der Kinder im allgemeinen gut zu definieren sind, tritt das Interesse am Tod zurück und erscheint bis zum Jünglingsalter, wenn sie wieder durch eine Periode der Veränderung und der Anpassung gehen, nicht wieder" . Für Erich Stern markieren die Sichtweise von, die Vorstellungen über und der Umgang mit Sterben und Tod in dieser Altersgruppe das Ende der Kindheit und den Übergang zur Jugendzeit. Spätestens in der Jugendzeit weiß der junge Mensch zwischen Leben und Tod deutlich zu unterscheiden; man kann also zu dem Schluß kommen, die kognitive Entwicklung des kindlichen Todesverständnisses sei mit der einsetzenden Pubertät weitestgehend abgeschlossen, denn "im allgemeinen kann man feststellen, daß normal entwickelte Kinder, ihrem Reifegrad entsprechend, die in der Erwachsenengesellschaft geltenden Todesbilder übernommen haben. Der Übergang von der magisch - animistischen zur real istischen Todesvorstellung ist vollzogen. Jetzt erst kann das Kind kausallogische Erklärungen über den Tod abgeben."

Eine zeitliche Festlegung auf ein bestimmtes Alter will und muß ich aufgrund der individuellen Entwicklungsverläufe von Kindern vermeiden und diesen Schritt etwa zwischen dem elften und vierzehnten Lebensjahr verorten.

Auf die emotionalen Faktoren des kindlichen Denkens werde ich im folgenden Kapitel näher eingehen und sie daher an dieser Stelle zunächst ausklammern. Es sei jedoch noch darauf hingewiesen, daß sich in dieser zuletzt betrachteten Altersgruppe große individuelle Unterschiede in den kindlichen Todesvorstellungen entwickeln. Das Wissen um die objektiven Merkmale des Todes, insbesondere über die biologischen Vorgänge - Aussetzen der lebenserhaltenden Körperfunktionen, Verwesung etc. - und die spürbaren Folgen des Todes eines Menschen, ist mehr oder weniger umfassend.

Das Interesse der Kinder, sofern es denn vorhanden und nicht verdrängt ist und ein Kind sich vornehmlich auf die "positiven" Seiten des Lebens konzentriert, richtet sich nunmehr verstärkt auf die Fragen nach dem Jenseits (vgl. auch Kapitel 2.1.3.). Dabei ist eine Vielfalt der Jenseitsvorstellungen festzustellen, aus denen sich vier Idealtypen der Vorstellungen über das Sein nach dem Tod abstrahieren lassen :

 

Bild 4: Zeichnung von Timo, 8 Jahre

 

 

 Dieser Vorstellung stimmt eine große Zahl der bunderepublikanischen Bevölkerung zu (in einer Emnid - Umfrage aus dem Jahr 1980 in den alten
Bundesländern waren es z. B. 66 % der 14 - 19jährigen). Dahinter steckt zumeist eine Enttäuschung über die Naivität der traditionellen Jenseitsbilder, die als kindlich zurückgewiesen werden. Als Erwiderung sei noch einmal der Unterschied zwischen der kindlichen "Realität" und dessen, was die Erwachsenen als realistisch bewerten, erwähnt (vgl. Kapitel 2.1.3.); in Anlehnung an das Leitwort dieser Arbeit möchte ich zudem der Vorstellung Erwachsener, sie seien "realistischer", d. h. der Wirklichkeit näher, als Kinder, das Geheimnis des Fuchses aus dem Buch "Der kleine Prinz" von Antoine de Saint - Exupéry entgegenhalten: "Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar." Demzufolge gibt es noch weitere Jenseitsvorstellungen.

Bild 5: Zeichnung von Peter, 9 Jahre

 

 

 

 

Bild 6: Zeichnung von Dörte, 9 Jahre

 

 

Diese Vielfalt an Jenseitsvorstellungen findet sich sowohl bei Kindern etwa ab dem neunten Lebensjahr als auch bei Erwachsenen. Daraus läßt sich der Rückschluß ableiten, daß Kinder in der Entwicklung ihres Todeskonzeptes durchaus von äußeren Bedingungen beeinflußt werden. Dieser Frage werde ich mich in Kapitel 2.4. näher zuwenden.

2.2. Emotionale Faktoren des kindlichen Todesverständnisses

Einer der wesentlichsten emotionalen Faktoren des kindlichen Todesverständnisses ist die Todesangst (vgl. Kapitel 1.3.). Der affektive Umgang des Kindes mit dem Tod ist in seinem Ausmaß und seinem Ursprung jedoch nicht ohne weiteres äquivalent zu dem der Erwachsenen. Vielmehr ist die Angst des Kindes vor Tod und Sterben zum einen von der kognitiven Entwicklung des kindlichen Sterblichkeitswissens (vgl. Kapitel 2.1.) und zum anderen von sozialen und situativen Lebenskontexten abhängig.

Erich Stern gibt an, "das Grunderlebnis, das auch von Kindern am häufigsten angegeben wird, ist die Angst" . Diese sei "besonders deutlich, wenn das Kind allein ist, also nicht unmittelbar den Schutz der Mutter oder einer anderen geliebten Person fühlt" . Stern verweist aber auch darauf, daß die Angst vor dem Sterben, die die meisten Kinder bekunden, nur in wenigen Fällen klar motiviert werden kann.

Viele Autoren (unter ihnen Sigmund Freud) attestieren Kleinkindern völlige Freiheit von Todesängsten. Dabei wird der Begriff der kindlichen Todesangst zumeist inhaltlich mit der Todesangst der Erwachsenen gefüllt. Ich halte es einmal mehr für notwendig, sich dem kindlichen Realitätsempfinden zu nähern, um emotionale Faktoren des jeweiligen Todesverständnisses erkennen und erläutern zu können.

Für das Kleinkindalter bleibt hinsichtlich der kognitiven Entwicklung des Todesverständnisses als wichtigster Punkt festzuhalten, daß der Tod als veränderte Form der Fortexistenz, als vorübergehende Trennung, also als reversibler Vorgang verstanden wird. Das affektive Erleben des Todes im Kleinkindalter ist folglich geprägt vom Verlusterlebnis. Die Todesangst des Kindes richtet sich weniger auf die dauerhaften Auswirkungen des Todes, sondern auf den direkt und unmittelbar erlebbaren Trennungsschmerz. Kinder in diesem Alter orientieren sich intensiv an ihren ersten Objekt- und Subjektbeziehungen. Sie sind noch nicht in der Lage, ohne Hilfe anderer Menschen zu überleben, so daß sie Trennungen von diesen Menschen zunächst als unmittelbare Bedrohung empfinden. Das finalistische Denken des Kleinkindes führt zudem zu der Annahme, eine Trennung sei die direkte Folge eigenen (Fehl-) Verhaltens und diene der Bestrafung. So ist z. B. verständl ich, daß Kinder sich selbst die Schuld für den Tod eines Menschen (oder Tieres) geben.

Nach der Geburt macht das Kind zunehmend Erfahrungen mit Trennungen und Verlusten, die mehr oder weniger schwer wiegen und von unterschiedlicher zeitlicher Dauer sind. Sofern das zirkuläre Zeitverständnis nicht im Gegensatz zur erfahrenen Wirklichkeit des Kindes steht, sich also Trennungen auf einen bestimmten Zeitraum beschränken, ist die Angst des Kindes vor solchen Erlebnissen noch relativ gering. Dazu zählen die Beobachtung der untergehenden und wieder aufgehenden Sonne, das Einschlafen und Wiederaufwachen, die Beobachtung der Jahreszeiten und des Werdens und Vergehens in der Natur etc. Als Beispiel sei zudem der Beginn des Besuchs des Kindergartens genannt ; ich kann mich selbst noch - wenn auch nur schwer - daran erinnern, daß meine Mutter in den ersten Tagen erhebliche Mühe hatte, mich zu motivieren, allein im Kindergarten zu bleiben. Im Laufe der Zeit lernte ich jedoch, daß ich mich darauf verlassen konnte, mittags wieder von ihr abgeholt zu wer den; daher nahm ich die räumliche und zeitliche Trennung von meiner, zu diesem Zeitpunkt wichtigsten, Bezugsperson zunehmend an. Diese Erfahrung machen Erzieherinnen und Erzieher im Kindergarten immer wieder; das Beispiel zeigt aber auch, daß für eine "gesunde" emotionale Entwicklung des Kindes die Entwicklung von Vertrauen absolut notwendig ist.

Vertrauen ist v. a. im Kontext pädagogischer Faktoren in der Entwicklung des kindlichen Todesverständnisses von Bedeutung, da es maßgeblich Einfluß darauf hat, wie sehr sich ein Kind auf die Aussagen, das Verhalten und das affektive Verstehen ihrer unmittelbaren Bezugspersonen verlassen kann. Die Forderung, Sterbeerziehung müsse zunächst emotional und dann intellektuell verlaufen , muß also indirekt das Erziehungsziel "Vertrauen schaffen" bzw.

"vertrauen können" implizieren, denn "je tiefer das Urvertrauen des Kindes ist, um so weniger ist später das Todesbewußtsein mit Angst behaftet" . Die folgende Zeichnung der neunjährigen Martina stellt einen Lebensweg dar, der von Liebe und Vertrauen geprägt ist; in ihrem Fall scheint dem Kind das Umfeld den Tod nicht als Schrecken, sondern als Wirklichkeit, die zum Leben gehört, vermittelt zu haben.

 

Bild 7: Zeichnung von Martina, 9 Jahre

 

Da das Zeitverständnis des Kleinkindes noch nicht linear zu bezeichnen ist und das Kind diesen Alters zudem noch nicht die kognitive Einsicht in das Wesen des Todes gewonnen hat, erlebt es jede Trennung von nahestehenden Personen, von liebgewonnenen Objekten (Spielzeug, Tiere etc.), von gewohnten Tagesabläufen, Lebensgewohnheiten oder Lebensräumen als "kleine" bzw. "innere Tode" . "Diese Trennungserfahrungen des Kindes sind im emotionalen Bereich insofern mit einer konkreten Todeserfahrung vergleichbar, weil im Erleben und in den Reaktionen des Kindes kaum Unterschiede festzustellen sind."

Kleinkinder sind durch den Tod durchaus affektiv betroffen. Durch die Parallelisierung bzw. Gleichsetzung von Tod und Trennung, sind diese Gefühle in der Regel negativ besetzt. Kinder in diesem Alter zeigen eine gewisse sachliche Neugierde und sind nicht zwangsläufig durch Todesfälle stark betroffen, da sie die Irreversibilität dieses Geschehens noch nicht erfassen. Ihre Erfahrung mit dem "Tod" und ihre Beobachtungen geben ihnen jedoch erste Eindrücke von der Dramatik des Todes, woraus sich zunehmend die Todesangst entwickelt.

Diese verstärkt sich im Laufe der Zeit; gerade ab dem fünften Lebensjahr ist die Angst, die Mutter bzw. die nächsten Bezugspersonen könnten sterben, besonders groß. Das Kind erfährt zudem weitere Details über den Vorgang des Sterbens bzw. die Merkmale des Todes; auch der Unterschied zwischen belebten und unbelebten Dingen wird dem Kind deutlich (vgl. psychologisches Kausalverständnis). Durch diese bessere Kenntnis der Realität des Todes im Laufe der kognitiven Entwicklung "verbindet sich mit der Furcht vor dem Tode die Furcht vor den Schmerzen der Krankheit und vor den Leiden des Sterbens" ( Daß die Unannehmbarkeit des Gedankens, der Körper würde mit dem Tod zerfallen, zu Gedanken an die Unsterblichkeit und Seelenwanderung führt, habe ich bereits ausgeführt.).

Die Todesangst vergrößert sich aber im wesentlichen durch die beginnende Erkenntnis der Irreversibilität und der Personifizierung des Todes. Damit verbunden ist die Loslösung von der magischen Kausalität und der Einsicht, keine Macht über den Tod zu haben. Abhängig von seinen individuellen Erfahrungen wird das Kind erkennen, daß niemand - auch die als omnipotent geltenden Eltern nicht - den Verlust rückgängig machen kann. Diese Erkenntnis ist eng verbunden mit der Entdeckung des linearen Zeitgefühls. Nunmehr wird der Tod als aggressive Macht empfunden, die von außen in das Leben des Kindes eingreift (moralisches Kausalverständnis). Zwar glaubt das Kind, unter bestimmten Umständen könne man dieser Macht entwischen, doch bereitet ihm die Vorstellung vom personifizierten Tod durchaus Furcht.

Diese Furcht vergrößert sich noch einmal, sobald dem Kind die Universalität des Todes bewußt wird und es erkennen muß, daß jeder Mensch vom Tod betroffen ist. Diese Tatsache wird dem Kind von seiner Umwelt zumeist so lang als möglich verschwiegen. Der Umgang seiner sozialen Umwelt mit dem Tod (Stichwort "verbotener Tod") führt dazu, daß "das Kind das Geheimnis (quält). Es hat oft vom Tode gehört, ihn vielleicht auch schon in der Familie miterlebt, aber es kann sich keine Vorstellung von ihm machen ... Es ist dem Kinde unverständlich, daß es Probleme gibt, auf die man keine Antwort hat. Da der Erwachsene ihm keine Auskunft gibt, nimmt es an, er wolle ihm ausweichen und es handele sich um etwas Furchtbares."

Es ist also ersichtlich, daß Todesangst beim heranwachsenden Kind sowohl durch genauere Kenntnis des biologischen Vorgangs und der Angst vor den Schmerzen während des Sterbens, durch zunehmende Kenntnis über das Ausmaß des Todes für die Betroffenen als auch über die Unkenntnis über bestimmte Aspekte des Todes entsteht. Dieser Unkenntnis versucht das Kind Abhilfe zu schaffen, indem es ab dem achten Lebensjahr vermehrt nach der Zeit nach dem Tod fragt bzw. eigene Konzepte (vgl. Kapitel 2.1.4.) entwickelt. In diesem Stadium beginnt sich nicht nur das kognitive Todesverständnis des Kindes dem der Erwachsenen anzugleichen; auch die Todesangst ähnelt zunehmend der Todesangst der Erwachsenen und deren affektiver Besetzung des Todes (vgl. Kapitel 1.3.).

In diesem Alter beginnt das Kind, sich selbst vor der Angst vor dem Tod zu schützen. Dazu dienen tröstliche Lehren über das Jenseits wie z. B. die christliche Auferstehungslehre, aber auch die Verdrängung der Angst durch den Glauben an die eigene Unsterblichkeit oder durch die nachlassende Beschäftigung mit der Thematik des Todes (vgl. Kapitel 2.1.4.).

Dennoch werden "erst in der Zeit des pubertären Prozesses Abwehrmechanismen aufgebaut, um das schwache Ich vor zu starken Affekten der Angst zu schützen" . Die Schutztechniken der Erwachsenen werden zwar bereits im Grundschulalter kopiert und imitiert, so daß sich viele Erwachsene über die relative Affektlosigkeit von Kindern angesichts des Todes wundern, doch werden sie erst im Laufe der Identitätsfindung in der Jugendzeit perfektioniert. Im

Hinblick auf anstehende pädagogische Schlußfolgerungen sollte man jedoch festhalten, daß ein veränderter Umgang mit Tod und Sterben (vgl. Kapitel 1.4.) in unserer Gesellschaft erst erreicht werden kann, wenn bereits Kinder lernen, angstfreier mit dieser Thematik umzugehen. Dies würde die Fähigkeit zur Kommunikation, das Eingestehen der Unwissenheit und der eigenen Ängste und die Diskussion über unterschiedliche Antworten auf Sinnfragen seitens der Erziehenden voraussetzen, um sie gleichermaßen bei Kindern zu schaffen. Auch wenn dies vielen Erwachsenen jene Angst bereitet, die im Laufe ihres Lebens erlernt und verstärkt wurde, so würde das Ergebnis aber ein verändertes Lebenskonzept sein.

2.3. Das kindliche Trauerverhalten

Das Trauerverhalten von Kindern muß immer im Kontext ihres Alters, ihrer kognitiven und emotionalen Entwicklung und ihres sozialen und situativen Umfelds betrachtet werden. Aufgrund der großen Komplexität der Thematik habe ich in diesem Kapitel bewußt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, sondern möchte nur einige wesentliche Punkte ansprechen.

Um über das kindliche Trauerverhalten sprechen zu können, bedarf es einer Definition des Begriffs "Trauer". Ich werde im folgenden unter "Trauer" und "Trauerarbeit" die affektiven Reaktionen eines Kindes bzw. Menschen auf einen schmerzhaften Verlust verstehen, die unter Umständen zu Störungen des psychischen, physischen und sozialen Gleichgewichts des Betroffenen führen können. Die affektiven Reaktionen sind die seelischen Arbeiten, um den Verlust des Liebesobjekts zu verarbeiten, die aber durchaus körperlich zu spüren sind (Weinen, verminderte Leistungsfähigkeit, Eß- und Schlafstörungen etc.).

Trauer sei "aber nur möglich, wenn der Trauernde begreift, daß der Tote wirklich irreversibel tot ist" ; diese Aussage führt zu der Schlußfolgerung, Kinder, die aufgrund ihrer kognitiven Entwicklung die Unumkehrbarkeit des Todes noch nicht erfaßt haben, seien nicht fähig, Trauer zu empfinden. Das Bewußtsein über die Endlichkeit des Lebens sei die Voraussetzung für die geistig - seelische Fähigkeit zu trauern ; notwendig für die Trauerarbeit seien "die Sprachbeherrschung und die Symbolisierung, der Begriff der Zeit in den drei Dimensionen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, sowie ein Kausalverständnis von Ursache und Wirkung" .

Berücksichtigt man die bisherigen Ergebnisse, hieße das, Kinder seien erst etwa ab dem Alter von sechs Jahren fähig, Trauerarbeit zu leisten. Ich sehe in dieser Feststellung erneut die Gefahr, Vorstellungen und Definitionen Erwachsener auf die kindliche Realität zu übertragen und dabei wesentliche Faktoren des Realitätsempfindens der Kinder zu übersehen. So ist z. B. für Kinder, die um Geschwister trauern typisch, "daß sie immer mal wieder und über sehr lange Zeiträume trauern, daß die verstorbenen Geschwisterkinder in ihrer Gedankenwelt eine Rolle spielen und daß sie gern über ihre verstorbenen Geschwister sprechen, wenn sich ein Anlaß dafür bietet" . Beispiele zeigen, daß kleinere Kinder zwar nicht die Irreversibilität des Todes erkennen, aber ihnen dennoch die Tragik des Verlustes bewußt ist. Ihr Trauerverhalten ist in seinem zeitlichen Bezug insofern nicht mit dem der Erwachsenen vergl eichbar. Während Erwachsene in der Regel darüber trauern, daß die Beziehung zu dem verlorenen Objekt in der Zukunft nicht mehr wieder herzustellen sein wird, trauern Kinder um den aktuell konkret erlebten Verlustschmerz. Da ihr Zeitempfinden nicht abstrakt - linear, sondern im wesentlichen persönlich ist, orientiert sich ihre Trauer folglich sehr viel stärker an der Gegenwart und der momentanen Trennung.

Dies bedeutet nicht, daß die (klein-) kindliche Trauer von geringerer emotionaler Bedeutung ist als die Trauer Erwachsener; vielmehr beschreiben "einige Eltern bei ihren Kindern in der Trauerzeit eine größere Anschmiegsamkeit, eine stärkere Introvertiertheit, häufiges Weinen" . Es ist also durchaus möglich, daß für die Augen vieler Erwachsener das Wesentliche im kindlichen Trauerverhalten unsichtbar ist, wenngleich "intensive Nachforschungen ... ergeben, daß Kinder oft tiefere und länger dauernde Trauer empfinden als Erwachsene" .

Berücksichtigt man jedoch, daß gerade kleinere Kinder auf die Hilfe der Erwachsenen in ihrer Trauerarbeit und die Bewältigung ihrer Ängste angewiesen sind, spürt man die Gefahr, die aus der Verleugnung kindlicher Trauer erwächst. Es ist folglich gänzlich falsch, kindliche Trauer zu verleugnen oder aber zu unterdrücken, denn Kinder können "sich nur dann von dem verlorenen Liebesobjekt lösen, wenn sie ihre Gefühle gegenüber dem Verstorbenen offen zeigen dürfen und hierbei von den Erwachsenen unterstützt werden", denn erst, "wenn das Kind den Verlust einer geliebten Person vollständig verarbeitet hat, zeigt es im allgemeinen auch die Bereitschaft zum Aufbau einer neuen Bindung" .

Da Kinder in ihrem Realitätsempfinden nicht abstrakt - logisch, sondern sehr viel stärker emotional geprägt sind, ist die emotionale Verbundenheit mit dem verlorenen Liebesobjekt eine wichtige Voraussetzung, damit Kinder Trauer empfinden können. Gleichzeitig muß die Hilfe durch Erwachsenen sehr viel stärker die emotionale Ebene des Kindes ansprechen, da "Kinder und Jugendliche sehr viel sensibler auf alle Begleitumstände des erlittenen Verlustes reagieren" . Ihre Gefühle reichen von Wut und Enttäuschung, da sie sich im Stich gelassen fühlen, über Schuldgefühle und Selbstvorwürfe, da ein Kind glauben kann, es habe den Tod durch magische Kräfte selbst herbeigeführt, bis hin zu übertriebener Identifikation und Idealisieren der verstorbenen Person. Auf den emotionalen Beistand kann die Aufklärung über Todesursachen bzw. die Endlichkeit des Lebens folgen, um den Tod nicht zu verschleiern oder zu besch&oum l;nigen und damit eine angemessene Verarbeitung des Verlusterlebnisses zu erschweren.

Je weiter ein Kind in seiner kognitiven Entwicklung fortgeschritten ist, desto mehr nähert sich sein Trauerverhalten dem der Erwachsenen an. Aus den bisherigen Ausführungen ist aber sichtbar geworden, wie der Umgang mit der kindlichen Trauer und dem kindlichen Erleben von Sterben und Tod beeinflußbar ist durch das Verhalten der prägenden Bezugspersonen bzw. Sozialisationsinstanzen. Ein Kind kann bereits in frühen Jahren erste Trauererfahrungen sammeln und seine Umwelt kann ihm helfen, diese angemessen zu verarbeiten. Trauererfahrungen können zudem die Entwicklung eines Verständnisses vom Tod unterstützen.

Es ist wichtig, festzuhalten, daß frühe Trauerarbeit bzw. mit der Hilfe Erwachsener angemessen verarbeitete Verlusterlebnisse eine wichtige Stütze für das weitere Leben eines Kindes sein kann. Sofern es gelernt hat, seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen, den Verlust zu betrauern, aber damit auch gleichzeitig Abschied zu nehmen, um eine neue Beziehung aufbauen zu können, wird der heranwachsende Mensch sehr viel sicherer mit Verlusterfahrungen und der verbundenen Trauer umgehen können. In der Sozialarbeit trifft man jedoch immer wieder auf Menschen, die große Schwierigkeiten haben, Trauerarbeit zu leisten und oftmals sind die beruflichen Helfer aufgrund ihrer eigenen Probleme damit nur schwer in der Lage, helfend zur Seite zu stehen.

Für Erwachsene bieten sich vielfältige Möglichkeiten mit dem Kind im Laufe seiner Entwicklung zu trauern bzw. Trauerarbeit zu erlernen. Auslösende Faktoren müssen dafür nicht zwangsläufig der Verlust eines nahestehenden Menschen sein, jedoch sollte man bei einem Todesfall ein Kind auch nicht pro forma ausschließen, sondern teilhaben lassen. Häufig bieten sich jedoch "Ersatzverluste" an, die man gemeinsam mit dem Kind betrauern kann. Die mannigfaltigen Verluste, die ein Kind erleben kann, habe ich bereits angeführt, "die Gefühle des Kindes müssen (in allen Fällen) respektiert werden und ihm sollte erlaubt sein, zu trauern" .

Entsprechend seiner kognitiven Entwicklung können Erwachsene dem Kind helfen, Verlusterfahrungen bzw. Konfrontationen mit dem Tod in sein Verständnis vom Tod zu integrieren. Dazu zählt gleichermaßen die Entdeckung der Irreversibilität des Todes wie auch der Umstand, daß das Kind irgendwann selbst einmal durch den Tod betroffen sein wird. Dabei ist es wichtig, die eigene Betroffenheit einzugestehen. Im Falle eines schwereren Verlustes, z. B. durch Tod eines Elternteils, ist die kindliche Trauerarbeit eben nicht nur vom Fortbestand sicherer Beziehungen, sondern auch vom gemeinsamen Ausleben und Ausdrücken der Trauergefühle in der Trauergemeinschaft abhängig.

 

2.4. Pädagogische Überlegungen zur Entwicklung des kindlichen Todeskonzeptes

In den Ausführungen über die kognitive und emotionale Entwicklung des kindlichen Todesverständnisses ist bereits die pädagogische Bedeutung des Einflusses der Erwachsenen angedeutet worden. Den bisherigen Ergebnissen folgend komme ich zu dem Schluß, daß die Anpassung der kindlichen Sichtweise von Tod und Sterben, die spätestens im Verlaufe der Pubertät einsetzt, in erheblichem Maße von Sozialisationseinflüssen abhängig ist (vgl. hierzu Teil 1); "dadurch aber sind Individuen bei der Bewältigung von Sterben und Tod anhängig von der gesellschaftlichen Sinndeutung des Lebensendes" .

Es ist erkennbar, daß Kinder eine durchaus eigene Sichtweise der Welt haben; sie haben ein eigenes Zeitverständnis, eigene Ängste und Schutzmechanismen. Darüber hinaus wissen, spüren und fühlen sie zumeist mehr, als die Erwachsenen ahnen (vgl. Zitat von Jaques Lusseyran zu Beginn der Arbeit). Erwachsene können in der Sterbeerziehung, die oftmals gar nicht existiert (was aber auch eine Form der Erziehung bzw. von Sozialisation ist), durch ihren persönlichen Umgang mit Sterben und Tod kindliche Todesangst produzieren oder verstärken, Trauerarbeit verhindern oder erschweren, die Entwicklung eines Verständnisses über die Realität des Todes unterdrücken oder verzerren. Sterbeerziehung kann aber auch das Gegenteil erreichen; dabei muß sie sich am emotionalen und kognitiven Entwicklungsstand des Kindes orientieren. Das Wissen um die bisherigen Ergebnisse kann dabei zum besseren Verständnis des Kindes bzw. zu einer den in dividuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten des Kindes adäquaten Erziehung beitragen.

Meinn Anliegen ist es, einen veränderten Umgang mit Sterben und Tod anzuregen. Bevor dies zu pädagogischen Konsequenzen führt, muß sicherlich der erste Schritt sein, sich selbst mit seinen eigenen Ängsten und Vorstellungen mit dem Tod auseinanderzusetzen. Die persönliche Auseinandersetzung mit der Thematik des Todes könnte für viele Erwachsenen auch erst in der Beschäftigung mit Kindern einsetzen. Daher ist für eine Sterbeerziehung, die alle Beteiligten ansprechen und involvieren soll, die offene Kommunikation und der ehrliche Umgang mit den eigenen Gefühlen absolut notwendig. Der vierte Teil dieser Arbeit soll schließlich medienpädagogische Möglichkeiten eröffnen, mit Kindern ins Gespräch zu kommen.

Im folgenden wird die Rolle bzw. die Bedeutung einzelner Sozialisationsinstanzen in der Sterbeerziehung erläutert und entsprechende pädagogische Konsequenzen für den Alltag abgeleitet. In der Darstellung beschränke ich mich auf die Beschreibung der Rolle der Eltern, des Kindergartens und der Schule sowie des Einflusses von Massenmedien in der modernen "Kommunikationsgesellschaft" , denn ehe das Kind "zu einer Vorstellung vom Tode gelangt, scheint es nur zu wiederholen, was es von Eltern oder Lehrern gehört hat" . Um die Thematik zu begrenzen, wird die Bedeutung der Peer-Goups, der weiteren Verwandten und Geschwister usw. unbeachtet bleiben.

 

2.4.1. Die Rolle der Eltern

Erich Stern stellt u. a. fest, daß das Verständnis des Todes und die Einstellung zu ihm beim Kind "in der Hauptsache davon (abhängt), wie die Umgebung sich verhält, was sie dem Kinde über den Tod sagt und wie sich die äußere Situation für das Kind gestaltet." Den Eltern kommt in der Bedeutung der Umwelt eine besondere Rolle bei. Die Eltern sind die ersten Bezugspersonen des Kindes, sie sind Identifikationspersonen und im größten Maße für die Erziehung des Kindes verantwortlich. Ich werde im folgenden nicht zwischen Mutter und Vater unterscheiden, denn ich denke, beide Elternteile können gleichermaßen erzieherische Verantwortung im Hinblick auf ein Verständnis

des Todes übernehmen . Zwar wird gemeinhin angenommen, die Mutter sei in besonderem Maße für die emotionale Entwicklung des Kindes zuständig, da man Frauen eher als Männern zugesteht, emotional denken und handeln zu können, doch sind Väter zu gleichen Erziehungsprozesssen in der Lage, sofern sie gleichermaßen ihren Ängsten und Vorstellungen zugänglich sind.

Der Tod kann innerhalb des Familienverbandes auf unterschiedliche Weise zum Thema werden; sei es, daß das Haustier stirbt, Kinder die Natur beobachten und entsprechende Nachfragen stellen; "den ersten Anlaß, sich mit dem Tode zu beschäftigen, bildet für das Kind oft der Tod eines nahen Verwandten oder eine Erkrankung, durch die sich das Kind bedroht fühlt oder die Eltern sehr besorgt um sich sieht." Ebenso können Eltern den Tod selbständig thematisieren (vgl. Teil 4). In jedem Fall sollten die Eltern im Gespräch mit ihrem Kind seinen individuellen Entwicklungsstand (vgl. Kapitel 2.1. bis 2.2.) und den Umfang und den Charakter seiner Angst vor dem Tod berücksichtigen.

Dabei können Eltern ohne weiteres zugeben, wenn sie selber keine Antworten wissen oder mit ihrer eigenen Angst konfrontiert werden. Das Verhalten vieler Eltern hat einen doppelseitigen Charakter; es zeigt sich zum einen "in der Bemühung, die kindliche Unschuld vor Schmerz zu beschützen" und so der Wirklichkeit auszuweichen, indem Kinder "auf später vertröstet (werden). Als sei der Tod etwas, das erst am Ende eines Lebens, viel später gleichsam, hinzugefügt wird." Neben diesem Beschützungseffekt hat ein solches Verhalten aber auch eine Vergrößerung der Angst der Kinder vor Sterben und Tod zur Folge, denn nichts quält sie mehr als die Unwissenheit über die Vorgänge des Todes. In ihrer Phantasie entwickeln sie vielmehr furchterregende Gedanken zum Tode, die Angst vor dem "Sensenmann" ist ein Zeugnis für diesen Vorgang. "Es ist ebenso ungünstig, das Kind zu überfordern, wie es im Ungewissen zu lassen."

Eltern haben zwar einerseits die Vorstellung, "daß die Kindheit eine Lebensphase ist, in der die Kinder unbeschwert und fernab von der rauhen Wirklichkeit ihr eigenes behütetes Leben vollziehen können." Sie verkennen dabei häufig das Wissen des Kindes über den Tod (s. Jaques Lusseyran und Antoine de Saint - Exupéry), denn "Kinder wissen schon viel früher als oft angenommen auf direkte und indirekte Weise vom Tod, und zwar auf der Gefühlsebene" ; andererseits weichen "Eltern und Erzieher (auch deshalb) einem Gespräch mit Kindern über Sterben und Tod aus, um sich selbst zu schonen" .

Wenn man an den Umgang mit Sterben und Tod in den vergangenen Jahrhunderten denkt , so waren Kinder früher nahezu alltäglich mit dem Tod konfrontiert. Der Tod war Bestandteil des Lebens und aufgrund der Beschränkung medizinischer Möglichkeiten an der Tagesordnung. Kinder nahmen am Sterbeprozeß und am Tod teil; im Zuge der Verdrängung des Todes in der modernen Gesellschaft kam man aber zu dieser angeführten Ansicht, Kinder - und sich selbst - vor der Realität des Todes und seiner eigenen Endlichkeit schützen zu müssen.

Es stellt sich aber die Frage, ob eine (Sterbe-) Erziehung, die auf Wahrheit und Ehrlichkeit gründet, "dann zum Tod erziehen und ausgehen (muß) von der Endlichkeit ? Wenn wir eine Erziehung im Einklang mit dem Menschen entwickeln wollen, dann müssen wir dies bejahen. Folglich ist eine Erziehung, die von der Endlichkeit, vom Bewußtsein der (eigenen) Endlichkeit ausgeht, eine authentische Erziehung, d. h. eine Erziehung im Einklang mit dem Sein, mit der Wahrheit"; zumal "wir zur Schaffung von einzigartigen, einmaligen und unwiederholbaren Wesen erziehen, indem wir zur Endlichkeit erziehen." Würde sich das Denken der Erziehenden dementsprechend ändern , würde gleichzeitig der Aspekt der Hoffnung freigelegt werden, die mit der Endlichkeit untrennbar verbunden ist. "Die Hoffnung ist die einzige und letzte Möglichkeit, gleichzeitig die Wahrheit des Todes und die (teilweise) Überwindung der Angst zu retten." "Wer den Tod in sein Leben einbezieht, wer sich mit ihm arrangiert, lebt bewußter, bekommt ein neues Verständnis zur Zeit und relativiert seine Möglichkeiten, Stärken, sein übersteigertes Selbstbewußtsein und seine Überlegenheit." (Eine Aussage von besonderem Gewicht in unserer modernen Gesellschaft.)

Den Eltern kommt im Prozeß der Sterbeerziehung deshalb eine besondere Rolle zu, weil sie in der Regel die prägenden Erziehungspersonen im Leben des Kindes sind. Sie sind diejenigen, die zumeist als erste mit den Fragen des Kindes überschüttet werden, und diejenigen, deren Verhalten am ehesten abgeschaut wird. Daher sollten Eltern bei Fragen nach dem Tod nicht nur ehrlich sein und "zur Wahrheit", d. h. zur Endlichkeit, erziehen, sondern sie sollten auch nicht ausweichen und den spontanen Kinderfragen genügend Zeit widmen. Das Gespräch sollte sich am emotionalen und kognitiven Entwicklungsstand des Kindes orientieren und ausreichende und zufriedenstellende Erklärungen beinhalten; der Abschluß sollte offen sein, um dem Kind das Gefühl zu geben, jederzeit erneut fragen zu dürfen.

Darüber hinaus sollten Kinder nicht von Sterbeprozessen oder Begräbnissen prinzipiell ausgeschlossen werden und ihnen sollte Trauer erlaubt sein, die gemeinsam im Familienverband ausgelebt wird. Denn es sind "eben nicht die Worte und erlernten Konzepte der Erwachsenen, die dem Kind im Erlebnis des Todes helfen oder es verzweifelt allein lassen, sondern die Gefühlsäußerungen und das Verhalten der Umgebung, aus denen entweder Trost oder die lange und schmerzliche Hilflosigkeit unbewältigter Trauer für das Kind erwachsen" .

Ein solches Verhalten kann das Kind unterstützen, angstfreier mit Tod und Sterben umzugehen; dazu zählt auch die Vermeidung von Todesdrohungen bzw. die Hinderung des Kindes, zu leben, um es vor dem Tod zu schützen. Als Anregung für Eltern, sich diesbezüglich selbst kritisch zu betrachten, könnte das kürzeste Märchen der Gebrüder Grimm dienen :

"Es war einmal ein Kind eigensinnig und tat nicht, was seine Mutter haben wollte. Darum hatte der liebe Gott kein Wohlgefallen an ihm und ließ es krank werden und kein Arzt konnte ihm helfen und in kurzem lag es auf dem Totenbettchen. Als es nun ins Grab versenkt und die Erde über es hingedeckt war, so kam auf einmal sein Ärmchen wieder hervor und reichte in die Höhe, und wenn sie es hineinlegten und frische Erde darauf taten, so half das nicht, und das Ärmchen kam wieder heraus. Da mußte die Mutter selbst zum Grabe gehen und mit der Rute auf das Ärmchen schlagen, und das Kind hatte nun erst Ruhe unter der Erde."

Dieses Märchen zählt eindeutig nicht zu denen, die angeraten sind, Kindern im Hinblick auf ihr Verständnis von Sterben und Tod erzählt zu werden. Ich möchte keinen pädagogischen Exkurs über Erziehungsziele und -methoden schreiben, sondern lediglich die Kausalverständnisse nach Piaget ins Gedächtnis rufen (s. Kapitel 2.1.1.). Dieses Märchen spricht insbesondere das finalistische und moralische Denken des Kindes an (Gott mißfällt das Verhalten des Kindes, also muß es sterben) und würde (vorhandene) Ängste des Kindes sowohl gegenüber dem Tod als auch gegenüber dem Leben begründen bzw. verstärken.

Möchten Eltern jedoch ein positives Verhältnis des Kindes zum Leben schaffen, müssen sie Hoffnung schaffen und Angst lindern. Einen wichtigen Schritt dorthin habe ich bereits aufgezeigt; der Glaube an Gott kann ein weiteres Element einer solchen Sterbeerziehung sein, wenngleich dieser heute nicht mehr jeden Menschen erreicht. Die (christlichen) Begriffe "Himmel" und "Hölle" sind jedoch fest in unserem Sprachgebrauch verankert; die meisten Menschen haben eine bildliche Vorstellung von diesen zwei Zuständen, die sich auch in vielen Kinderbildern findet (vgl. z. B. das Titelbild dieser Diplomarbeit). Wenn man in der Sterbeerziehung also diese zwei Begriffe verwenden muß, dann sollte man sie meiner Meinung nach inhaltlich folgendermaßen füllen: Während die Hölle der Zustand der totalen Lieblosigkeit und Beziehungslosigkeit ist, stellt sich der Himmel im Gegenteil dar, in der Liebe und in Beziehungsreichtum (vgl. "Der kleine Prinz").

 

2.4.2. Die Rolle des Kindergartens

Für Erzieher in Kindergarten und Schule gelten im Umgang mit Sterben und Tod prinzipiell dieselben pädagogischen Forderungen wie für Eltern bezüglich Wahrhaftigkeit, Behutsamkeit, Emotionalität etc.

Der Kindergarten erfüllt jedoch eine andere Funktion als die Eltern. Er ist eine familienergänzende und unterstützende Institution. Daraus folgt, daß die Erzieher und Erzieherinnen in engem Kontakt mit den Eltern stehen müssen. Es erfolgt dementsprechend ein regelmäßiger, z. T. täglicher, Austausch über Vorkommnisse im Kindergarten, über mögliche besondere Ereignisse etc. Bedenkt man die Tabuisierung des Todes und die Vorsicht, mit der viele Eltern diese Thematik anfassen, erscheint es um so notwendiger, diese in mögliche Prozesse oder Projekte innerhalb des Kindergartens zu involvieren oder sie zumindest darüber zu informieren.

Eines der Ziele des Kindergartens ist es, dem Kind bei der Bewältigung seiner gegenwärtigen und damit auch zukünftigen Lebenssituation zu helfen. Dies beinhaltet, "daß die Lern- und Entwicklungsfähigkeit aller Kinder erhöht und umweltbedingte Lernnachteile durch Anregungen im Kindergarten ausgeglichen werden sollen. Es ist daher eine wesentliche Aufgabe des Kindergartens, das Selbstvertrauen eines jeden Kindes zu stärken sowie seine Lernfreude, seine Freude am Entdecken und Experimentieren zu unterstützen" . Im Kindergarten können also durchaus Situationen und Erlebnisse der Kinder thematisiert werden, die im Elternhaus unberücksichtigt bleiben. Ein Gespräch über das, was "tot" eigentlich bedeutet, kann sich demnach z. B. durch konkrete Spielsituationen anbahnen.

Solche Gespräche können darüber hinaus durch das Fragen nach bestimmten Lebenssituationen (Geburt, Krankheit, Krankenhausaufenthalte, Tod) initiiert werden. Die Erzieher müssen sich dabei jedoch an den Entwicklungsstufen der betreuten Kinder orientieren. Aufgrund der mangelnden kognitiven Einsicht der Kinder in die Realität des Todes können die Ziele solcher Gespräche z. B. die Unterscheidung von Lebendigem und Totem oder das Verständnis von Sterben und Tod als natürlichen Prozeß sein.

Wie ich aus einem Gespräch mit der Erzieherin Frau Oberhaus entnehmen konnte, wird den Erziehern oft bewußt, daß die Kinder auch in diesem Alter bereits viele Dinge im Zusammenhang mit Sterben und Tod (z. B. das Tragen der schwarzen Trauerkleidung) kennen und wissen. Dies deckt sich mit den Thesen aus den vorangegangenen Kapiteln; das Thema "Sterben und Tod" ist somit bereits für den Kindergarten relevant. Als notwendige Voraussetzung halte ich abschließend für die Behandlung dieser Thematik im Kindergarten, d. h. in dem Alter, in dem die Kinder sich stark mit dem Tod - jedoch mehr emotional denn rational - beschäftigen, daß "Erzieher den Kindern nicht etwas erzählen, wovon sie selbst nicht überzeugt sind" .

 

2.4.3. Die Rolle der Schule

Hinsichtlich der kognitiven Entwicklung des Kindes kommt der Schule insofern eine besondere Rolle zu, da mit dem Schulbeginn die Entwicklung des linearen Zeitgefühls beginnt. Im folgenden soll gezeigt werden, welche Räume sich im Schulalltag finden lassen, um über die Thematik "Sterben und Tod" ins Gespräch zu kommen , so daß keine Analyse der Lehrpläne einzelner Fächer zu dieser Thematik vorgelegt wird .

Ein solcher Raum bietet sich zumeist in den Fällen, in denen entweder Schüler, Lehrer oder beide konkret mit dem Tod konfrontiert sind. Dabei ist ebenfalls Offenheit und Ehrlichkeit seitens des Erziehenden notwendig, denn so wird Interesse geweckt und "der Lehrer ist runter vom Podest. Hier geht es um Beziehung, um Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben."

Diese Auseinandersetzung kann in der Schule auch durch andere Formen des Ausdrucks angestrebt werden. Zwar benötigen Kinder bei ihrer Trauerarbeit der Unterstützung, doch das Annehmen solcher Hilfe bedarf des Vertrauens. Sofern dies vorhanden ist, bieten sich Möglichkeiten, nach neuen Wegen des gemeinsamen Umgangs mit der Todesangst zu suchen.

Eine Möglichkeit ist die sprachliche Ausdrucksform der Lyrik, die "wie Malerei und Musik mit Bildern und Metaphern (arbeitet), die öffnen und gleichzeitig schützen" . Im Umgang mit der Sprache können Gefühle umgewandelt werden, denn Kinder stehen auch der Sprache stärker emotional denn rational gegenüber. Sie haben einen spontanen Zugang zu Metaphern, die ihre eigene Persönlichkeit umschreiben. "Seinen eigenen Schmerz durch das ästhetische Mittel der Sprache verwandelt zu erleben und das Bewußtsein, an diesem Schaffungs- und Gestaltungsprozeß aktiv beteiligt gewesen zu sein, das hebt das Selbstwertgefühl und setzt neue Kräfte frei." Es ist jedoch wichtig, daß sich Lehrer aus solchen Prozessen nicht völlig heraushalten, sondern vielmehr an ihnen aktiv teilnehmen; so arbeiten sie ihre eigenen Gefühle auf und schaffen gleichzeitig Vertrauen und das Gefühl seitens der Kinder, wichtig und ernst genommen zu w erden.

Eine Grenzsituation im Schulalltag ist z. B. der Tod eines Schülers. Wie eine Klasse zusammen mit dem Klassenlehrer eine solche Situation erlebt und verarbeitet, beschreibt Josef Breuers eindrucksvoll in einem Erfahrungsbericht . Er zeigt die Möglichkeit für die betroffenen Kinder und Lehrer auf, daß "mit dem Tod konfrontiert zu werden, für die meisten (bedeutete), auch ihr eigenes Leben gestalten zu lernen" . Darüber hinaus können diese Erfahrungen wichtige Bausteine in der Entwicklung des Todesverständnisses der Kinder sein.

Es wird also deutlich, daß auch im Schulalltag Erfahrungen mit Tod und Sterben erlebt werden können. Ich halte es sogar für unausweichlich, daß sich Schule dieser Thematik und der Herausforderung, sie im Gespräch mit den Heranwachsenden jeden Alters aufzugreifen, sofern der lateinische Satz noch gelten soll, an dem sich die Schulausbildung vermeintlich orientieren will: "Non scholae sed vitae discimus !" Wie könnte eine wahrhaftige Erziehung, die sich an diesem Leitsatz orientiert, annehmen, das Leben vom Tod trennen zu können ?

 

2.4.4. Die Bedeutung der Massenmedien

Die Massenmedien haben sich in unserer heutigen Gesellschaft zu einem großen Faktor hinsichtlich der Meinungsbildung, Information, Erziehung usw. entwickelt. Sie nehmen Einfluß auf gesellschaftliche und politische Strömungen durch die Art der Berichterstattung bzw. der Aufmachung bestimmter Themen, durch die Auswahl der thematisierten Bereiche unseres Lebens etc.

Der Umgang mit den Massenmedien und der Darstellung bestimmter Themen läßt aus pädagogischer Sicht zwei Möglichkeiten zu:

Erziehende können ihre Kinder völlig den Medien überlassen bzw. ihnen indirekt möglichst viel erzieherische Arbeit übertragen. Für einige Eltern scheint es einfacher zu sein, ihre Kinder ihrem Fernsehkonsum zu überlassen; Erzieher in Kindergarten und Grundschule berichten zunehmend von den Problemen, die sie nach den Wochenenden erwarten, an denen die Kinder regel- und übermäßig vor Fernsehern, Spielkonsolen, PCs u. ä. gesessen haben.

Medien können gezielt als pädagogische Hilfsmittel eingesetzt werden. Im vierten Teil dieser Arbeit möchte ich demzufolge medienpädagogische Aspekte der Kinderliteratur im Rahmen der Sterbeerziehung erläutern. Die Gratwanderung zwischen Reizüberflutung durch allzu viele Informationen, Bilder, Ge-
schichten etc. und dem entwicklungsadäquaten Umgang mit der Medienvielfalt ist für Eltern und / oder Erzieher leichter zu überstehen, wenn sie die Kinder nicht sich selbst überlassen, sondern ihnen beistehen, das Gesehene, Gehörte, Gelesene zu verarbeiten.

Die Medien, v. a. das Fernsehen, sind heute zu einer wichtigen Quelle des kindlichen Wissens um Sterben und Tod geworden. In den Auswirkungen wird z. B. darauf hingewiesen, "daß Kinder mit hohem Fernsehkonsum sehr viel häufiger unrealistische Todesvorstellungen hatten als Kinder, die wenig fernsehen" . Als Erklärung wird vermutet, "daß die Art der Darstellung von Tod und Sterben im Fernsehen Verdrängungs- und Assimilationsprozesse erleichtert" und "daß sich das Denken von intensiv fernsehenden Kindern mit der Zeit verändert", so daß "die Informationsverarbeitung infolge des starken Fernsehkonsums oberflächlicher und unsystematischer wird und daß Vorstellungskraft und Phantasietätigkeit eingeschränkt werden" .

Lediglich durch Medien - also indirekt - vermittelte Erfahrungen mit Tod und Sterben, insbesondere angesichts der betriebenen Todespornographie, erlauben größere Distanz und mindern die Intensität der Beschäftigung mit dem Tod. "Sollen deshalb Kinder sinnvolle Vorstellungen von Sterben und Tod entwickeln, sind sie darauf verwiesen, ihre Begegnungen mit dem Lebensende in sozialer Interaktion sprachlich und emotionell zu verarbeiten." Medieneinsatz vermindert also nicht, sondern erhöht die Erziehungsverantwortung von Eltern, Erziehern, Lehrern etc. Dies sollte insbesondere für die Sterbeerziehung und den möglichen Einsatz der Kinderliteratur gelten (vgl. Teil 4).

Exkurs: Das schwerkranke Kind

In den bisherigen Ausführungen habe ich ausschließlich Entwicklungslinien des Todesverständnisses bei gesunden Kindern nachgezeichnet. Ihnen stehen jene Kinder gegenüber, die aus verschiedensten Gründen zeitlich früher, quantitativ und qualitativ schwerwiegender und intensiver mit Tod und Sterben konfrontiert werden, z. B. Flüchtlinge vor Krisen in aller Welt oder schwerwiegend erkrankte Kinder.

Nahezu übereinstimmend wird festgestellt, daß bei Kindern mit einer tödlichen Erkrankung eine "vorzeitige Reifung" im Hinblick auf das Verständnis vom Tod stattfindet. Dies stützt die These, wonach sich das Verständnis vom Tod nicht ausschließlich als Ergebnis natürlicher Entwicklungsstadien darstellt, sondern in großem Maße abhängig ist von den Erfahrungen, die das Kind im Laufe seines Lebens sammelt. Eine eigene schwerwiegende Erkrankung mit möglichen längeren Krankenhausaufenthalten ist ein einschneidendes Ereignis im gewohnten Lebensablauf; während die betroffenen Kinder dadurch wesentlich schneller emotional und kognitiv reifen, versuchen Erwachsene - Eltern wie Erzieher oder Krankenhauspersonal - ihnen möglichst viel Schrecken vor ihrer Erkrankung zu nehmen und verschweigen ihnen oftmals genaueres Wissen um den Gesundheitszustand oder die eigenen Gefühle angesichts dieser Situation.

Eines der Hauptprobleme ist der Umstand, daß das Sterben in unserer Zeit durch den medizinischen Fortschritt zunehmend zu einem Problem des Alters geworden ist; Kindersterblichkeit wird gemeinhin als Randproblem betrachtet. So fällt es den meisten Erwachsenen folglich entsprechend schwer, den Tod eines Kindes oder eines jungen Menschen anzunehmen. Jemand hat nach heutiger Vorstellung sein Leben nur dann "gelebt", wenn er ausreichend Lebensjahre vorzuweisen hat.

Dennoch ist der Tod auch für junge Menschen durchaus ein Thema, sei es durch Krankheit oder durch Unfall. Bezogen auf 4080 Todesfälle bei Kindern und Jugendlichen in der Schweiz in den Jahren 1981 bis 1985, betrug "der Anteil der Krankheiten 65 %, während 35 % aller Todesfälle durch Unfälle und Gewalteinwirkungen verursacht wurden" . Zu den tödlichen Erkran-

kungen zählen u. a. Krebserkrankungen im Kindesalter. In Relation zu den jährlich diagnostizierten Krebserkrankungen treten davon ca. 1 % bei Kindern und Jugendlichen auf. "Etwa 10 bis zwölf von 100000 Kindern unter 15 Jahren erkranken jährlich in der Bundesrepublik, was einer Gesamtzahl von etwa 1200 Neuerkrankungen entspricht." Etwa die Hälfte davon sind Gehirntumore oder Leukämie.

Eine solche Erkrankung ist sicherlich eine extreme Situation für alle Beteiligten; dementsprechend findet sich einige Literatur, die sich mit dieser Thematik beschäftigt. Um es bei einem Exkurs zu belassen, werde ich nur einige Punkte herausgreifen und ansonsten auf jene Literatur verweisen. Dort finden sich intensivere Erläuterungen und praktische Ratschläge bezüglich des emotionalen Verarbeitens des Kindes, seiner möglichen Entwicklungsschwierigkeiten, seiner Bedürfnisse und Ängste aber auch bezüglich des Verhaltens in der Familie und des Umgangs mit der Situation im gesamten Familienverband.

Das sterbende Kind braucht den Beistand noch mehr als der Erwachsene: "Anwesenheit des Helfers, kontinuierliche Verfügbarkeit und viel Zeit; dazu gehört auch die Vermittlung einer geistigen Verbindung über den Tod hinaus" . Die Beziehungen des Kindes bekommen ein besonderes Gewicht und entscheiden darüber, ob es schwer oder leicht Abschied nehmen kann (vgl. "Der kleine Prinz"). Da sowohl Eltern als auch Pflegepersonal jedoch zumeist Schwierigkeiten mit ihrem eigenen Tod haben, fällt ihnen diese Beziehungsarbeit besonders schwer. Grundprinzipien sollten aber auch in diesen Situationen Offenheit, Ehrlichkeit und Vertrauen sein.

Man sollte jedoch um die vielfältigen psychosozialen Belastungen chronisch kranker oder schwerkranker Kinder wissen :

Diese Belastungen führen zu der bereits erwähnten vorzeitigen Reifung, aber auch zu intensivster Auseinandersetzung mit sich selbst. Schwerkranke Kinder sind emotional noch viel stärker durch den Tod belastet als gesunde Kinder; dies zeigen v. a. ihre Versuche, dies zu verbalisieren oder bildlich darzustellen. Einen eindrucksvollen Einblick in die Psyche krebskranker Kinder kann man in dem Buch "Fliege nicht eher als bis Dir Flügel gewachsen sind" bekommen, das auf der onkologischen Kinderstation des Universitätsklinikums Münster entstanden ist. Diesem Buch ist sowohl das Titelbild dieser Arbeit als auch das nachfolgende Bild entnommen.

 

Bild 8: Zeichnung von Mechthild Arping

 

 Alle Beteiligten eines kindlichen Sterbeprozesses bedürfen der Begleitung und Unterstützung. In solchen Fällen ist die persönliche Auseinandersetzung mit Sterben und Tod zumeist unausweichlich und Ziele der sozialarbeiterischen Hilfe sind, Belastungen zu mindern, Hoffnung zu wecken und Trauerarbeit zu ermöglichen. Für eine weitere Beschäftigung mit der Thematik sei auf die entsprechende Literatur, z. B. die Diplomarbeit des Fachbereichs Sozialarbeit "Tod zur Unzeit" von Sabine Kraatz, verwiesen.

Da die berufliche Sozialarbeit jedoch durchaus mit dieser Thematik beschäftigt sein kann, böte sich an dieser Stelle einmal mehr die Möglichkeit, sich ein wenig mehr zu professionalisieren und sich als adäquater Helfer für alle beteiligten Personen wie Eltern, Geschwister, Erzieher, Pflegepersonal etc. auszubilden.

Teil 3:

Praxis des kindlichen Todesverständnisses:

Projektarbeit des Hospizvereins Wattenscheid e. V.

 

 

 

Bild 9: Sara tröstet Ruth

Tod und Sterben spielen in der beruflichen Sozialarbeit eine eher untergeordnete Rolle. Die Thematik ist bestenfalls für diejenigen interessant, die in einem Arbeitsfeld tätig sind, in dem der Tod mehr oder weniger zum beruflichen Alltag gehört. Der Tod wird, wie bereits ausgeführt, nicht mehr als soziales Problem definiert und steht daher außerhalb vieler Arbeitsaufträge der professionellen Sozialarbeit.

Tod und Sterben bei Kinder und Jugendlichen bzw. deren Empfindungen und Einstellungen zu der Thematik sind in noch gravierenderer Form Randprobleme der Sozialarbeit. Sozialarbeit sollte jedoch nicht ausschließlich die Folgen bestimmter Mißverhältnisse, Fehlentwicklungen etc. behandeln, sondern durch-aus präventiv tätig sein. In Bezug auf Sterben und Tod könnte eine solche Präventivarbeit mittel- und langfristig zu einem veränderten Umgang (Stichwort "akzeptierter Tod") mit dem Tod in unserer Gesellschaft führen.

Eine solche Präventivarbeit darf sicherlich nicht allein an Kinder adressiert sein, sondern muß auch Eltern und Erzieher miteinbeziehen. Da die Thematik dieser Arbeit jedoch auf Kinder beschränkt ist, möchte ich an einem Beispiel aus der Praxis zeigen, wie die berufliche Sozialarbeit dazu beitragen kann, mit Kindern über Sterben und Tod ins Gespräch zu kommen.

Die Initiative für diese Projektarbeit, an der sich sieben Wattenscheider Kindergärten beteiligt haben, ging vom Hospizverein Wattenscheid e. V. aus. Die Arbeit des Hospizvereins umfaßt im wesentlichen die Betreuung von schwerkranken Patienten, bei denen keine curative Behandlung mehr erfolgen kann. Die Ehrenamtlichen des Hospizvereins sind bereit, Tages- und Nachtwachen am Krankenbett zu halten, bei Behördengängen zu helfen, Gespräche zu führen, bei Spaziergängen zu begleiten etc. Die Koordinierungs- und Beratungsstelle des Hopizvereins, die durch einen hauptamtlichen Sozialarbeiter besetzt ist, unterstützt bei der Koordination und Auswahl vorhandener Hilfsangebote, bei der Finanzierung der häuslichen Versorgung und der Trauerbewältigung.

Teil der Arbeit des Koordinators ist aber auch die Öffentlichkeitsarbeit, in deren Rahmen festgestellt wurde, daß es in der Öffentlichkeit nur eine geringe Bereitschaft gibt, sich präventiv mit der Thematik der Enttabuisierung von Abschied, Sterben und Tod auseinanderzusetzen. Vielmehr haben die Verdrängungs- und Abwehrmechanismen (vgl. Kapitel 1.4.2.1.) zu einer erhöhten Schwellenangst geführt, Angebote wie die des Hospizvereins anzunehmen.

Darüber hinaus konnte in der Angehörigenarbeit eine starke Unsicherheit festgestellt, ob und inwieweit Kinder mit der letzten Lebensphase eines Familienmitglieds konfrontiert werden sollten. Daraus entstanden häufig Trauerprobleme für das Kind, da es sich nicht auf seine eigene kindliche Art vom Sterbenden verabschieden konnte und zudem lernen muß, daß es offenbar besser sei, seinen Gefühlen nicht in vollem Umfang Ausdruck zu verleihen.

In den beteiligten Kindergärten sollte nunmehr der Raum geschaffen werden, in dem Kinder die Möglichkeit haben, über Sterben und Tod ins Gespräch zu kommen und ihre Gefühle bei Trauer- und Abschiedserfahrungen auszudrücken. Sie sollten spüren: "Ich darf darüber reden." Zudem sollte durch die pädagogische Institution Kindergarten den Eltern vermittelt werden, daß eine Thematisierung von Abschiedsproblematiken gemeinsam mit dem Kind nicht tabu, sondern Teil des menschlichen Lebensverlaufs sind, der nicht sprachlos bleiben darf. Die Eltern bekamen daher die Möglichkeit, sich aktiv mit der Problematik auseinanderzusetzen, sich zu öffnen und gegebenenfalls neue Handlungsmöglichkeiten zu entdecken.

In den Kindergärten wurde auf verschiedenste Art und Weise versucht, Abschied und Verlust zu thematisieren, z. B. über das Nachdenken über jene Kinder, die den Kindergarten verlassen haben, um in die Schule zu gehen, oder durch das Gespräch über entsprechende Kinderliteratur, z. B. "Abschied von Rune" von Marit Kaldhol. Die Kinder malten im Verlauf des Projekts eigene Empfindungen und Eindrücke oder sprachen in Stuhlkreisen über ihre Erfahrungen. Die Eltern beteiligten sich - für die Erziehrinnen überraschend - rege am Projekt bzw. an der Diskussion über die Thematik.

Neben den pädagogischen Zielen sollte es in der Kooperation mit den Kindergärten möglich sein, den Hospizgedanken von den primären Kooperationspartnern wie Altenheime und Krankenhäuser auf sekundäre Institutionen zu erweitern. Durch Ausstellung der Bilder und der verbundenen Präsenz in einem öffentlichen Gebäude sollte ein größeres Klientel angesprochen und für den Hospizgedanken sensibilisiert werden. Die Einbindung der Presse förderte zudem den Bekanntheitsgrad des Hospizvereins in Wattenscheid.

Im folgenden findet sich eine Zusammenstellung einiger Bilder, die den Erfolg dieses Projekts eindrucksvoll dokumentieren und zudem wesentliche Erkenntnisse des zweiten Teils dieser Arbeit unterstreichen. Sie zeigen darüber hinaus, daß es durchaus möglich und notwendig ist, sich im Rahmen der beruflichen So- zialarbeit mit Kindern über diese Thematik auseinanderzusetzen und dies öffentlich zu machen. Offen bleibt die Frage, ob dies ausschließlich Aufgabe des Hospizbereiches oder der Spezialabteilungen in Kinderkrankenhäusern bleiben soll und muß (vgl. Kapitel 1.5.).

 

Bild 10: Zeichnung von Constantin, 6 Jahre; Rune ist ertrunken.

 

 

Bild 11: Zeichnung von Definy, 5 Jahre; Ich war traurig als Papa’s Mutti aus Afrika gestorben ist.

 

 

Bild 12: Zeichnung von Patrick, 6 Jahre; Opa und mein Vogel sind gestorben.

 

  

Bild 13: Zeichnung von A., 6 Jahre; Meine Eltern trennen sich, deshalb bin ich traurig.

 

 

Bild 14: Zeichnung von Tobias, 6 Jahre; Als Opa gestorben ist.

 

  

Bild 15: Zeichnung von Tobias, 6 Jahre; Als Opa gestorben ist.

 

Bild 16: Zeichnung von Tobias, 6 Jahre; Als Opa gestorben ist.

 

 

Die Zeichnung von Constantin, Bild 10, verdeutlicht die Auseinandersetzung mit der Ausgangsliteratur "Abschied von Rune". Die Zeichnung von Definy, Bild 11, läßt erkennen, wie sehr sich Kinder bereits der Peripherie des Todes bewußt sind. Sie weiß um den Verbleib des Leichnams unter der Erde, um die Friedhofskapelle und die Blumen auf dem Grab.

Die Zeichnungen in Bild 12 und 13 zeigen die starke emotionale Betroffenheit von Kindern bei Verlusterlebnissen. Dabei spielt es jedoch keine große Rolle, von wem sie sich trennen müssen (Bild 12: Tod des Vogels wiegt gleich schwer wie der Tod des Opas) bzw. welche Ursache zum Verlust geführt hat (Bild 13: große Traurigkeit nach der Trennung der Eltern).

In der Bilderfolge von Tobias, Bild 14 bis 16, ist die langwierige Auseinandersetzung mit dem Tod des Großvaters erkennbar, an deren Ende der tränenreiche Abschied vom Großvater steht, jedoch verbunden mit der Hoffnung auf sein Fortleben als Engel.

Das Archiv der Zeichnungen umfaßt noch sehr viel mehr eindrucksvolles Bildmaterial, das ich jedoch lediglich auszugsweise vorstellen konnte. In allen Bildern wird die starke emotionale Betroffenheit der Kinder angesichts der erlebten Abschiedserfahrungen deutlich. Sie zeigen weiterhin das Wissen der Kinder um bestimmte Vorgänge um den Tod herum, das ihnen von den Erwachsenen oftmals nicht zugetraut wird. Die Bilder mahnen gleichsam, Kindern das Trauern und Abschiednehmen zu erleichtern, ihre Gefühle ernst zu nehmen und sie über unbekannte Dinge aufzuklären. Die Bilder befinden sich beim Hospizverein Wattenscheid e. V., Voedestr. 91, 44866 Bochum; Ansprechpartner ist Herr Norbert Philipp.

Teil 4:

Das Thema "Tod und Sterben" in der Kinderliteratur

 

 

 

 

Bild 17: Der kleine Prinz trifft den Fuchs

4.1. Die Bedeutung der Literatur für die Sterbeerziehung

 

An verschiedenen Stellen ist bereits angeklungen, daß die Kinderliteratur eine durchaus hilfreiche Rolle in der Sterbeerziehung spielen kann. Wie im Umgang mit allen anderen Medien, ist der medienpädagogische Einsatz der Kinderliteratur jedoch von der Begleitung und Unterstützung einer Erziehungsperson abhängig, zu der das Kind Vertrauen hat.

Für die Entwicklung eines Verständnisses vom Tod besteht für das Kind die Notwendigkeit, Erfahrungen mit Sterben und Tod machen zu können. Daraus läßt sich zum einen ableiten, daß es ein Fehler sei, Kinder von Sterbe- und Trauerprozessen fernzuhalten, weil man sie "schützen" will. Daher sollten gegebene Anlässe - und seien es Gespräche unter Gleichaltrigen - genutzt werden, um mit dem Kind über die Thematik ins Gespräch zu kommen und seine Fragen zu klären. Sofern jene Anlässe konkret nicht gegeben sind, können in der präventiven Sterbeerziehung z. B. "mit Kinderbüchern Anlässe (geschaffen werden), um mit Kindern über Sterben und Tod offen zu sprechen" . Dieser Möglichkeit gehe ich in diesem Teil der Diplomarbeit nach und stelle in diesem Zusammenhang eine Auswahl an Kinderbüchern vor, die ich für die Sterbeerziehung beachtenswert finde.

Im Zuge eines zielgerichteten Einsatzes der Kinderliteratur in der Sterbeerziehung sollte man sich zunächst ihre medienpädagogische Funktion verdeutlichen. Ein kritisches Literaturverständnis beinhaltet demnach v. a. vier grundlegende Aspekte, die für die Sterbeerziehung von Bedeutung sind:

Für die Sterbeerziehung stellt die Kinderliteratur also in symbolischen oder realistischen Geschichten Sprach- und Handlungsmuster zur Verfügung, liefert Entwürfe zur Realitätsbewältigung, dient der Informations-, Erfahrungs- und Wissenserweiterung, fördert die Phantasie, durchkreuzt tabuisiertes Denken und eingefahrene Sprachmuster und ermöglicht neue Sichtweisen von Realität und kommunikative Prozesse. "Auf diese Weise unterstützt sie die Subjektwerdung des Menschen" ; dazu zählt jedoch auch die Entwicklung eines Todesverständnisses und der Trauerfähigkeit.

Auch wenn die "neuen Medien" in unserer Zeit zunehmend auf dem Vormarsch sind, so hat die Literatur durchaus nicht an Bedeutung verloren. Gerade im Kindesalter bietet sie unzählige Möglichkeiten, pädagogisch eingesetzt zu werden. Im folgenden beschäftige ich mich daher näher mit Kinderliteratur, die einen Beitrag zur Sterbeerziehung leisten kann. Der Bereich der (Volks-) Märchen wird deshalb berücksichtigt, weil diese Literatur aufgrund ihrer Präsenz von unmittelbarer Bedeutung für das Denken des Kindes ist. Obwohl Märchen ursprünglich nicht für Kinder geschrieben worden sind, so sind diese doch deren größte Leserschaft geworden. Daher ist ein kurzer Überblick über den Umgang mit der Thematik in Märchen notwendig. Die Vorstellung einzelner Titel aus der neueren Kinderliteratur soll praktische Anregungen für deren medienpädagogischen Einsatz in der Sterbeerziehung geben.

4.2. Tod und Sterben in Kindermärchen

Wenn man die verschiedenen Quellen untersucht, über die Kinder an ihr Wissen über Sterben und Tod gelangen, kommt man um die Märchen nicht herum, denn sie gehören zu den Geschichten, die am häufigsten erzählt oder vorgelesen werden. Dabei dominieren die Erzählungen aus der bedeutendsten Märchensammlung des deutschsprachigen Raums, die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm.

Die Brüder Grimm haben darin nicht allein alte Volksmärchen gesammelt und niedergeschrieben, sondern auch alte Sagen, Erzählungen und Legenden in Märchenform umgeschrieben und festgehalten. So finden sich an vielen Stellen, insbesondere im Umgang mit Sterben und Tod, alte Brauchtümer wieder . In allen Kulturen der Welt versuchten die Mythen eine Antwort darauf zu geben, warum der Mensch sterblich sei. Und in der Vorstellung vieler Menschen in verschiedenen Kulturen gab es eine Verbindung zwischen den Lebenden und den Toten, die nach den Mythologien vieler Völker in einem unterirdischen Totenreich wohnten . Märchen haben diese Motive oftmals aufgenommen. "Die Beispiele aus den ‘ Kinder- und Hausmärchen ’ zeigen die Ungeschiedenheit der Welt der Lebenden und der Toten ... Im Gegensatz zu den Gestalten der Volkssage besitzt der Umgang der Märchenfiguren mit dem Jenseitigen und den Toten keinen Schrecken; sie alle bewegen sich in derselben Dimension . Die Gestalten der ‘anderen Welt ’ sind nicht qualitativ andere als die Gestalten dieser Welt, und das Jenseits wird im Märchen nur durch örtliche Ferne signalisiert."

Der Tod ist im Märchen weitestgehend zu einer Metapher verblaßt; er verbreitet keine Furcht und keinen Schrecken, ebensowenig wie das Auftreten der Toten, denen nichts Dämonisches umgibt. Das Märchen tut sich vielmehr recht leicht im Umgang mit dem Tod: Dornröschen erweckt ein Kuß wieder zum Leben, Schneewittchen wird wieder lebendig, als ihr der vergiftete Apfelbissen aus dem Mund fällt, drei Schlangenblätter vermögen einen Toten wieder lebendig zu machen usw. Der Tod selber wird aus vielen Märchen ausgeklammert, so wie z. B. bei Schneewittchens Scheintod oder durch den häufigen Schlußsatz "... und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute." "Nichts charakterisiert den schwerelosen Schwebezustand des Märchens zwischen Wirklichkeit und Nichtwirklichkeit besser als diese Schlußformel. Sie weist nicht nur auf die Zeitlosigkeit des Märchens hin, sondern mehr noch auf den glückseligen Zustand des M ärchenhelden, für den es eben keinen Tod gibt. Zumindest ist der Tod für ihn nichts Endgültiges; allenfalls ein vorübergehender Zustand."

Die Brüder Grimm machen die Ausklammerung des Todes besonders dort deutlich, wo ein Märchen, das mit dem Tod der Hauptperson, wie z. B. "Rotkäppchen" , in ein Happy - End - Märchen verwandelt wird. Oftmals ist der Tod im Märchen Wandel, Verwandlung, Verwunschensein, wobei die Aufhebung einer bösen Verwünschung oder einer Verzauberung Erlösung im Verständnis des Märchens bedeutet. Der Tod ist im Märchen somit eine Wandlungsmetapher, er ist eingekleidet in Bilder und er dient als Gleichnis. Dabei spielen durchaus christliche Ideen eine Rolle: "Nur der kommt zum ewigen Leben, der erst einmal durch den Tod hindurch gegangen ist. Das Märchen hat jedenfalls ein tiefes Wissen um das Leben als unzerstörbare Kraft. Und das Märchen hat ein untrügliches Bewußtsein, daß der Mensch in der Abhängigkeit von einem Drüben lebt. Mit seinen Erlösungsvorstellungen und seinem grundsätzlichen Erlösung sbedürfnis, den Tod zu überwinden und ihn letztlich als einen ‘Wandel’ zu begreifen, der durch die Erlösung zu einem dauernden ewigen Leben in Glückseligkeit führt."

Auf Nebenfiguren oder Gegenspieler des Helden läßt sich die Irreversibilität des Todes im Märchen jedoch nicht anwenden. Diese können durchaus zu einem Ende kommen, das dem realistischen Vorstellungen über den Tod gleichkommt. Da "der weitaus größte Teil der Grimmschen Zaubermärchen ... seine weltanschauliche Heimat im sogenannten Animismus (hat), für den der Gedanke der Seelenwanderung grundlegend ist", sich "die Seele eines Menschen (also) nacheinander in verschiedenen Wesen verkörpern" kann, dürften die Märchenerzählungen durchaus zur kindlichen Vorstellung über eine Seelenwanderung nach dem Tod (vgl. Kapitel 2.1.1.) beitragen.

Es zeigt sich in der Gesamtbetrachtung jedoch ein recht uneinheitlicher Umgang mit dem Tod, denn er "kann in Form einer Gestalt oder eines Zustandes auftreten, er kann Auslösesituation oder Endziel eines Märchens bestimmen und seine Bedeutungsinhalte können von Reifezeit über Verwandlung zu Nichtexistenz variieren" . Der Tod tritt als Schicksalsbestimmung auf, z. B. in der Kinderlegende "Das alte Mütterchen"; der Märchenheld versucht den Tod zu überlisten wie im Märchen "Der Gevatter Tod" und muß am Ende dessen Überlegenheit akzeptieren ; der Tod taucht im Kinderspiel auf, z. B. im Märchen "Das Kinderschlachtspiel", worin die Brüder Grimm nüchtern und sachlich vom Tod einer ganzen Familie berichten; manche Märchen beschäftigen sich mit dem Leben nach dem Tod, so "Das Totenhemdchen", "Das eigensinnige Kind" (s. Kapitel 2.4.1.) und "Der gestohlene Heller", in denen es keine klare Trennungslinie zwischen Leben und Tod gibt und die gestorbenen Kinder erlöst werden müssen; diese fehlende Abgrenzung zwischen Leben und Tod zeigt sich auch in den Märchen "Aschenputtel", "Die Gänsemagd" und "Die beiden Wanderer", in denen den Lebenden durch die Toten geholfen wird, oder in den Märchen "Von dem Machandelboom" und "Bruder Lustig", in denen Wiederbelebungsriten aus Leichenteilen dargestellt werden; der Tod wird als Symbol der Reifung besonders im Märchen "Schneewittchen" deutlich, die nach ihrem todähnlichen Schlaf in einer höheren Stufe der Reife und des Verständnisses aufwacht . "Hier ist also der Tod oder der totenähnliche Schlaf Vorbereitung zum verständigeren Weiterleben. Es entsteht ein Kreislauf zwischen Leben und Tod. Der Tod ist hier nicht ein endgültiger Zustand, sondern notwendiger Bestandteil des Lebens."

Aufgrund dieser vielschichtigen Darstellungen des Todes in den (Volks-) Märchen wird es für Kinder nicht immer leicht sein, eine klare Vorstellung über dessen Wesen zu entwickeln. Es zeigen sich jedoch einige Fragmente aus den Märchenerzählungen in den kindlichen Todeskonzepten wieder, so daß der Rückschluß, daß Märchen einen Erfahrungsfaktor in der Entwicklung einer Vorstellung vom Tod beim Kind darstellen, durchaus legitim erscheint. Daher ist die Kommunikation in Sprache und Spiel zwischen Erzieher und Kind auch im Hinblick auf die scheinbar ungefährlichen Kindermärchen durchaus notwendig und angemessen.

4.3. Ausgewählte Kinderlitearatur

 

In der Kinderliteratur des 18. Und 19. Jahrhunderts spielte die Thematik des Todes eine bedeutende Rolle, da der Tod zu den Alltagserfahrungen der Menschen zählte. Die Darstellung des Todes war von einer Mischung aus autoritärer und zugleich sentimentaler Grundhaltung geprägt. "So wurde der Tod von autoritärer Seite vor allem als Warnung vor Ungehorsam und als Strafe für Auflehnung und sonstige Vergehen hingestellt." Der Tod "wurde so in seiner Angst suggerierenden Wirkung zu einem bequemen Erziehungsmittel, wobei die geforderte unterwürfige Gehorsamshaltung den Eltern gegenüber ihre Entsprechung in einem gleich strukturierten Gottesbild fand." Die bekanntesten Beispiele sind "Der Struwwelpeter", "Max und Moritz", "Der Suppenkaspar" usw.

Seit den 70er Jahren finden sich jedoch immer mehr Kinder- und Jugendbücher, die die Thematik des Todes, des Sterbens und des Abschieds aus seiner gesellschaftlichen Tabuzone holen wollen. Sie thematisieren Abschieds- und Trauerprozesse ebenso wie die kindlichen Ängste und stellen damit die von Erziehern vielfach aufgebaute heile Welt in Frage, indem sie eine auch für das Kind konfliktvolle, individuelle und gesellschaftliche Wirklichkeit darstellten.

Im folgenden möchte ich eine Auswahl an Kinderbüchern vorstellen, die auf höchst unterschiedliche Weise diesen Themenkreis behandeln. Dementsprechend sind die Titel auch unterschiedlich in der Sterbeerziehung einsetzbar und müssen aus medienpädagogischer Sicht kritisch hinterfragt werden. Die Autoren verfolgen durchaus unterschiedliche Zielsetzungen, die das jeweilige Buch für unterschiedliche Situationen einsetzbar machen. Nicht alle Titel tragen streng genommen zu einer Sterbeerziehung bei, wie sie aus dem zweiten Teil dieser Arbeit hervorgeht, doch entsprechen sie alle den Kriterien, die ich in Kapitel 4.1. dargelegt habe. Vor allem bieten sie die Möglichkeit für Kinder, Eltern und Erzieher, gemeinsam ins Gespräch zu kommen.

Beginnen möchte ich mit einem etwas älteren Werk, "Der kleine Prinz" von Antoine de Saint - Exupéry, dem auch der Leitsatz dieser Arbeit entnommen ist. Die weitere Reihenfolge ist mehr oder weniger willkürlich und beinhaltet keinerlei Wertung oder Gewichtung.

 

4.3.1. Antoine de Saint - Exupéry: Der Kleine Prinz

Wie der Ich - Erzähler, der mit einem Motorschaden in der Sahara landet, den kleinen Prinzen kennenlernt, ist von dem Satz "Du siehst nur mit dem Herzen gut..." geprägt, da des Prinzen Phantasie Dinge in den Bildern des Ich - Erzählers sehen kann, die den Erwachsenen unsichtbar wären.

Im Laufe der Erzählung erfahren der Ich - Erzähler und der Leser mehr und mehr über den kleinen Prinzen, seine Herkunft und seine Reise bis zur Erde. Am Ende der Geschichte stirbt der kleine Prinz und kehrt zu seinem Planeten zurück. Auch wenn viele Bilder, mit denen Saint - Exupéry arbeitet, für Kinder vielleicht noch nicht in vollem Umfang verständlich sind, so verdichtet sich doch das Buch an den Stellen, an denen der kleine Prinz Abschied nehmen muß bzw. sein Sterben thematisiert wird. "Vor allem zwei Aspekte rücken dabei ins Blickfeld: zum einen, daß Sterben immer auch und wesentlich mit dem schmerzlichen Prozeß des Abschiednehmens zu tun hat, was wiederum die Konstitution und die Existenz von Beziehung voraussetzt, und zum an-deren, daß Sterben letztlich ein Akt bleibt, den man nur alleine vollziehen kann." Diesen zwei Aspekten soll im folgenden besondere Beachtung geschenkt werden, da sie zu den wichtigsten Gesichtspu nkten zählen, die man aus diesem Buch lernen kann.

In der Begegnung und der Beziehung mit dem Fuchs erlernt der kleine Prinz die Bedeutung und den Wert von Beziehungen bzw. Freundschaften, wobei diese durch einen Prozeß des gemeinsamen Wachstums und des wechselseitigen "Sich - Zähmens" bestimmt werden:

" ‘Nein’, sagte der kleine Prinz, ‘ich suche Freunde. Was heißt "zäh-men"?’

‘Zähmen, das ist eine in Vergessenheit geratene Sache’, sagte der Fuchs.
‘Es bedeutet, sich "vertraut machen" ... Noch bist du für mich nichts als

ein kleiner Junge, der hunderttausend kleinen Jungen völlig gleicht. Ich brauche dich nicht, und du brauchst mich ebensowenig. Ich bin für dich nur ein Fuchs, der hunderttausend Füchsen gleicht. Aber wenn du mich zähmst, werden wir einander brauchen. Du wirst für mich einzig sein in der Welt. Ich werde für dich einzig sein in der Welt ... Man kennt nur die Dinge, die man zähmt’, sagte der Fuchs. ‘Die Menschen haben keine Zeit mehr, irgend etwas kennenzulernen. Sie kaufen sich alles fertig in den Geschäften. Aber da es keine Kaufläden für Freunde gibt, haben die Leute keine Freunde mehr. Wenn du einen Freund willst, so zähme mich!’ "

Somit lernt der kleine Prinz den Wert einer Freundschaft bzw. eines Individuums kennen; die Rose, die er auf seinem Heimatstern gepflegt hat, besitzt für ihn einen hohen individuellen Wert, obwohl er auf der Erde einen Rosengarten mit vielen äußerlich ähnlichen Rosen entdeckt. Der kleine Prinz und der Leser erfahren aber auch, daß zur Grundstruktur von Beziehungen auch Tränen, Trauer und Schmerz als Folge von Abschiednehmen oder Beziehungsverlusten gehören:

"Und als die Stunde des Abschieds nahe war: ‘Ach!’, sagte der Fuchs, ‘ich werde weinen.’

‘Das ist deine Schuld’, sagte der kleine Prinz, ‘ich wünschte dir nichts Übles, aber du hast gewollt, daß ich dich zähme.’ "

Trotz eines Abschieds bleibt jedoch die Verantwortung füreinander bestehen, sei es in diesem Fall gegenüber dem Fuchs oder gegenüber der vertrauten Rose. Die Bedeutung einer Beziehung erwächst aus der Intensität der Gefühle, der Zeit, der Persönlichkeit, die man investiert hat. Daraus ergibt sich eine ganz wesentliche Hoffnungsstruktur für den Prinzen wie auch für den Leser, die im Geheimnis des Fuchses verdeutlicht wird:

" ’Adieu’, sagte der Fuchs. ‘Hier ist mein Geheimnis. Es ist ganz einfach: Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.’ "

Aus diesem Geheimnis läßt sich der Schluß ziehen, daß sich der Kern einer gemeinsamen Beziehung erst mit deren Auflösung erschließen läßt.

"Äußerlichkeiten treten in den Hintergrund, Körperlichkeit verliert seine Bedeutung. ‘Man sieht nur mit dem Herzen gut’ - diese Wahrheit erschließt auch über den Tod hinaus das, was den Kern dieser Beziehung ausmachte, das, was man in und durch die Beziehung an Wirklichkeitserfahrung dazugewonnen hat und was die Sichtweise von Welt und des eigenen Selbst erweitert, bereichert und verändert hat. Dieser Kern der im Eingehen von Verhältnissen konstituierten Identität wird im Verhalten und Handeln des kleinen Prinzen als auch angesichts des Todes unzerstörbar behauptet."

Für die Sterbeerziehung lassen sich daraus zwei Aspekte ableiten; zum einen wird die Forderung, Kinder bezüglich Sterben und Tod zunächst emotional und dann rational anzusprechen, unterstrichen. Zum anderen läßt sich eine Hoffnung angesichts des Abschiednehmens und der folgenden Trauer vermitteln. Trotz einer körperlichen Trennung lebt die aufgebaute Beziehung in den Menschen weiter und erschließt ihre Bedeutung aus der Wertschätzung.

Da verlorene oder gestörte Beziehungen immer wieder Themen der beruflichen Sozialarbeit sind, läßt sich das Geheimnis des Fuchses über die Sterbeerziehung hinaus auf weitere Bereiche der Sozialen Arbeit übertragen. Die Ermutigung, neue Beziehungen ehrlich einzugehen und seine Persönlichkeit einzusetzen, sprich sich "zähmen" zu lassen, aber auch den Wert gestörter oder verlorener Beziehungen anzuerkennen, ist oftmals Inhalt der professionellen Sozial-arbeit, z. B. in der Arbeit mit Suchtkranken.

Die Beziehung des kleinen Prinzen zum Ich - Erzähler ist gleichsam geprägt von dem Prozeß des gegenseitigen Abschiednehmens. Obwohl der kleine Prinz selbst Angst und Trauer angesichts seines nahenden Todes empfindet, gilt seine Sorge dem Erzähler, dem er den Anblick seines Sterbens ersparen möchte, der sich jedoch weigert, den kleinen Prinzen allein zu lassen:

" ‘Diese Nacht ... weißt du ... komm nicht!’

‘Ich werde dich nicht verlassen.’

‘Es wird so aussehen, als wäre ich krank ... ein bißchen, als stürbe ich. Das ist so. Komm nicht das anschauen, es ist nicht der Mühe ...’

‘Ich werde dich nicht verlassen.’ "

Das Sterben des kleinen Prinzen kann er dennoch nicht verhindern. Diesen letzten Schritt tut der kleine Prinz letztlich ganz allein. Dem Erzähler verspricht er jedoch zuvor Trost angesichts der nahenden Trauer:

" ‘Und wenn du dich getröstet hast (man tröstet sich immer), wirst du froh sein, mich gekannt zu haben. Du wirst immer mein Freund sein. Du wirst Lust haben, mit mir zu lachen. Und du wirst manchmal dein Fenster öffnen, gerade so, zum Vergnügen ... Und deine Freunde werden sehr erstaunt sein, wenn sie sehen, daß du den Himmel anblickst und lachst. Dann wirst du ihnen sagen: Ja die Sterne, die bringen mich immer zum Lachen! Und sie werden dich für verrückt halten. Ich werde dir einen hübschen Streich gespielt haben ...’ "

Diese zwei erläuterten Aspekte machen die Aussagen dieses Buches so wichtig für die Sterbeerziehung. "Der kleine Prinz" eignet sich sowohl zum präventiven, medienpädagogischen Einsatz zur grundsätzlichen Erfahrung bzw. Bewußtmachung der Bedeutung von Beziehungen als auch zur Unter-
stützung in der Trauerarbeit aufgrund der vermittelten Hoffnungsstruktur.

 

4.3.2. Marit Kaldhol / Wenche Oyen: Abschied von Rune

Das norwegische Kinderbuch "Abschied von Rune" von Marit Kaldhol erzählt in kindgerechten Worten die Geschichte der zwei Nachbarskinder Sara und Rune. Sie sind sehr gut befreundet und spielen eines Tages "Familie". Da Rune das Verhaltens eines Vaters bzw. seinen Beruf im Spiel imitieren will, fährt er mit seinem kleinen Boot zum Fischen und ertrinkt dabei. Der schmerzvolle Abschied des kleinen Mädchens Sara wird zum Hauptthema des Buches, das mit ausdrucksstarken Bildern von Wenche Oyen illustriert ist.

Die Leistung der Autorinnen besteht darin, daß sie Kindern die Möglichkeit zur Identifikation bieten, indem sie Sara jene Gedanken aussprechen lassen, die in der Beschäftigung mit einem konkreten Todesfall bei Kindern des Alters ab ca. vier Jahren auftauchen. Sie fragt, ob sie Rune nie wiedersehen würde, was passiert, wenn er in seinem kleinen Sarg aufwachen würde und sie äußert ihre Gefühle angesichts der Erfahrung der Unumkehrbarkeit des Todes:

Plötzlich sagt Sara: ‘Ich will aber, daß Rune wiederkommt, Mama. Ich hab solche Lust mit ihm zu spielen!’ Sie fühlt einen dicken Kloß im Hals. Und ihre Stimme zittert. Da hockt Mama sich hin und nimmt Sara in die Arme. Sara weint, daß es ihren ganzen Körper schüttelt. ‘Ich will, daß er wiederkommt! Er soll nicht zu Erde werden. Er soll wiederkommen und hierbleiben.’ Ihr Gesicht ist naß von Tränen."

Ihre Mutter gibt Sara ehrliche Antworten auf ihre Fragen. Sie erläutert, daß Rune wieder zu Erde wird und nicht mehr wiederkommen wird, sondern der Abschied endgültig sein wird. Sie spendet jedoch nicht allein körperlichen Trost, indem sie Sara in die Arme schließt und weinen läßt, sondern eröffnet mit ihren Antworten über die Realität des Todes auch gleichzeitig eine tröstende Hoffnung. Z. B. dient der Zerfall von Runes Körper zu Erde dem Wachstum der Blumen, so daß Sara erkennen kann, daß aus einem Verlust auch etwas Neues entstehen kann. Die Hoffnung in ihren Antworten zeigt sich jedoch besonders in der Auseinandersetzung mit der Irreversibilität des Todes. Dabei ist ihre Aussage eng verbunden mit dem Geheimnis des Fuchses (s. Kapitel 4.3.1.):

" ‘Sehe ich ihn nie, nie mehr wieder?’ fragt Sara.

‘Nein, nie wieder’, antwortet Mama. ‘Aber irgendwie ist er trotzdem nicht ganz fort, denn wenn wir an ihn denken, können wir ihn ja in uns drin sehen. Und dann können wir auch mit ihm sprechen. Mach mal die Augen zu und versuche es.’

Ja, Sara kann Rune drinnen in ihrem Kopf sehen. Sie sieht, daß er lächelt, und er ist genauso wie früher.

‘Ein Glück, daß ich das weiß!’ sagt Sara zu ihrer Mama."

Diesen Trost versucht Sara auch an die Schwester Runes, Ruth, zu vermitteln. Er verdeutlicht, daß trotz körperlicher Trennung das Wesentliche, das nur mit dem Herzen zu sehen ist, fortexistiert.

Aufgrund der Identifikationsmöglichkeiten und der altersgerechten Antworten auf die Fragen zu Tod und Sterben ist der Einsatz dieses Buches in der Sterbeerziehung mehr als angemessen. Die Erfahrungen aus der Praxis über seinen medienpädagogischen Einsatz in der Projektarbeit des Wattenscheider Hospizvereins, in deren Rahmen ein Kindergarten "Abschied von Rune" als Einstieg in die Thematik benutzte, bestätigen, daß auch Kinder im Kindergartenalter mit den Aussagen des Buches nicht überfordert sind und angesichts der offensichtlichen Unumkehrbarkeit des Todes nicht verzweifeln.

 

Bild 18: Rune gibt Sara einen Kuß.

 

Der Befürchtung, solche Gefühle auszulösen, steht der vermittelte Trost gegenüber, der vom Umgang jedes einzelnen mit verlorenen oder bestehenden Beziehungen abhängig ist. Wie auch bei Saint - Exupéry kommt man nicht umhin, zu akzeptieren, daß ehrliche Beziehungen zu anderen Menschen uns gleichermaßen Freude wie Trauer im Abschied schenken können:

"Rune legt seine Arme um Sara und gibt ihr ganz schnell einen Kuß auf die Backe. Sie lächeln sich an ... Unterwegs fühlt sie noch den kleinen nassen Fleck auf ihrer Backe. Das ist der Kuß, denkt sie."

" ‘Auf Wiedersehen, Rune’, flüstert Sara zu ihm hinunter. Als sie sich umdreht und weggeht, fühlt sie einen kleinen nassen Fleck auf der Backe. Das sind Tränen."

 

4.3.3. Sigrid Zeevaert: Max, mein Bruder

Identifikationsmöglichkeiten für Kinder bietet auch das Buch "Max, mein Bruder" von Sigrid Zeevaert, das sie im Rahmen ihrer Examensarbeit für das Lehramt für die Primarstufe geschrieben hat. Darin beschreibt die 10jährige Jo aus ihrer Sicht die Begleitung und das Sterben ihres krebskranken Zwillingsbruders Max. Dabei entwickelt Zeevaert ein Kontrastmodell zu dem oftmals anzutreffenden Umgang mit Krankheit und Sterben (s. Kapitel 1.4.2.1.), indem sie auf einfühlsame Weise die Betroffenheit durch die Erkrankung eines Familienmitglieds und die Befähigung der Familie, die Herausforderung der gemeinsamen Betreuung und Begleitung bewußt und aktiv anzunehmen.

Die herausragende Eigenschaften, die die einzelnen Familienmitglieder im Umgang mit der Erkrankung auszeichnen, sind die Ehrlichkeit bezüglich der eigenen Gefühle, die Bereitschaft, die Krankheit als gemeinsame Aufgabe zu begreifen und die Einbeziehung aller Familienmitglieder in die Betreuung. Daraus ergibt sich die praktische Konsequenz, Max nicht aus seinem gewohnten Umfeld herauszunehmen, sondern ihn zu Hause zu pflegen. Im Umgang mit der Krankheit und der Pflegeperson ergeben sich immer wieder Schwierigkeiten und Gefühle des Schmerzes, der Überforderung oder des Unverständnisses, die jedoch nicht vertuscht werden:

"Ich schlich zur Tür und öffnete sie einen Spalt weit. Ich hörte Mama weinen.

‘Ich glaube es nicht. Ich glaube es einfach nicht.’

Sie weinte wieder. Und ich glaube, selbst Papa weinte ... Mein Herz klopfte bis zum Hals, als ich schließlich die Treppe hinunterging.

‘Was ist mit Max?’ Ich brachte es kaum heraus.

Papa nahm mich in den Arm. ‘Max ist krank.’ Papa schluckte. ‘Er ist sehr krank. Man hat es uns eben gesagt.’

Mir wurde heiß vor Angst. Mama weinte. ‘Wir werden alles tun, Jo. Er wird wieder gesund werden.’ "

" ‘Max, Max. Immer nur Max. Alles dreht sich nur noch darum. Wir sind schließlich auch noch da!’ Böse sah ich Mama an.

‘Johanna! Wir haben uns doch dafür entschieden, daß wir Max hier zu Hause gesundpflegen. Du weißt, er müßte sonst im Krankenhaus liegen. Und dort würde er sich viel einsamer fühlen als hier bei uns.’

‘Der schläft doch sowieso nur. Als wenn der noch merkt, ob er hier liegt oder im Krankenhaus. Ich will dir mal was sagen, Mama. Ich habe keine Lust mehr! Ich will, daß Max jetzt ins Krankenhaus kommt. Da können wir ihn ja auch besuchen.’

Mama sagte kein Wort. Sie stand gegen den Küchenschrank gelehnt. Tränen liefen über ihre Wangen. Ich sah zu Boden."

Die getroffene Grundentscheidung zur häuslichen Pflege bleibt kein einmaliger Akt, sondern muß sich im Alltag stets neu bewähren. Aber gerade das ehrliche Zugeständnis aller, z. T. ambivalenten, Gefühle ermöglicht die gemeinsame Bewältigung der Erfahrung mit der Krankheit. Das Gefühl der Zusammengehörigkeit bleibt auch bei allen Konflikten die Grundlage der Beziehung der Familienmitglieder zueinander.

Dieses Gefühl bleibt bis in den Tod hinein erhalten, so daß die Betreuung auch ein Teil des Abschiednehmens ist. Konsequenterweise wird Jo auch nicht vom Sterben des Bruders ferngehalten; "Grundvoraussetzung für das Sicheinlassen auf diesen Prozeß war das bewußte Akzeptieren von Krankheit und Tod als Teil des Lebens, und zwar nicht im Sinne passiver Resignation, sondern aktiver Annahme dieser Zumutung." Die tröstliche Dimension liegt somit in der gemeinsamen Erfahrung der Solidarität, Nähe und Gemeinschaft angesichts von Krankheit, Sterben, Abschied und Tod.

"Mama hielt mich immer noch im Arm. ‘Möchtest du zu ihm gehen?’ Ich nickte ... Ich nahm seine Hand und hielt sie fest. Ich hab’ dich lieb, Max! dachte ich. Ich hab’ dich lieb! Und ich habe keine Angst davor, daß du stirbst. Ich hielt seine Hand und sagte kein Wort. Es war still. Wir waren zusammen."

In dieser Sterbesituation verwendet Zeevaert das Meer als Leitsymbol. "Es vermittelt die Dimension des Ewigen, des Mächtigen, des Unbegrenzten und Beständigen, das sich immer bewegt, auch wenn wir nicht mehr leben." Es dient zudem als Symbol für die Reise, die Max anzutreten hat, über die zwar einerseits Unkenntnis herrscht, die aber andererseits mit der Hoffnung auf eine "Ankunft" verbunden ist.

"Sie gab Max ein Küßchen. Es war von uns allen. Das Zimmer war blau wie das Meer, das Meer, in das wir eintauchten. Nichts konnte uns passieren. Max nahm uns mit. Ein kleines Stückchen. Das Meer, tief und blau, wir waren zusammen. Max atmete nicht mehr, so, als hätte er es vergessen. Dann atmete er wieder. Dann noch einmal. Und dann war es still. Ganz still. Papa schwieg. Mama weinte. Ich umarmte sie. ‘Mama, das Meer!’ flüsterte ich."

 

Bild 19: Illustration von Bettina Wölfel

 

 

Das Ende der Geschichte unterstreicht den Eindruck, daß Unwissenheit und Ausschluß Kindern in der Sterbeerziehung mehr schadet als Teilnahme und Wissen um die Realität. Denn Jo bewertet das Sterben ihres Bruders nicht negativ, sondern ist froh, daß sie und ihre Eltern bei Max waren und er bei ihnen. "Max, mein Bruder" ist somit gleichermaßen für Kinder wie Erwachsene geeignet. Den Kindern wird anschaulich (s. S. 58-62) der Prozeß des Abschiednehmens dargestellt, ohne daß dabei Ängste entstehen müßten. Er-wachsene können zudem lernen, wie wichtig es ist, Sterben und Tod Kindern gegenüber nicht als Tabuthema aufzubauen .

 

4.3.4. Astrid Lindgren: Mio, mein Mio / Die Brüder Löwenherz

In der ersten Hälfte der 70er Jahre veröffentlichte Astrid Lindgren die Märchen "Mio, mein Mio" und "Die Brüder Löwenherz". In beiden Büchern thematisiert sie den Tod, jedoch auf höchst unterschiedliche Weise.

Das Märchen "Mio, mein Mio" erzählt vom Königssohn Mio, der vom Land der Ferne in das Land Außerhalb auszieht, um gegen den Ritter Kato zu kämpfen, der Herzen zu Stein verwandelt und alles Leben mit seiner Boshaftigkeit vernichtet. Am Ende findet Mio den Mut zum entscheidenden Kampf und erlöst mit der Vernichtung Katos seine Opfer, u. a. Kinder aus dem Land der Ferne.

Hinsichtlich der Todesthematik arbeitet Lindgren in diesem Märchen durchgängig mit dem Ritter Kato als Verkörperung des Todes und seinem Land Außerhalb als Symbol für das Jenseits. Die von ihr aufgebauten Bilder können für Kinder jedoch leicht hinter der spannenden Geschichte über die Entwicklung Mios verschwinden. Sofern man jedoch den symbolisierten Tod thematisiert, also Kinder auf die verborgenen Aussagen Lindgrens hinweist, erscheint gleichsam die Hoffnung auf Erlösung von den Qualen des Todes. Wie in einigen anderen Märchen (s. Kapitel 4.2.) wird der Eindruck vermittelt, der Tod sei besiegbar oder zumindest verhinderbar. Viel wichtiger ist die Aussage des Märchens, man könnte mit Vertrauen in sich selbst und Überwindung des Gedankens, man sei "so klein und einsam", viele Schwierigkeiten im Leben meistern.

Sehr viel deutlicher tritt die Thematik des Todes in dem bis heute umstrittenen Märchen Astrid Lindgrens "Die Brüder Löwenherz" in Erscheinung, wenngleich der Tod der Brüder Jonathan und Karl Löwe lediglich die Rahmenhandlung zu einem Märchen über den Freiheitskampf gegen Tengil und seinen Drachen Katla bildet. Zu der Begegnung mit ihnen kommen die Brüder nach ihrem Tod. Sie treffen sich in Nangijala wieder, worüber Jonathan seinem kranken Bruder aus Trost vor ihrem Tod berichtet hat. Ihr irdischer Tod ist die Grenzüberschreitung in dieses Nangijala, in dem sie fortan als die "Brüder Löwenherz" wohnen. Der Tod ist folglich auch in diesem Märchen nichts Endgültiges; das Gegenteil ist eher der Fall, denn selbst der Tod in Nangijala führt in ein neues Reich, Nangilima genannt, dessen Beschreibung der Vorstellung vom Paradies sehr nahe kommt. Diese märchenhafte Vorstellung erinnert ein wenig an das buddhistische bz w. hinduistische Glaubensbild, wonach die Menschen nach dem Tod eine Reihe von Wiedergeburten durchleben müssen, um schließlich das Nirwana zu erreichen.

Während Karl und Jonathan Löwe ihre irdische Existenz durch Unfall bzw. Krankheit verloren, setzen sie ihrem Leben in Nangijala selbst ein Ende. Aus diesem Grund sowie durch die strenge Einteilung in Gut und Böse in der jenseitigen Welt, ist Astrid Lindgrens Buch bis heute nicht unumstritten.. Lindgrens Sprache ist im Vergleich zu "Mio, mein Mio" deutlich differenzierter, wie auch die Handlung und die Charakterisierung. Trotz dieser literarischen Leistung kam jedoch immer wieder die Frage auf, ob "Die Brüder Löwenherz" ein lebensverneinendes Buch sei oder den Selbstmord verherrlichen oder gar zur Nachahmung reizen würde. Bedenkt man, daß bereits seit Jahrhunderten tröstliche Ideen und Gedanken über eine jenseitige Welt existieren, hätte es auch früher schon Selbstmordwellen geben müssen.

Als Trostbuch habe sich Lindgren ihre Geschichte vielmehr gedacht, und so scheint sie auch von den Kindern verstanden worden zu sein. Denn sehen die erwachsenen Kritiker auf der einen Seite die vermeintliche Gefahr, die von Lindgrens Märchen ausginge, so berichtete die Autorin in der Vergangenheit selbst über Briefe, die sie von Kindern erhalten habe, in denen ihr für das glückliche Ende gedankt wird (s. Oetinger Almanach "Gebt uns Bücher, gebt uns Flügel", Nr. 12 / 1974 und Nr. 13 / 1975). Die kindlichen Leser sehen das Ende "mit dem Herzen" statt mit den Augen und freuen sich, daß Jonathan und Karl das Glück haben, zusammenbleiben zu können. Sie sehen das durchweg Positive und Tröstliche am Schlußsatz des Märchens: "Oh, Nangilima! Ja, Jonathan, ich sehe das Licht! Ich sehe das Licht!" Sie hat den Tod als Teil des Lebens thematisiert, weil sie festgestellt hat: "Ich habe oft gemerkt, daß Kinder gern über den Tod gr&u uml;beln und meinen, daß es grauenhaft und langweilig sein müsse, in der kalten Erde zu liegen. Wir glaubten, als wir Kinder waren, daß wir schließlich im Himmel vereint und glücklich sein würden. Diesen schönen Trost haben aber die Kinder von heute nicht mehr." Das Märchen über Nangijala bzw. Nangilima soll den Kindern statt dessen Hoffnung und Ermutigung zur Bewältigung ihrer (Todes-) Angst geben.

Trotz des spannenden Ablaufs der Geschichte steht der Tod stets im Mittelpunkt des Märchens, und Eltern und Erzieher haben dementsprechende Fragen der Kinder zu der jenseitigen Welt zu erwarten. "Die Brüder Löwenherz" bietet jedoch vielfältige Erklärungsmuster an und vermittelt die Hoffnung auf eine Fortexistenz der Seele:

"Jetzt wollte er mich wieder allein lassen, ich wußte es! Schon einmal war er ohne mich davongegangen, nach Nangijala ...

‘In dem Augenblick, wo wir dort unten ankommen, sehen wir schon das Licht von Nangilima. Wir sehen die Morgensonne über Nangilimas Tälern leuchten, denn dort ist jetzt Morgen ... Und du auch, Krümel, auch du bist dann froh ... Sie schlafen nicht, Krümel! Sie sind tot. Durch Katlas Feuer. Was du da drüben siehst, ist nur ihre äußere Hülle.’

‘Oh, Nangilima! Ja, Jonathan, ich sehe das Licht! Ich sehe das Licht!’ "

 

Bild 20: Zeichnung von Ilon Wikland

 

4.3.5. Peter Härtling: Alter John

Mit seinem Kinderroman "Alter John" ist Peter Härtling bemüht, das Alter und die damit verbundenen Schwierigkeiten bis hin zum Tod anzunehmen und in unser Leben zu integrieren, statt es auszuschließen oder in Altenheime zu verlagern.

Härtling erzählt die Geschichte einer schwäbischen Familie, die den Großvater in ihr Haus aufnimmt und ihn dort - anfangs weniger, später mehr - betreut. Trotz aller Probleme, die durch das Zusammenleben mit dem älteren Mann entstehen, wächst ein Familiengefühl zwischen den Generationen heran. Bis zur Erkrankung des Großvaters, "Alter John" genannt, ist der Roman ein Plädoyer für mehr Toleranz gegenüber dem Alter und die Ermutigung, ältere Menschen nicht vereinsamen zu lassen.

Im Verlaufe des Zusammenlebens erkrankt der Großvater schwer und wird pflegebedürftig. Auch diese Herausforderung nimmt die Familie gemeinsam mit der neuen Freundin des Großvaters an und pflegt ihn Zuhause bis zu seinem Tod. An einigen Stellen spricht Härtling dabei die Probleme an, die sich aus der häuslichen Pflege und der Erkrankung des Mannes ergeben, wie Vergeßlichkeit, Inkontinenz, Aggressivität etc. Dennoch arrangieren sich beide Seiten miteinander und der Großvater wird zum Sterben nicht in ein Krankenhaus geschickt. Er stirbt zwar im Kreise der Familie, jedoch allein in der Nacht. So klammert Härtling die Erfahrung des Todes im wesentlichen aus seinem Kinderroman aus.

Im Mittelpunkt steht vielmehr das Alter und die Probleme, die aus der Annahme der Herausforderung, dieses Phänomen nicht abzuschieben oder zu institutionalisieren, entstehen. Der Tod wird dementsprechend als Teil des Lebensabschnitts "Alter" dargestellt und manifestiert kindliche Vorstellungen über den Tod und seine Beschaffenheit (vgl. Kapitel 2.1.1 und 2.1.2.). "Alter John" ist daher ein Roman, der Kindern sehr anschaulich vermittelt, daß Menschen trotz ihres äußeren Alters innerlich noch jung sein können. Sie lernen, daß ältere Menschen durchaus eine Bereicherung für ihr Leben darstellen können und nicht aufgrund ihrer Gebrechen oder Eigenarten in Institutionen abgeschoben werden müssen. Zur Todesthematik trägt der Roman aber relativ wenig bei und vermittelt nur rudimentäre Eindrücke über dieses Phänomen.

 

4.3.6. Elfie Donnelly: Servus Opa, sagte ich leise

1978 wurde Elfie Donelly für ihr Buch "Servus Opa, sagte ich leise" mit dem Deutschen Jugendbuchpreis ausgezeichnet. Die Jury begründete ihre Entscheidung damit, daß "die Auseinandersetzung mit dem Prozeß des Sterbens hier in beachtenswerter Einheit von Form und Inhalt behutsam, jedoch ohne Sentimentalität oder Pathos dargestellt" wird. Auf der Basis dieser Begründung soll das Buch näher betrachtet werden.

Elfie Donelly erzählt die Geschichte des zehnjährigen Michi, dessen Opa, den er außerordentlich liebt und mit dem er stellenweise ein Außenseiter - Dasein in der Familie führt, an Krebs erkrankt ist und am Ende stirbt. Die Erkrankung des Großvaters und der nahende Tod rücken zunehmend in das Bewußtsein Michis und fordern seine Fragen heraus. Im Umgang mit der Todesthematik und die Kommunikation über das Sterben unterscheidet sich der Großvater sehr von den Eltern Michis. Die Eltern, insbesondere die Mutter, tabuisieren Krankheit und Tod gegenüber ihrem Sohn:

"’Muß der Opa so viel schlafen, weil er Krebs hat?’ Die Mama schaut mich entsetzt an ...

‘Du kannst dem Kind doch nicht einfach ...’ Ich bin beleidigt. Was denkt die Mama? Sooo klein bin ich ja auch nicht mehr, daß man mir nichts erzählen kann. Es geht mich doch etwas an, wenn mein Opa krank ist ...

‘Muß der Opa sterben?’ frag ich ...

‘Warum soll er denn nicht fragen ...’

‘Na, weil - ich bitte dich, Paul, das ist kein Thema für ein Kind!’ "

Das Verhalten seiner Eltern verunsichert Michi, der mit seinem besten Freund noch Witze über den Krebs gemacht hat; er stand bislang dem Tod relativ emotionslos gegenüber. Das Verhalten seines Großvaters hilft ihm, seine Unvoreingenommenheit und Unbekümmertheit zurückzugewinnen. In der Person des Großvaters finden sich einige Elemente einer Pädagogik des Todes wieder, die bereits angesprochen wurden (s. Kapitel 2.4.). Wesentliches Charakteristikum seines Verhaltens ist die Offenheit, mit der er mit Michi - und seinen Freunden - über das Sterben und den Tod spricht.

Die Aussagen des Buches stellen sich dabei gegen ein religiöses Todesbild, denn "Wunder und Glaube an einen Gott im traditionellen Sinne stellen demnach auch keine tröstende, sondern eher vertröstende Elemente dar" . Das nüchterne Wirklichkeitsverständnis des Großvaters spielt v. a. dann eine Rolle, wenn es um das Todesverständnis selbst geht. Dabei setzt sich Donnelly z. B. kritisch mit dem Sprachgebrauch hinsichtlich des Todes auseinander (vgl. Kapitel 1.4.2.1.):

"’Sag ehrlich, Michi, findest du die Leut nicht auch blöd?’ Der Opa regt sich auf. ‘Beisetzung statt Begräbnis. Heimgegangen statt gestorben ...’

‘Er ist verschieden’, fällt mir ein.

‘Oder eingeschlafen, entschlafen. Der Herr hat ihn zu sich gerufen...’

‘... ins Gras gebissen!’ rufe ich ... ‘Die Veilchen von unten anschauen ...’

Der Opa weiß noch mehr. ‘Den Löffel abgeben. Sein letztes Stündlein hat geschlagen ... Und keiner traut sich mehr zu sagen, daß jemand gestorben ist. Einfach gestorben, tot. Mausetot. Punktum.’ "

Ein Sprichwort sagt, Humor (Tumor) ist, wenn man trotzdem lacht. Auffallend ist, daß ein Tabu durch das andere ersetzt wird, indem zwar über den Tod, aber nicht über die mit ihm zusammenhängenden Ängste gesprochen wird. Diese übertriebene Souveränität ist gleichermaßen kritisch zu betrachten wie der insgesamt recht sachlich - nüchterne Erzählstil Donnellys . Eine Identifikation mit dem Ich - Erzähler Michi dürfte Kindern folglich wesentlich schwerer fallen als bei der Lektüre des Buches "Max, mein Bruder", das ebenfalls aus der Sicht eines zehnjährigen Kindes geschrieben ist. "Servus Opa, sagte ich leise" ist demzufolge mehr als Jugendbuch denn als Kinderbuch zu verstehen.

Als letzter Aspekt sei noch die Beschreibung des Verhaltens Michis nach dem Tod des Großvaters erwähnt. Er nimmt einerseits das Verhalten des Großvaters dem Sterben gegenüber an und benennt die Realität mit offenen Worten:

"’Das mag der Opa nicht, wenn man so was Dummes sagt!’ rufe ich. ‘Das hat er mir auf dem Friedhof erklärt. Der Opa ist gestorben! Einfach gestorben!’ "

Seine Trauer schlägt während der Beerdigung durch und Michi verliert das Bewußtsein, muß daraufhin zwei Tage weinen und wird erst durch den Abschiedsbrief des Großvaters getröstet. Damit wird die Notwendigkeit der Trau-

erarbeit deutlich, wenngleich sie nur ansatzweise angesprochen wird. Auch der Erkenntnis, daß der Opa solange nicht richtig tot ist, solange jemand an ihn denkt, einer Erkenntnis, die im Mittelpunkt der neueren Kinderliteratur zur Thematik Tod und Sterben steht, wird meines Erachtens zu wenig Beachtung geschenkt. Die fehlende Sentimentalität, die von der Jury bei der Verleihung des Kinder- und Jugendbuchpreises gelobt wurde, ist vielfach eine fehlende Konfrontation mit der Gefühlswelt, womit "Servus Opa, sagte ich leise" ein hohes Maß an Realitätsnähe einbüßt.

Exkurs: die irische Sagenwelt

 

Neben den Brüdern Grimm hat wohl niemand seine Märchen so liebevoll gesammelt wie dir Iren. In keinem Land Europas ist das mündliche Erzählen von Märchen und folkloristischen Geschichten und Sagen so lebendig geblieben wie in Irland. Trotz der jahrhundertelangen Unterdrückung durch die Engländer sind auf dem Land die alten keltischen Sagen- und Märchenstoffe ebenso wie die gälische Sprache erhalten geblieben, denn die Märchen lebten von der mündlichen Weitergabe. Erst in den 20er Jahren dieses Jahrhunderts bemühte sich die republikanische Regierung Irlands um die Sammlung des gälischen Folkloreguts. Heute finden sich in den Archiven der Irischen Folklore-Kommission in Dublin eineinhalb Millionen Manuskriptseiten mit Aufzeichnungen und Notizen zu Märchen und märchenhaften Stoffen sowie Tonbandrollen aus den letzten Jahrzehnten, auf denen die Stimmen der "Quellen", der mündlichen Erzähler, deren Zahl auch in Irland abnimmt, festgehalten sind.

Die besonderen Merkmale der irischen Märchen finden sich jedoch gerade in dem Charakter, in dem sie vom seanchaí, dem Erzähler, erzählt werden. Seamus O’ Duilearga schreibt in seinem Aufsatz "Irish Tales and Story Tellers": "Die Kunst des Volksmärchens liegt in der Art und Weise, wie es erzählt wird. Es war nie dazu bestimmt, gedruckt oder gelesen zu werden. Es nimmt seinen Lebensodem von den Lippen der Erzähler, vom Applaus des sachkundigen Publikums am Kaminfeuer."

Die gälischen Bezeichnungen für die verschiedenen Gattungen mündlich erzählter Stoffe lauten:

Bereits die Brüder Grimm wußten den Märchenschatz Irlands zu schätzen und übersetzten einige unter dem Titel "Irische Elfenmärchen". Läßt man literaturwissenschaftliche Unterscheidungen der Gattungen Sage und Märchen einmal unberücksichtigt, läßt sich feststellen, daß alle irischen Erzählgattungen der Folklore von der Vorliebe des keltischen Volkes für die Jenseitswelt, für das Sinnieren und Träumen, für das Phantasmagorische und Ornamentale durchdrungen sind. Darüber hinaus wird aber vielfach Reales mit Fiktivem vermischt und so sind die irischen Märchenstoffe oftmals ein Zeugnis der sozialen Wirklichkeit .

Eine Erklärung für den Feenglauben in Irland ist, daß die Feen die Geister von ungewöhnlich früh Verstorbenen sind. Teil der Märchenwelt und des Feenwesens ist die sogenannte Todeskutsche mit den vier Kutschern und den vier Pferden ohne Köpfe; William Butler Yeats, dessen Kindheitseindrücke aus der Gegend um Sligo stammen, wo selbst heute noch der mythologische Volksaberglaube blüht, behauptete gar, dieser Kutsche begegnet zu sein. Bis heute ist die Frage, ob es Feen, "lepreachauns" (kleine Männchen), "banshees (Klage-geister), "pukas" (Geistererscheinungen in Gestalt eines Esels) und das "kleine Volk" oder die "guten Leute unter der Erde" tatsächlich gibt, in Irland ungelöst.

Die Menschen Irlands haben vielmehr unerklärliche Ereignisse den Feen zuzuschreiben versucht, um sich selbst zu beruhigen. Durch die lebendigen Erzählungen waren sie Teil der irischen Wirklichkeit und lebten in aufgegeben Gehöften, Hügelkuppen oder Bergen. Ihr Ursprung wird zurückgeführt auf den Sturz der Engel aus dem Himmel nach der Rebellion Luzifers gegen Gott. Als St. Michael Gott bat, nicht alle Wesen in die Hölle zu stürzen, erlaubte Gott jedem Engel, zu bleiben, wo er gerade war. Diejenigen, die sich zu diesem Zeitpunkt auf der Erde befanden, sind die Feen. Vom Aussehen her sollen sie der menschlichen Statur ähnlich sein und scheinen auch sonst wie menschliche Wesen zu leben. Sie führen ein regelrechtes Gemeinschaftsleben mit lokalen Herrschern: Finnbheara und Méadhbh in Connaught, Clíodhna in Munster, Áine in Donegal; es gibt gar eine ganze Verhaltenslehre über die Feen.

Zu der Frage, was die Märchen und Sagen Irlands zu Tod und Sterben aussa-

gen, sei u. a. auf das Märchen "Das Kind, das mit den Feen ging" verwiesen. Es zeugt davon, daß Feen den Menschen nicht nur Gutes getan haben, sondern auch im Zusammenhang standen mit der schon erwähnten Todeskutsche, die in diesem Märchen ebenfalls auftaucht. Die Geschirre und das Zaumzeug seien scharlachrot mit Schnallen und Schließen aus Gold und sie wurde gezogen von vier schneeweißen und gewaltig großen Pferden. Die Kutsche sei mit Farben, vergoldeten Beschlägen und Ornamenten reich verziert gewesen. Es gab einen kleinen Kutscher und Beifahrer, vor dem die Kinder des Märchens Angst bekamen. In der Kutsche saßen eine schöne "Prinzessin" und eine schwarze Frau, deren Gesicht einem Totenkopf glich.

Diese Kutsche taucht bei spielenden Geschwistern auf; ein Junge wird auf Wunsch der Frauen in die Kutsche gebeten und als er eingestiegen ist, verschwindet die Kutsche mitsamt seinem Opfer, das zwar Jahre nach seinem Verschwinden vermeintlich wieder gesehen wurde, aber seitdem nicht mehr aufgetaucht ist.

Dieses Märchen verdeutlicht sehr anschaulich, wie die Menschen Irlands Reales wie den Tod mit dem Märchenhaften vermischten. Es ist anzunehmen, daß der Junge aus dem Märchen tatsächlich beim Spiel mit den Kindern verloren gegangen ist und nicht wiedergefunden wurde. Man machte dafür aber nicht einen Unfall verantwortlich, sondern suchte die Erklärung im Feenglauben. Die Feen treten hier als Symbol des Todes auf, insbesondere die schwarze Frau, deren Beschreibung der des schwarzen Mannes unserer Mythologie gleicht.

Das Märchen berichtet zudem, daß der verlorene Junge noch einmal aufgetaucht sei. Dieser Glaube an ein Leben nach dem Tod in einer Jenseitswelt ist ebenfalls typisch für die irische Mythologie in ihrem Umgang mit dem Tod. In dem Märchen "Das Schicksal des Frank M’Kenna" z. B. wird davon erzählt, daß einem Mädchen der Geist eines jungen Mannes erscheint, der auf der Jagd gestorben ist und ihr nun moralische und praktische Ratschläge gibt. Ebenso gibt es den (Aber-) Glauben, daß sich z. B. über die banshees der Tod ankündigen werde wie im Märchen "Die weiße Katze von Drumgunnniol"; in "Moireen" wird davon berichtet, wie der Geist der getöteten Mutter der Märchenheldin hilft, die Schandtaten ihrer Schwestern zu überstehen. Das Märchen "Die drei Söhne des Königs von Antua" blüht gar vor märchenhaften Mythologien über Verwandlungen und Erlösungen und Wiederbelebung der Toten du rch heilendes Wasser.

Der Tod ist nur ein Thema unter vielen, die in den irischen Märchen und Sagen behandelt werden. Durch die enge Verflechtung von Realem und Fiktivem in den folkloristischen Mythen tritt er zumeist dann auf, wenn bestimmte Vorgänge für die Menschen unerklärlich bleiben oder ihr Aberglauben, z. B. über die Boten des Todes, bestätigt werden soll. Dies gilt v. a. für die seanchas, während die epischen Märchen einen ebenso leichten Umgang mit dem Tod pflegen wie die Märchen Mitteleuropas. Die Märchenwelt Irlands ist aber - auch im Hinblick auf die Todesthematik - äußerst spannend, da die Menschen in ihr die vorhandenen Ängste begründen, lindern, aufarbeiten etc. und gleichfalls ihre Hoffnungen stärken.

 

Teil 5:

Anhang

 

 

 

 

Bild 21: Illustration von Katharina Joanowitsch

5.1. Resümee und Reflexion

 

"Alle Tage gehen zum Tod, der letzte langt an." So hat Michel de Montaigne die Tatsache umschrieben, daß alle unsere Wege zum Tod führen und jeder Tag eine Annäherung an ihn ist. "Ist diese Grundrichtung unseres Lebens akzeptiert, kann auch die Kostbarkeit des Lebens wahrgenommen und durchlebt werden."

Ich habe darauf hingewiesen, wie notwendig eine solch veränderte Lebenseinstellung sei, aber wie weit unsere heutige Gesellschaft davon noch entfernt ist. Die bewußte Annahme der Endlichkeit, ohne Vernachlässigung eines Hoffnungsglaubens, sollte das Ziel einer wahrhaftigen Erziehung sein, die das Leben lebenswerter macht. Das Ziel soll kein übertriebener Gegenwarts-Kult sein, sondern der bewußtere Umgang mit dem Leben. Letztlich stehen somit jedoch viele Bewertungsmaßstäbe unserer Gesellschaft in Frage, denn nicht die materiellen Güter zählen, sondern, Freundschaft, Liebe, Vertrauen etc. Das ist die Botschaft des kleinen Prinzen. Sie an die Kinder weiterzugeben, ist die Forderung, die sich aus meinen Ausführungen ergibt.

Für einige meiner Bekannten und Freunde war nur schwer nachzuvollziehen, warum ich mich mit Sterben und Tod auseinandersetzen wollte. Inzwischen hat sich bei vielen die Haltung verändert. Indem ich über meine Arbeit und die Ergebnisse berichtet habe, wuchs das Interesse, sich selbst einmal damit zu beschäftigen. Auch wenn weiterhin die Meinung vorherrschte, daß die Thematik doch recht schwierig und "düster" sei, so zeigte sich doch zunehmend Interesse, diese Arbeit zumindest zu lesen. Ich hoffe dabei einige Impulse zu setzen, sich selbst einmal näher zu betrachten.

Vermutlich ist dies einer der Hintergründe, warum das Interesse gewachsen ist. Im Rückblick auf die vergangenen zwei Monate muß ich an mir selbst eine veränderte Position zu Sterben und Tod feststellen. Bei aller Wissenschaftlichkeit ist es schwer gewesen, seine eigene Persönlichkeit unbeachtet zu lassen. Vielmehr sah ich mich immer wieder mit eigenen Ängsten, Einstellungen, Tabuisierungen, Versäumnissen etc. konfrontiert. Die intensive Beschäftigung mit Vorstellungen über den Tod bei Kindern hat mich gleichsam provoziert, nach meinen eigenen Vorstellungen zu fragen . Auch wenn ich mir noch nicht alle Fragen beantworten kann, so habe ich doch für mich persönlich einiges dazugewonnen.

Zwar halte ich die bisherige Auseinandersetzung mit der Thematik noch nicht für ausreichend, um z. B. auf das Angebot Herrn Philipps, im Hospizverein mitzuarbeiten, eingehen zu wollen, aber im Umgang mit den schweren Erkrankungen meiner Eltern kann ich ein verändertes Denken an mir feststellen. Dies äußert sich in der bewußten Annahme der Endlichkeit, d. h. daß ich nicht mehr länger die Augen davor verschließe, daß die Zeit, die ich mit meinen Eltern verbringen darf, wahrscheinlich nicht mehr allzu lang sein wird. Daraus folgt in meinem Verhalten ihnen gegenüber die konsequente Übersetzung des Leitsatzes dieser Arbeit in den Alltag. Mir scheint, der Satz "Du siehst nur mit dem Herzen gut..." trifft den Nerv vieler Menschen heute, die sich ihre Unzufriedenheit mit dem Leben und ihren sozialen Kontakten nur schwer erklären können.

Neben den persönlichen und privaten Erfahrungen, die aus der Beschäftigung mit dieser Arbeit erwachsen, habe ich an verschiedenen Stellen den Bezug zur sozialarbeiterischen Praxis hergestellt, wenngleich die Sterbeerziehung in der beruflichen Sozialarbeit z. Z. keine herausragende Rolle einnimmt. Dies hängt u. a. mit der noch längst nicht überwundenen Tabuisierung der Todesthematik zusammen, wenngleich eine entgegengesetzte Strömung festzustellen ist. In Wattenscheid findet z. B. die Arbeit des Hospizvereins zunehmend Akzeptanz und die Öffentlichkeit verliert die Angst, damit in Berührung zu kommen. Projekte wie das vorgestellte tragen in erheblichem Maße dazu bei, den Tod in das öffentliche Bewußtsein zu holen. Insbesondere in dem Kapitel 1.5. habe ich die Möglichkeiten dargelegt, wie sich Sozialarbeit in der Todesthematik weiter professionalisieren kann.

Zum Abschluß der Arbeit bleibt für mich weiterhin die Notwendigkeit unübersehbar, sich weiterhin und noch intensiver mit der Thematik Sterben und Tod auseinanderzusetzen. Vieles, was in dieser Arbeit nur angerissen werden konnte, bedarf der intensiveren Beschäftigung und Aufarbeitung. Es sei daher noch einmal auf die entsprechende Literatur verwiesen, die ebenfalls nur aus

schnittsweise Beachtung gefunden hat. Die vorliegende Arbeit beinhaltet daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Darüber hinaus könnte ich mir auf der Grundlage der vorliegenden Ergebnisse durchaus eine eigenständig angelegte empirische Untersuchung zu Vorstellungen über Sterben und Tod bei Kindern und / oder Erwachsenen vorstellen. Dies wäre der logische Schritt, um die aufgestellten Thesen mit den Methoden der qualitativen Empirischen Sozialforschung zu verifizieren.

Die einzelnen Ergebnisse der vorliegenden Arbeit an dieser Stelle zusammenzufassen, halte ich für wenig sinnvoll und daher möchte ich mit einem Zitat Ginette Raimbaults enden, die als Psychoanalytikerin an einem Pariser Kinderkrankenhaus Aufzeichnungen über Gespräche und Darstellungen der Todeserfahrung gesammelt hat: "Diese Worte können Kinder denken. Aber sie können nur gehört und aufgenommen werden von denjenigen, seien es Kinder oder Erwachsenen, die sich von diesen Gedanken erreichen lassen. Wenn ein Kind niemandem begegnet, der sich in seine Lage zu versetzen mag, wenn es nur auf Schweigen oder Lüge trifft, dann schweigt es auch selber. Aber, so werden einige einwenden, ein Kind weiß nicht, was der Tod ist. Selbst wenn es über ihn spricht, hat es nicht die gleiche Vorstellung von ihm wie wir. Das soll heißen, es hat überhaupt keine Vorstellung vom Tod. Und wir? Wer wollte behaupten zu wissen, was der Tod ist? Kinder brauch en keineswegs philosophische Konzepte, um sich mit dem Tod auseinanderzusetzen, um ihn zu sehen, um an ihn zu denken, sich ihn vorzustellen, ihn zu akzeptieren, ihn abzulehnen." Das Leben hätte wahrscheinlich einen anderen Wert, würden wir alle es mit Kinderaugen sehen.

 

 

  

5.2. Literaturverzeichnis

 

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Wülfing, Isabella: Alter und Tod in den Grimmschen Märchen und im Kinder- und Jugendbuch; Aachen 1986

Zeevaert, Sigrid: Max, mein Bruder; Würzburg 1986

5.3. Bildverzeichnis (Für Internet-Nutzer können die Bilder per E-Mail nachgereicht werden, anfordern unter StephanLepper@rz.ruhr-uni-bochum.de)

Titelbild: Zeichnung von Christian Veit; aus: Mann, Frido / Meyer - Pachur, Regina / Schmandt, Christiane: Fliege nicht eher als bis Dir Flügel gewachsen sind. Gedanken, Texte und Bilder krebskranker Kinder; S. 77, Münster - Hamburg 1993

Bild 1: Der Ruf des Todes. Lithographie von Käthe Kollwitz, Blatt 8

der Folge "Tod", 1934 / 35; aus: Winau, Rolf / Rosemeier, Hans Peter (Hrsg.): Tod und Sterben; S. 95, Berlin - New York 1984

Bild 2: Via Appia; aus: Schöningh, Ferdinand (Hrsg.): Lateinisches

Unterrichtswerk; Ausgabe A, S. 50, Paderborn 1975

Bild 3: Zeichnung von Ulli, 9 Jahre; aus: Brocher, Tobias: Wenn Kinder trauern. Wie Eltern helfen können; Tafelteil S. III, Reinbek bei Hamburg 1985

Bild 4: Zeichnung von Timo, 8 Jahre; aus: Brocher, Tobias: Wenn Kinder trauern. Wie Eltern helfen können; Tafelteil S. II, Reinbek bei Hamburg 1985

Bild 5: Zeichnung von Peter, 9 Jahre; aus: Brocher, Tobias: Wenn Kinder trauern. Wie Eltern helfen können; Tafelteil S. VIII, Reinbek bei Hamburg 1985

Bild 6: Zeichnung von Dörte, 9 Jahre; aus: Brocher, Tobias: Wenn Kinder trauern. Wie Eltern helfen können; Tafelteil S. VII, Reinbek bei Hamburg 1985

Bild 7: Zeichnung von Martina, 9 Jahre; aus: Brocher, Tobias: Wenn Kinder trauern. Wie Eltern helfen können; Tafelteil S. I, Reinbek bei Hamburg 1985

Bild 8: Zeichnung von Mechthild Arping; aus: Mann, Frido / Meyer - Pachur, Regina / Schmandt, Christiane: Fliege nicht eher als bis Dir Flügel gewachsen sind. Gedanken, Texte und Bilder krebskranker Kinder; S. 105, Münster - Hamburg 1993

Bild 9: Sara tröstet Ruth; aus: Kaldhol, Marit / Oyen, Wenche: Abschied von Rune; S. 14, München 1987

Bilder 10 - 16: Zeichnungen verschiedener Kinder aus den Wattenscheider Kindergärten, die sich an der Projektarbeit des Hospizvereins beteiligt haben; mit freundlicher Genehmigung des Hospizvereins Wattenscheid e. V.

Bild 17: Der kleine Prinz trifft den Fuchs; aus: Saint - Exupéry, Antoine de: Der kleine Prinz; S. 91, Düsseldorf 1993

Bild 18: Rune gibt Sara einen Kuß; aus: Kaldhol, Marit / Oyen, Wenche: Abschied von Rune; S. 3, München 1987

Bild 19: Illustration von Bettina Wölfel; aus: Zeevaert, Sigrid: Max, mein Bruder; Titelillustration, Würzburg 1986

Bild 20: Zeichnung von Ilon Wikland; aus: Lindgren, Astrid: Die Brüder Löwenherz; S. 234, Hamburg 1973

Bild 21: Illustration von Katharina Joanowitsch; aus: Pädagogik: Tod und Sterben - Erfahrungen mit einem Tabu; 48. Jahrgang, Heft 9, Titelbild, Hamburg 1996

 

5.4. Versicherung

 

Ich versichere, daß ich meine Diplomarbeit:

 

"Du siehst nur mit dem Herzen gut..."

Von der Entwicklung des kindlichen Todeskonzeptes unter besonderer Berücksichtigung des Einflusses von Kinderliteratur

 

 

selbständig und ohne fremde Hilfe angefertigt habe, und daß ich alle von anderen Autoren wörtlich übernommenen Stellen wie auch die sich an die Gedankengänge anderer Autoren eng anlehnenden Ausführungen meiner Arbeit besonders gekennzeichnet und die Quellen angegeben habe.

 

 

Wattenscheid, den 16.12.1997 Unterschrift Stephan Lepper